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Art. 4 und 5 Konkordat Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen, § 1 der kantonalen VO zum Konkordat
Art. 37 Abs. 2 und Art. 39 BV; § 5 Abs. 1 und § 73 KV; Art. 160 Abs. 1 und Art. 161 ZGB; § 33 und § 37 GG

§§ 39 Abs. 1a und 67 Abs. 2 WAG; Verordnung zum Wahl- und Abstimmungsgesetz vom 29. April 2008 (WAV)

Regeste:

§§ 39 Abs. 1a und 67 Abs. 2 WAG; Verordnung zum Wahl- und Abstimmungsgesetz vom 29. April 2008 (WAV) – Wer Mängel bei den Wahl- oder Abstimmungsunterlagen rügen will, die er schon vor dem Wahl- oder Abstimmungstag entdeckt, darf mit der  Beschwerdeeinreichung nicht bis nach dem Wahl- oder Abstimmungstag zuwarten. Soweit sich eine Beschwerde jedoch gegen die Ermittlung des Ergebnisses richtet, kann eine solche von der Sache her erst  nachträglich erhoben werden (Erw. 2). Die Wahlunterlagen für die Wahl des Regierungsrates vom 4. Oktober 2014 haben nicht in allen Punkten den Vorgaben des WAG und der WAV entsprochen. Mit der  Ungültigerklärung von fast 10 % der Stimmen wurde zudem auch der verfassungsmässige Grundsatz verletzt, dass kein Wahlergebnis anerkannt werden darf, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig zum Ausdruck bringt (Erw. 5 f.).

Aus dem Sachverhalt:

Am 5. Oktober 2014 fanden im Kanton Zug erstmals Majorzwahlen für den Regierungsrat statt. Aus dem Protokoll der Wahlergebnisse für die Regierungsratswahl ergibt sich, dass insgesamt 30'817 Wahlzettel eingegangen sind. Von diesen wurden 2'897 als ungültig qualifiziert, d.h. es wurden 9.4 % der eingegangenen Stimmen für ungültig befunden. Gegen dieses Wahlergebnis gingen zwei Beschwerden ein, die vom Regierungsrat zur direkten Beurteilung an das Verwaltungsgericht überwiesen wurden. Eine Gruppe von fünf Beschwerdeführern verlangte, es sei die Ungültigkeit der vorgedruckten «Wahlvorschläge» Nr. 01 bis 10 aufzuheben und diese «Wahlvorschläge» für gültig zu erklären und die entsprechenden Stimmen zum Gesamtresultat hinzuzuzählen. Ein einzelner Beschwerdeführer beantragte, die Wahl sei aufzuheben und neu anzusetzen.

Aus den Erwägungen:

(...)

2. a) Die Wahlbeschwerden sind am 10. bzw. am 15. Oktober 2014 (Poststempel), d.h. innerhalb der ab dem Wahltag vom 5. Oktober 2014 laufenden 20-tägigen Beschwerdefrist gemäss § 67 Abs. 2 WAG und von daher formal fristgerecht eingereicht worden. Allerdings stellt sich in diesem Fall bezüglich der von Amtes wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzung der Fristwahrung die Frage, ob die Beschwerde auch in Berücksichtigung der in § 67 Abs. 2 WAG getroffenen Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Entdeckung des gerügten Mangels rechtzeitig erhoben worden ist. Die Bestimmung schreibt nämlich vor, dass die Beschwerde innert zehn Tagen seit der Entdeckung des Beschwerdegrundes einzureichen ist, falls dies vor dem Abstimmungstag der Fall ist. Diese Frist verlängert sich bis zum 20. Tag nach dem Abstimmungstag, falls sie am Abstimmungstag noch nicht abgelaufen ist. Dieser Fristbestimmung entspricht, dass gemäss § 69 Abs. 1 WAG der Regierungsrat, falls er auf Beschwerde hin oder von Amtes wegen Unregelmässigkeiten feststellt, wenn möglich schon vor Schluss des Abstimmungs- und Wahlverfahrens die notwendigen Verfügungen zur Behebung der Mängel trifft. Darauf ist im Folgenden einzugehen.

b) Das Stimmmaterial ist so rechtzeitig zu versenden, dass es für Abstimmungen in der viertletzten Woche vor dem Abstimmungstag und für Wahlen spätestens in der drittletzten Woche vor dem Wahltag bei den Stimmberechtigten eintrifft (§ 8 Abs. 3 WAG). Ohne Durchführung eines Beweisverfahrens über den genauen Zeitpunkt der postalischen Zustellung der Wahlunterlagen an die Stimmberechtigten – gemäss der Direktion des Innern war das Wahlmaterial am 19. September 2014 bei allen Wahlberechtigten zugestellt gewesen – ist davon auszugehen, dass die Wahlunterlagen so früh zugestellt worden sind, dass es den Beschwerdeführern zeitlich möglich und zumutbar gewesen wäre, gegen eine für sie allenfalls sofort erkennbare rechtswidrige Gestaltung der Wahlunterlagen noch innert der zehntägigen Frist vor dem Wahltag Beschwerde zu führen. Entscheidend für die Bejahung oder Verneinung der Fristwahrung durch die Beschwerdeführer ist somit die Frage, ob der von den Beschwerdeführern jeweils gerügte Mangel solcher Art ist, dass er von ihnen gemäss Gesetz innert 10 Tagen nach dessen Entdeckung bzw. Zustellung und damit schon vor dem Wahltermin hätte bemerkt und beschwerdeweise geltend gemacht werden müssen.

Was den Sinn der entsprechenden gesetzlichen Regelung und der höchstrichterlichen Praxis dazu betrifft, so soll sichergestellt werden, dass Mängel hinsichtlich von Vorbereitungshandlungen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen sofort und vor Durchführung des Urnenganges gerügt werden. Diese Praxis bezweckt, dass Mängel möglichst noch vor der Wahl oder Abstimmung behoben werden können und der Urnengang allenfalls nicht wiederholt zu werden braucht. Unterlässt dies der Stimmberechtigte, so verwirkt er im Grundsatz das Recht zur Anfechtung der Wahl oder Abstimmung. Es wäre mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn ein Mangel vorerst widerspruchslos hingenommen wird und hinterher die Wahl oder Abstimmung, soweit deren Ergebnis nicht den Erwartungen entspricht, wegen eben dieses Mangels angefochten wird. Grundsätzlich gelten diese Grundsätze allein für das bundesgerichtliche Verfahren gemäss Art. 82 lit. c BGG (Bundesgerichtsurteil 1C_217/2008 vom 3. Dezember 2008, E. 1.2 mit vielen Hinweisen) und sind die Kantone in ihrer Regelung frei. Es entspricht aber auch der von den Zuger Behörden geübten Praxis, dass Mängel in der Vorbereitung eines Urnengangs sofort gerügt werden müssen (vgl. RRB vom 25. April 1995, GVP 1995/96, 116 ff.).

Das Verwaltungsgericht hält unter Bestätigung dieser Praxis dafür, dass in Berücksichtigung der vom Gesetz vorgesehenen kurzen Anfechtungsfristen an die Erkennbarkeit der beanstandeten Mängel und die Substanziierung der Beschwerden keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. dazu allgemein Bundesgerichtsurteil 1C_62/2012 vom 18. April 2012, E. 3 mit Hinweisen). Hierauf ist bezüglich der beiden Beschwerden im Folgenden je einzeln einzugehen.

c) Zuerst ist zu der von den Beschwerdeführern 1 - 5 erhobenen Beschwerde Folgendes festzustellen:

Die Würdigung von deren Beschwerdevorbringen ergibt, dass die Beschwerdeführer nicht nur die von ihnen als gesetzwidrig erachtete Ausgestaltung der bei der Wahl verwendeten Wahlunterlagen bzw. -zettel rügen, was an sich vor dem Wahltermin hätte beschwerdeweise geltend gemacht werden können, sondern ausdrücklich auch die von ihnen als gesetzwidrig bzw. überspitzt formalistisch bezeichnete Auszählung der eingereichten Wahlzettel. Dabei beziehen sie sich auf die Widersprüche zwischen den gesetzlichen Bestimmungen und dem an die Wählerinnen und Wähler abgegebenen Wahlmaterial, insbesondere aber auf die sich aus dem Gesetz ergebenden Interpretationsspielräume, welche die Regierung bei der Auszählung der Stimmen aber nicht genutzt habe (vgl. anschliessend die materiell-rechtlichen Erwägungen 4 ff.). Angefochten ist mithin überhaupt die Art und Weise der Ermittlung des Wahlergebnisses. In Anbetracht der vor der Wahl geführten öffentlichen Diskussion darüber, wie das neuartige Verfahren mit all seinen von den Behörden und den Parteien erkannten Unsicherheitsfaktoren bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen und funktionieren werde, hing angesichts der vom Verwaltungsgericht im Folgenden bestätigten Widersprüche zwischen den Wahlunterlagen und den gesetzlichen Vorgaben tatsächlich viel von der schliesslich angewendeten Auszählungspraxis ab. Zumindest durften dies die Beschwerdeführer so einschätzen. So stand denn auch die Regierung aufgrund des Wechsels im Wahlrechtsmodus bei der Ermittlung des Wahlergebnisses in einer besonderen Pflicht, über deren gesetzmässige Erfüllung erst nach Vorliegen der Wahlergebnisse abschliessend geurteilt werden konnte. Ohnehin kam eine nachträgliche Änderung der Wahlunterlagen selbst im Falle einer vor der Wahl erhobenen Beschwerde offensichtlich nicht mehr in Frage, und eine infolge des Bekanntwerdens einer Wahlbeschwerde eventuell noch breitere öffentliche Diskussion über das Wahlprozedere hätte auch nicht mit Sicherheit mehr Klarheit bewirkt. Tatsächlich wurde auch so schon von den Behörden wie den von ihnen noch extra dazu aufgeforderten politischen Parteien ein grosser Informationseinsatz geleistet. Von einem treuwidrigen, nicht schützenswerten, weil eventuell einzig parteipolitisch motivierten Hinauszögern der Beschwerde durch die Beschwerdeführer kann unter diesen Voraussetzungen nicht die Rede sein.

Für das Gericht steht fest, dass über die Verfassungs- und Gesetzmässigkeit des im Kanton Zug neu eingeführten Wahlprozederes für die Majorzwahl der Exekutiven überhaupt erst nach der Kenntnis der Wahlergebnisse abschliessend geurteilt werden konnte. Demgemäss kann auch über die Erhebung einer Beschwerde mit den von den Beschwerdeführern vorgebrachten Anträgen erst im Nachgang zum Wahlgang entschieden werden. Dies gilt vorliegend insbesondere in Berücksichtigung der aus den Wahlen resultierenden, von niemandem – bestimmt auch nicht von den Beschwerdeführern – erwarteten ausserordentlich hohen Prozentsätze an ungültigen Stimmen, die sogar nationales Erstaunen auslösten. Diese bewegten sich in den einzelnen Gemeinden zwischen 1.4 % (Neuheim) und 21.8 % (Unterägeri) und erreichten kantonal die Ziffer von 9.4 %, im Vergleich zu 0.7 % bei den letzten Regierungsratswahlen vor vier Jahren. Erst angesichts dieser Ergebnisse war die Erhebung einer Beschwerde zu erwarten. Und in Berücksichtigung dieser Zahlen – mehr als 13 mal mehr ungültige Wahlzettel als vier Jahre zuvor – muss aus Sicht des Gerichts nach der Wahl beschwerdeweise die vollständige Überprüfung des von der Regierung zu verantwortenden Verfahrens verlangt werden können. Es käme mangels eines Beschwerdewegs sonst alternativ nur die ungenügende Möglichkeit einer Aufsichtsbeschwerde an den Kantonsrat in Frage. Mit einer so massiven Auswirkung der auf den ersten Blick – und damit vor den Wahlen – nicht schon so klar erkennbaren Mängel der Wahlunterlagen bzw. Widersprüche zur gesetzlichen Regelung musste vor der Durchführung der Wahlen nicht gerechnet werden, auch von den Beschwerdeführern nicht. Es kann ihnen deshalb nicht vorgeworfen werden, nicht schon vor dem Wahlgang Beschwerde geführt zu haben. Vielmehr hätte allenfalls von der Regierung angesichts der sich am Wahltag offenbarenden Sachlage erwogen werden können, ob die infolge der häufigen Verwendung der vorgedruckten «Wahlvorschläge» so zahlreichen ungültigen Stimmen in grosszügigerer Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen eventuell als gültig anzurechnen seien. Die Beschwerdeführer fühlten sich letztlich erst durch das von der Regierung hingenommene Resultat mit einem Anteil von 9.4 % ungültiger Stimmen in ihren politischen Rechten beschwert.

So wie das Bundesgericht im bereits erwähnten Fall (1C_217/2008 vom 3. Dezember 2008, E. 1.2) das kantonale Eintreten auf eine Wahlbeschwerde mit der Argumentation schützte, dass der die Zählweise der leeren und ungültigen Wahlzettel und damit die Ermittlung des Wahlergebnisses beanstandende Beschwerdeführer davon überhaupt erst nach Bekanntwerden der Resultate Kenntnis erhalten habe und insoweit die Beschwerdefrist durch seine erst nach dem Wahltag eingereichte Beschwerde eingehalten habe, tritt das Verwaltungsgericht auf die erste Beschwerde von (...) ein. Gestützt auf den in diesem Urteil erstellten Sachverhalt erachtet das Gericht vorliegend die allgemeine gesetzliche Frist für erst nach dem Wahltag erhobene Beschwerden als anwendbar. Diese ist unbestrittenermassen klar eingehalten worden.

d) Zur Beschwerde des Beschwerdeführers 6 ist in differenzierter Würdigung seiner Vorbringen Folgendes zu erwägen:

Der Beschwerdeführer macht zum Einen geltend, dass die Wähler und Wählerinnen durch die Ausgestaltung der Wahlunterlagen mit den zum Gebrauch als Wahlzettel einladenden Seiten 2 und 3 der Wahlunterlagen mit der Bezeichnung «Beiblatt Wahlvorschläge» getäuscht und dadurch dazu veranlasst worden seien, letztere unverändert oder verändert als Wahlzettel zu verwenden, was ihre Stimmen habe ungültig werden lassen. Die Berücksichtigung der für die Wahl verwendeten Blätter mit den Wahlvorschlägen würde aber im Vergleich dazu die Wähler und Wählerinnen, die in der Verwirrung «andere Fehler» gemacht oder deshalb nicht gewählt hätten, in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung verletzen. Hinsichtlich dieser Rügen ist unter Verweis auf die unmittelbar vorangegangenen Ausführungen zur Beschwerde der Beschwerdeführer 1-5 und ohne weitere Ausführungen auch für diese Beschwerde die fristgerechte Erhebung zu bejahen.

Anders sieht es bezüglich der weiteren Rügen aus. Der Beschwerdeführer macht nämlich in seiner Beschwerde weiter geltend, dass die Ausgestaltung der «Wahlzettel» [recte wohl Wahlvorschläge] insofern in klarer Weise § 39 Abs. 1a WAG verletze, als die Kandidaten und Kandidatinnen nicht auf einem einzelnen, eigenständigen Beiblatt, sondern auf zwei durch Perforation trennbaren Seiten der Wahlunterlagen aufgeführt worden seien. Dass viele Wähler und Wählerinnen die Seiten 2 und 3 der Wahlunterlagen separat als Wahlzettel verwendet hätten, zeige, dass diese nicht als einheitliches Beiblatt wahrgenommen worden seien, sondern als zwei Wahlvorschläge, was eine Benachteiligung der neu Kandidierenden gegenüber den bisherigen bewirkt habe. Auch habe Seite 2 mit sieben bisherigen Kandidierenden attraktiver gewirkt als Seite 3 mit bloss drei neu Kandidierenden. Dies verletze die Gleichheit der Wahl und somit § 5 Abs. 1 i.V.m. § 27 der Kantonsverfassung sowie Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 Abs. 2 BV. Darum könne die Wahl nicht dadurch geheilt werden, dass die vorgedruckten Wahlvorschläge als gültige Wahlzettel gezählt würden. Dies würde sogar eine Verstärkung der Ungleichbehandlung der neu Kandidierenden bewirken, auch weil auf dem Blatt mit den bisherigen Regierungsräten keine freie Linien vorhanden gewesen seien, auf denen andere Kandidaten hätten «panaschiert» werden können. Die Kandidaten hätten zudem diesen vorgedruckten Wahlvorschlägen «niemals» zugestimmt. Diese nachträglich doch anzurechnen, verstiesse gegen Treu und Glauben. Hinsichtlich dieser Rügen kommt das Gericht zum Schluss, dass sie ohne weiteres bereits ab dem Erhalt der Wahlunterlagen hätten geltend gemacht werden können und müssen, und dass dies auch ohne weiteres zumutbar war. Denn dass die neu Kandidierenden aufgrund der Gestaltung der Wahlunterlagen gegenüber den bisherigen Regierungsräten benachteiligt worden sein sollen, wäre sofort ersichtlich und darum innert Frist noch vor der Wahl zu rügen gewesen. Insbesondere ergibt sich diesbezüglich auch nachträglich, d.h. in Berücksichtigung der bei der Wahl aufgetretenen ausserordentlich hohen Quote an ungültigen Stimmen, keine andere Würdigung. Somit ist die Beschwerdefrist hinsichtlich dieser Rügen klar nicht eingehalten worden und auf diese im Folgenden nicht einzutreten. Selbst wenn aber auch auf diese Anträge eingetreten werden könnte, würde er damit nicht durchdringen (vgl. dazu hinten Erwägung 8b).

(...)

5. Im Folgenden sind die gesetzlichen Bestimmungen darzulegen, die bei der Vorbereitung und Durchführung der Regierungsratswahlen vom 5. Oktober 2014 zu beachten waren. Ebenfalls ist auf sachbezogene Äusserungen zu verweisen, die im Rahmen der Revision des WAG betreffend Gestaltung der Wahlzettel im Jahr 2013 gemacht wurden.

a) Im 3. Titel des WAG finden sich die Regeln über die kantonalen Wahlen. Paragraph 39 Abs. 1a WAG (in der seit dem 1. Januar 2014 gültigen Fassung) lautet wie folgt:

«Bei Majorzwahlen wird pro Wahl ein einziger leerer Wahlzettel erstellt, der so viele leere Linien enthält, wie Personen in die betreffende Behörde zu wählen sind. Diesem Wahlzettel wird ein Beiblatt zur Information beigelegt, auf dem zuerst alle kandidierenden Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber und danach alle neu Kandidierenden in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen aufgeführt sind. Das Beiblatt enthält Nach- und Vornamen, Jahrgang, Berufsbezeichnung, Wohnadresse, gegebenenfalls den Zusatz «bisher» sowie eine allfällige Partei oder Gruppierung, die den Wahlvorschlag eingereicht hat»

Die Regeln über das Stimmmaterial finden sich in § 8 Abs. 1 - 3 WAG:

«1Das Stimmmaterial besteht aus dem Stimmrechtsausweis, der Abstimmungsvorlage mit Erläuterung, den Wahl- oder Stimmzetteln und dem verschliessbaren Stimmzettelkuvert. Es wird den Stimmberechtigten in einem Kuvert zugestellt, das als Rücksendekuvert für die briefliche Stimmabgabe verwendet werden kann.
2Bei Wahlen erhalten die Stimmberechtigten in jedem Fall auch einen leeren Wahlzettel.
3Das Stimmmaterial ist so rechtzeitig zu versenden, dass es für Abstimmungen in der viertletzten Woche vor dem Abstimmungstag und für Wahlen spätestens in der drittletzten Woche vor dem Wahltag bei den Stimmberechtigten eintrifft» (...)

Die Regeln über die Ungültigkeit der Stimm- und Wahlzettel finden sich in § 19 WAG:

«1Stimm- und Wahlzettel sind ungültig, wenn sie
a) nicht amtlich sind;
b) nicht im Sinne von § 11 Abs. 1 oder von § 15 Abs. 3 und 4 gekennzeichnet sind;
c) anders als handschriftlich ausgefüllt oder geändert wurden;
d) den Willen der stimmberechtigten Person nicht eindeutig erkennen lassen;
e) ehrverletzende Äusserungen oder offensichtliche Kennzeichnungen enthalten.
2Wahlzettel sind ausserdem ungültig, wenn sie keinen gültigen Kandidatennamen enthalten».

b) Die WAV enthält weitere, zum Teil sehr detaillierte Anweisungen bezüglich des Wahl- und Abstimmungsverfahrens. So bestimmt § 22 WAV unter dem Marginale «Stimm- und Wahlzettel» Folgendes:

«1Die Stimm- und Wahlzettel haben den Wahl- oder Abstimmungskreis, den Gegenstand der Wahl oder Abstimmung und das Datum des Hauptabstimmungstages zu bezeichnen.
2Im übrigen sind sie so zu gestalten, dass die sachgerechte Willensäusserung gewährleistet ist».

Der § 46 WAV enthält die Regeln über die Gestaltung der Wahlzettel:

«1Auf allen Wahlzetteln ist die Zahl der zu vergebenden Mandate anzugeben.
2Sofern nicht für alle Mandate Wahlvorschläge vorliegen, ist die entsprechende Zahl leerer Linien zu drucken.
3Der leere Wahlzettel enthält eine Linie für die Listenbezeichnung und so viele leere Linien für die Kandidatennamen, als Mandate zu besetzen sind.
4Finden gleichzeitig Wahlen verschiedener Behörden statt, so sind für jede Behörde getrennte Wahlzettel unterschiedlicher Farbe zu drucken.»

In § 47 finden sich die Regeln über den Wahlzettelbogen:

«1Für alle Wahlen werden amtliche Wahlzettelbogen gedruckt.
2Der Wahlzettelbogen enthält, durch Perforation voneinander getrennt, eine amtliche Wegleitung für die Stimmabgabe, für jede Liste einen separaten Wahlzettel sowie einen leeren Wahlzettel.»

c) Im Jahr 2013 wurde das Gesetz über die Wahlen und Abstimmungen bezüglich der Gestaltung von Wahlzetteln bei Majorzwahlen geändert. Was ursprünglich als unabhängig von der Frage der Majorzwahl geplante Gesetzesänderung vorgesehen war, erhielt nach der Abstimmung vom 9. Juni 2009 (Ja zur Personenwahl) eine erhöhte Bedeutung und Dringlichkeit. Aus dem Bericht und Antrag des Regierungsrates vom 29. Juni 2013 (Kantonsratsvorlage Nr. 2218.1) ergibt sich, dass ein einziger Wahlzettel pro Majorzwahl benutzt werden solle. Dieser enthalte so viele leere Linien wie Sitze zu vergeben seien. Dem Wahlzettel werde ein Informations-Blatt beigefügt, auf dem zuerst alle bisherigen Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber, die wieder kandidieren, und danach die neuen Kandidierenden je in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt würden. Die Stimmberechtigten würden die Kandidierenden, die sie wählen wollten, handschriftlich auf dem leeren Wahlzettel eintragen und zwar maximal so viele, wie Sitze für die Behörde zu vergeben seien. Aus dem Bericht der vorberatenden Kommission vom 14. März 2013 (KRV Nr. 2218.3), welche sich mit 14:0 Stimmen für Eintreten aussprach, geht hervor, dass das vom Regierungsrat vorgeschlagene Modell nach Meinung der Kommission der Personenwahl am besten gerecht werde. Durch die Abgabe einer leeren Liste müssten sich die Stimmberechtigten eingehender mit der Wahl befassen. Ein Kommissionsmitglied habe darauf aufmerksam gemacht, dass ältere Stimmberechtigte nicht benachteiligt werden dürften und das Informationsblatt entsprechend auszugestalten sei. Die Gestaltung des Beiblattes sei auch entscheidend, damit zwischen den Kandidierenden faire Bedingungen geschaffen werden könnten. In der Detailberatung zu § 39 Abs. 1a WAG beschloss die vorberatende Kommission, dem Vorschlag des Regierungsrates zu folgen. Dieser sah vor, dem leeren Wahlzettel ein Informationsblatt beizulegen, auf dem zuerst die bisherigen und anschliessend die neuen Kandidierenden je in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt würden. Ein alternativer Antrag sah die Aufführung aller Kandidierenden in alphabetischer Reihenfolge ohne Trennung von bisherigen und neuen Kandidierenden vor. Der regierungsrätliche Antrag obsiegte mit 13:1 Stimmen. Weiter ergibt sich aus dem Bericht der Kommission, dass die Gefahr angesprochen wurde, dass das Beiblatt zusammen mit dem Wahlzettel abgegeben werde oder das Beiblatt gar als «Wahlzettel» benutzt werde. Deshalb sei bei der Ausgestaltung des Beiblattes unbedingt darauf zu achten, dass sich das Informationsblatt deutlich vom Wahlzettel abhebe (z.B. andere Farbe, anderes Format, klare grafische Darstellung).

d) Im Rahmen der Beratung der Gesetzesänderung im Kantonsrat (Protokoll der 1. Lesung vom 27. Juni 2013, Traktandum Nr. 6) wurde die Gestaltung der Wahlzettel nochmals thematisiert. Der Kommissionpräsident Heini Schmid erklärte, die Kommission unterstütze den Vorschlag des Regierungsrates, bei Majorzwahlen künftig nicht mehr vorgedruckte Wahlzettel mit den Namen der Kandidierenden und mit Listenbezeichnungen zu verwenden, sondern einen einzigen Wahlzettel mit leeren Linien, ergänzt durch ein Informationsblatt mit allen Kandidierenden. Der Vertreter der SP-Fraktion, Alois Gössi, erklärte, das Wichtigste sei, dass es zwei Zettel geben werde: ein vorgedrucktes Beiblatt mit dem Namen, dem Vornamen und weiteren Angaben zu allen Kandidierenden zu Informationszwecken sowie ein leeres Wahlblatt, das es dann für die Wahl auszufüllen gelte. Die Direktorin des Innern, Regierungsrätin Manuela Weichelt-Picard, erklärte seitens des Regierungsrates, diesem sei es wichtig, dass neu den Stimmberechtigten ein einziger Wahlzettel mit fünf oder sieben leeren Linien – je nach Gremium – zusammen mit einem Informationsblatt zugestellt werde. Dies habe sich in anderen Kantonen, etwa im Kanton Aargau oder im Kanton Solothurn, bereits bewährt. Auf dem Beiblatt würden die Wählenden die Kandierenden im Überblick, einheitlich und aussagekräftig dargestellt, finden.

e) Im Rahmen der 2. Lesung vom 29. August 2013 gab es keine Voten mehr und die Gesetzesänderung wurde vom Kantonsrat mit 65:0 Stimmen genehmigt.

6. Im Folgenden ist nun zu prüfen, ob die den Stimmberechtigten zugestellten Wahlunterlagen für die Wahl des Regierungsrates vom 5. Oktober 2014 den Bestimmungen des WAG und der WAV entsprochen haben. Weiter ist zu klären, ob sie auch dem Willen des Gesetzgebers entsprechend ausgestaltet wurden. Weiter wird zu prüfen sein, ob mit der Ungültigerklärung von 2'897 Wahlzetteln, was 9.4 % der total eingegangenen Wahlzettel entspricht, nicht der verfassungsmässig geschützte Grundsatz verletzt wurde, dass kein Wahlergebnis anerkannt werden darf, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Dabei wird zu beachten sein, dass zu diesem Verfassungsgrundsatz auch die sorgfältige und ordnungsgemässe Ermittlung des Wahlergebnisses gehört.

a) Die Wahlunterlagen für die Regierungsratswahlen vom 5. Oktober 2014 entsprechen nicht in allen Punkten den Bestimmungen des WAG und der WAV sowie den Intentionen des Gesetzgebers.

aa) Paragraph 39 Abs. 1a WAG verlangt, dass bei Majorzwahlen pro Wahl ein einziger leerer Wahlzettel erstellt wird. Diesem Wahlzettel wird ein Beiblatt zur Information «beigelegt», auf dem – verkürzt ausgedrückt – die Kandidierenden aufgeführt sind. Die Gesetzesbestimmung spricht von «beilegen», was bedeutet, dass das Informations-Beiblatt «beizulegen» und nicht «anzuheften» oder als einheitlicher Bogen mit Perforation abzugeben ist. Vom sprachlich klaren Wortlaut einer Bestimmung (grammatikalische Auslegung) darf man nur abweichen, wenn triftige Gründe bestehen, dass er nicht den rechtlichen wahren Sinn der Vorschrift ausdrückt (Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Bern 2014, § 25 N 3). Hier lässt die grammatikalische Auslegung entgegen der Meinung der Direktion des Innern keinen Spielraum. Das «Beiblatt», welches «dem Wahlzettel zur Information» beizulegen ist, darf nicht mit diesem verbunden werden, selbst wenn es durch Perforation leicht abgetrennt werden kann.

bb) Soweit sich die Direktion des Innern auf die historische Auslegung beruft und geltend macht, der vorberatenden Kommission, dem Regierungsrat, der Staatskanzlei und ihr selber hätten die Wahlzettelmodelle anderer Kantone vorgelegen und die vorberatende Kommission und der Kantonsrat seien diesen Modellen gefolgt, so ist die Feststellung nicht in allen Punkten zutreffend. Es soll nicht in Frage gestellt werden, dass der vorberatenden Kommission dieses Modell vorgestellt wurde, doch gerade sie hat auf die Gefahr aufmerksam gemacht, welche sich daraus ergeben könnte, wenn das Beiblatt zusammen mit dem Wahlzettel abgegeben oder das Beiblatt gar als Wahlzettel benutzt würde. Die Kommission hat in ihrem Bericht sogar ausdrücklich verlangt, dass unbedingt darauf geachtet werden müsse, dass sich das Informationsblatt deutlich vom Wahlzettel abhebe. Dem Kantonsrat wurden diese Modelle (in Papierform) – soweit aus den Vorlagen ersichtlich – nicht vorgelegt. Im Bericht und Antrag des Regierungsrates (KRV 2218.1, S. 5) wurde unter 4. aufgeführt: «Modell: Wahlanmeldeverfahren, Beiblatt und einen einzigen leeren Wahlzettel (SO, AG, ZH)» und weiter ausgeführt, es erfolge ein Wahlanmeldeverfahren und auf einem Informations-Beiblatt würden alle angemeldeten Kandidierenden mit Parteizugehörigkeit und bei Amtierenden mit dem Vermerk «bisher» aufgeführt. Auf Seite 9 wird zudem explizit als Nachteil des Modells 4 ausgeführt, dass die Stimmberechtigten nicht den Wahlzettel, sondern das Beiblatt als Wahlzettel verwenden würden, was zur Ungültigkeit führe.

cc) Aus den entsprechenden Voten im Rahmen der ersten Lesung im Kantonsrat ist zu entnehmen, dass dort jeweils von einem ergänzenden Informationsblatt oder sogar von «zwei Zetteln» die Rede war. Auch der Kommissionspräsident erklärte vor der Schlussabstimmung nochmals, dass hier nicht vom Wahlzettel, sondern vom Beiblatt die Rede sei. Der Kantonsrat dürfte daher bei der Legiferierung von § 39 Abs. 1a WAG eher von einem Wahlzettel und einem separaten Beiblatt mit den Wahlvorschlägen ausgegangen sein.

dd) Diese Gesetzesinterpretation entspricht auch der Definition des «Wahlzettelbogens» von § 47 WAV, die sich im 9. Titel der WAV «Besondere Bestimmungen über die Wahlen» befindet. In dieser Bestimmung wird festgelegt, dass für alle Wahlen amtliche Wahlzettelbogen gedruckt werden (Abs. 1). Gemäss § 47 Abs. 2 WAV enthält der Wahlzettelbogen, durch Perforation voneinander getrennt, eine amtliche Wegleitung für die Stimmabgabe, für jede Liste einen separaten Wahlzettel sowie einen leeren Wahlzettel. Weitere Angaben darf er gemäss § 47 WAV nicht enthalten. Gemäss § 47 WAV dürfen sich also auf dem Wahlzettelbogen keine Wahlvorschläge befinden. Die Direktion des Innern wendet hiergegen ein, diese Norm sei ausschliesslich für die Proporzwahlen geschaffen. Für die Majorzwahlen habe sie keine Bedeutung, weil diese durch die Änderung des WAG betreffend Gestaltung der Wahlzettel von 2013 abschliessend geregelt seien und die Gesetzesänderung ohnehin als spätere und hierarchisch höhere Norm zu qualifizieren sei. Die Feststellung ist insofern zutreffend, als sich die Norm bereits seit dem 29. April 2008 in der Wahlverordnung findet. Damit war sie sicher in erster Linie auf die Proporzwahlen ausgerichtet. Allerdings gab es auch schon 2008 für einzelne Behörden Majorzwahlen. Zudem befindet sich § 47 im 9. Titel der WAV, der die Überschrift «Besondere Bestimmungen über Wahlen» trägt und auch Regeln enthält, die bei den Majorzwahlen zu beachten sind. Sicher sind daher die Bestimmungen über die Wahlzettelbogen zumindest analog anwendbar.

ee) Der hier zur Diskussion stehende «Wahlzettelbogen» besteht aus vier Teilzetteln, die durch Perforation voneinander getrennt sind. Links befindet sich der mit «Wahlanleitung Majorz» beschriftete Teilzettel, in der Mitte links befindet sich das «Beiblatt Wahlvorschläge» mit den sieben bisherigen Mitgliedern des Regierungsrates, in der Mitte rechts das «Beiblatt Wahlvorschläge» mit den drei neuen Kandidierenden und schliesslich auf der rechten Seite der «Wahlzettel Regierungsrat» mit sieben freien Linien. Orientiert man sich an den Vorgaben von § 39 Abs. 1a WAG und § 47 WAV, so hätten sich nur der Zettel links «Wahlanleitung Majorz» und der Zettel rechts «Wahlzettel Regierungsrat» auf dem Wahlzettelbogen befinden dürfen. Die beiden Wahlvorschläge hätten sich nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht auf dem Wahlzettelbogen befinden dürfen.

b) Aus Sicht des Gerichts erweist es sich als besonders heikel, dass sich die Wahlanleitung, der Wahlzettel und das «Beiblatt Wahlvorschläge» bzw. die zwei Beiblätter mit den Wahlvorschlägen nicht nur auf dem gleichen Wahlzettelbogen befinden, sondern auch optisch als Einheit daherkommen. Alle vier Zettel sind in der gleichen Grösse und der gleichen blauen Farbe gehalten, drei von vier Zetteln sind in gleicher Schriftgrösse mit «Wahl des Regierungsrates vom 5. Oktober 2014» betitelt, wobei die Einzeltitel der vier Zettel rechts oben in deutlich kleinerer Schrift gehalten sind. Es erstaunt unter diesen Umständen nicht, dass sich eine grössere Anzahl von Stimmberechtigten dazu «verleiten» liess, statt des Wahlzettels eines der beiden «Beiblätter Wahlvorschläge» zu verwenden und dieses statt des Wahlzettels in die Urne zu legen. Dass man sich dieser «Verwechslungsgefahr» auf Seiten der Behörden bewusst war, ergibt sich aus den schon erwähnten Ausführungen im Bericht und Antrag der vorberatenden Kommission zur Änderung des Wahlgesetzes bezüglich Gestaltung der Wahlzettel (siehe oben), wo verlangt wurde, dass sich das Informationsblatt bezüglich Farbe, Format, Grafik deutlich vom Wahlzettel abheben müsse. Auch der Regierungsrat hat in seinem oben erwähnten Bericht und Antrag auf S. 9 auf die Gefahr hingewiesen, dass die Stimmberechtigten das Beiblatt statt des Wahlzettels verwenden könnten.

c) In der «Wahlanleitung Majorz» und in der beigelegten Broschüre wird in aller Klarheit und Deutlichkeit umschrieben, was der Stimmberechtigte vorzukehren habe, um gültig zu wählen. Wer diese Wahlanleitung aufmerksam durchgelesen hat, der konnte ohne weiteres den Wahlzettel abtrennen und diesen handschriftlich und damit gültig ausfüllen. Es ist Aufgabe jedes Stimmberechtigten, seiner Funktion als rechtsstaatliches Organ mit der gebührenden Sorgfalt nachzukommen. Offensichtlich haben es aber ca. 10 % der Stimmberechtigten nicht geschafft, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Es muss in diesem Zusammenhang – neben der gesetzlichen, optischen und grafischen Problematik der Wahlzettelbogen – aber noch auf ein weiteres wichtiges Faktum hingewiesen werden: Am gleichen Tag fanden im Kanton Zug neben den Regierungsratswahlen auch die Wahlen in die Gemeinderäte und in den Kantonsrat sowie die Wahlen in den Grossen Gemeinderat der Stadt Zug statt. Während die Gemeinderatswahlen ebenfalls im Majorzverfahren durchgeführt wurden, erfolgten die Kantonsratswahlen nach dem Proporzverfahren. Im Proporzverfahren enthält der Wahlzettelbogen neben der amtlichen Wegleitung für die Stimmabgabe für jede Liste einen separaten Wahlzettel sowie einen leeren Wahlzettel. Für die Kantonsratswahlen und die Wahlen in den Grossen Gemeinderat der Stadt Zug stand also dem Stimmberechtigten ein korrekter Wahlzettelbogen zur Verfügung, der dem Wahlzettelbogen für die Wahl des Regierungsrates vom Aufbau und der grafischen Gestaltung her weitgehend ähnlich sah. Nur die Farbe war anders. Dass viele Stimmberechtigte unter diesen Umständen durch den nicht in allen Punkten gesetzeskonformen und klaren Wahlzettelbogen für die Wahl des Regierungsrates irritiert und irregeleitet wurden, ist durchaus nachvollziehbar. Weiter darf auch nicht vergessen werden, dass es die Stimmbürger im Kanton Zug erstmal seit 1894 mit einer Majorzwahl für den Regierungsrat zu tun hatten. Man könnte nun einerseits argumentieren, diese Tatsache hätte die Stimmberechtigten gerade zu Vorsicht mahnen und veranlassen müssen, die Wahlanleitung besonders sorgfältig zu lesen. Das ist aber offenbar nicht bei allen geschehen, denn immerhin fast 10 % der Wählerinnen und Wähler sahen sich wohl durch den vertrauenswürdig und optisch sehr gut gestalteten Wahlzettelbogen in der ihnen bis anhin vertrauten Vorgehensweise bestärkt, wonach sie auch bei den Regierungsratswahlen ihre Stimme in der gewohnten Art und Weise würden abgeben können, nämlich durch Abgabe einer handschriftlich veränderten oder unveränderten vorgedruckten Liste.

d) Es ist müssig, darüber zu spekulieren, aus welchen Gründen die einzelnen Stimmberechtigten statt des handschriftlich auszufüllenden Wahlzettels einen der Wahlvorschläge in die Urne gelegt haben. Auffallend ist aber, dass in den Gemeinden, in denen neben den Regierungsrats- auch Gemeinderatswahlen stattgefunden haben, der Anteil der ungültigen Stimmen deutlich geringer ausgefallen ist. In den beiden Gemeinden (Unterägeri und Hünenberg), in denen keine Gemeinderatswahlen stattgefunden haben (hier fanden sog. stille Wahlen statt), lag der Anteil an ungültigen Stimmen mit 21.8 bzw. 11 % mit Abstand am höchsten. Nimmt man die Resultate der Gemeinderatswahlen der übrigen Gemeinden (gemäss den im Internet publizierten offiziellen Wahlprotokollen), so ergibt sich, dass hier durchschnittlich der Anteil der ungültigen Stimmen bezogen auf die eingegangenen Wahlzettel mit 3 % deutlich geringer ausgefallen ist als bei den Regierungsratswahlen, wo er bei 8 % lag (immer unter Ausklammerung der Ergebnisse in Hünenberg und Unterägeri). Auffallend ist hier auch, dass die Gemeinden, bei denen der Wahlzettelbogen für den Gemeinderat zwar weitgehend identisch mit dem Wahlzettelbogen für die Regierungsratswahlen daherkam, nur der Wahlzettel allein aber ohne weiteres abgetrennt werden konnte, eine sehr geringe Zahl von ungültigen Stimmen aufwiesen (so z. die Gemeinde Cham, wo bei den Gemeinderatswahlen nur 0.8 % der Stimmen ungültig waren).

e) Man muss sich weiter die Frage stellen, ob die fast 10 % der Stimmberechtigten, welche die vorgedruckten Wahlvorschläge ins Stimmkuvert gelegt haben, damit ihren Wählerwillen nicht klar und unverfälscht zum Ausdruck gebracht haben. Eine solche Äusserung des Wählerwillens, welche grundsätzlich unter dem verfassungsrechtlichen Schutz von Art. 34 Abs. 2 BV steht, darf man nicht leichthin für ungültig erklären, denn auch diese Wählerinnen und Wähler haben ihren Wählerwillen an sich klar kundgetan. Nun ist aber die Formvorschrift, dass die Wahlzettel im Majorzverfahren handschriftlich auszufüllen sind, nicht bloss ein überspitzter Formalismus. Mit der Pflicht zum handschriftlichen Ausfüllen der Wahlzettel wollte der Gesetzgeber den Charakter der Wahlen in die Exekutive als Persönlichkeitswahlen erkennbar machen. Und nicht zuletzt soll der sogenannte Stimmenfang verhindert werden, dass Wahlzettel planmässig eingesammelt, ausgefüllt oder geändert werden (ein Vorgehen, welches übrigens gemäss Art. 282bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 [StGB] mit Busse bestraft wird). Letzteres dürfte aber im vorliegenden Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht die Ursache für das «Einlegen» der vorgedruckten Wahlzettel gewesen sein. Ursache dürfte vielmehr die verfängliche Gestaltung des Wahlzettelbogens kombiniert mit der Unachtsamkeit der Stimmberechtigten und dem Faktum der gleichzeitig stattfindenden Proporzwahlen gewesen sein. Die Ungültigerklärung kann aber auch nicht mit Auswertungsproblemen begründet werden, denn es bereitet keine auszählungstechnischen Probleme, die als «Wahlzettel» eingereichten Wahlvorschläge auswertungsmässig zu erfassen, unabhängig davon, ob diese in unveränderter oder handschriftlich veränderter Form eingereicht wurden. In § 53 WAG finden sich die Regeln, welche bei der Bereinigung und Auswertung von Wahlzetteln zu beachten sind. Diese Regeln gelten auch für vorgedruckte Wahlzettel. Damit kann auch unter diesem Aspekt ohne weiteres dem Verfassungsgrundsatz der sorgfältigen und ordnungsgemässen Ermittlung des Wählerwillens nachgelebt werden.

f) Das Gericht ist sich durchaus der grossen Bemühungen der Staatskanzlei bewusst, welche diese im Vorfeld der Wahlen unternommen hat, damit die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme gültig abgeben würden. Unglücklicherweise wurde aber genau der Wahlzettelbogen, der eigentlich selbsterklärend sein muss, in einer Art und Weise gestaltet, die Verwechslungen möglich machte. Es stellt sich daher die Frage, ob es dem Regierungsrat möglich gewesen wäre, mit gestalterischen Mitteln oder mit Hilfe bestimmter Texte sicherzustellen, dass möglichst viele Wählerinnen und Wähler den Wahlzettel für die Wahl verwenden würden und nicht irrtümlicherweise das Informationsblatt bzw. die beiden Informationsblätter (...).

g) Ohne belehrend zu wirken, will das Gericht auf Folgendes hinweisen:

Wenn man die Ungültigkeit eines Wahlzettels für den Fall verfügt, dass dieser Wahlzettel nicht von Hand ausgefüllt wird und wenn man das statt dessen unverändert oder handschriftlich veränderte «Beiblatt Wahlvorschläge» als Wahlzettel ebenfalls für ungültig erklärt, so muss man bei der Erstellung der Wahlunterlagen sehr präzis dafür sorgen, dass der Wahlzettel einerseits und das Informations-Beiblatt mit den Wahlvorschlägen andererseits deutlich als solche gekennzeichnet werden und sich deutlich voneinander unterscheiden. Unbedingt wäre z.B. eine andere Farbe, ein anderes Format, ein anderes Design, eine andere Schriftart oder die Aufschrift «Muster», «kein Wahlzettel», «Specimen» zu verwenden. Und fettgedruckt sollte in grösseren Buchstaben auf dem Beiblatt stehen, dass dieses nicht als Wahlzettel verwendet werden darf.

7. Die Beschwerdeführer 1–5 beantragen, es sei die Ungültigkeit der vorgedruckten Wahlvorschläge aufzuheben, und auch diese Wahlzettel seien für gültig zu erklären. Sie seien deshalb zum Gesamtresultat der Regierungsratswahlen hinzuzuzählen. Für den Fall, dass das Gericht zum Schluss kommen sollte, dass aufgrund der unzulänglichen Abstimmungsunterlagen die Wähler getäuscht, wesentliche Verfahrensbestimmungen nicht eingehalten und der Volkswille nicht richtig eruiert worden sei, sei eine Neuwahl unvermeidlich.

a) Das Verwaltungsgericht hat im Verfahren betreffend die Wahl des Regierungsrates gewisse Mängel festgestellt. Das bedeutet aber nicht, dass deswegen der Urnengang als solcher ganz aufgehoben und wiederholt werden müsste. Vielmehr ist das Auszählen der für ungültig erklärten Wahlzettel zu verlangen, soweit es sich dabei um die anstelle des leeren Wahlzettels eingereichten «Wahlvorschläge» handelt (alle aus anderen Gründen für ungültig erklärten Wahlzettel dürfen bei dieser «Nachzählung» selbstredend nicht berücksichtigt werden). Zu beachten ist aber, dass die festgestellten Mängel bei der Gestaltung des Wahlzettelbogens nur dann relevant sind, wenn eine Auswirkung auf das Wahlergebnis im Bereich des Möglichen liegt.

b) Aus dem Protokoll der Wahlergebnisse für die Regierungsratswahl im Kanton Zug vom 5. Oktober 2014 ergibt sich, dass die Differenz zwischen dem an sechster Stelle platzierten Regierungsrat und dem an achter Stelle liegenden und nicht mehr gewählten Kandidaten 2'257 Stimmen beträgt. Die an siebenter Stelle liegende Regierungsrätin hat auf den achtplatzierten Kandidaten jedoch nur einen Vorsprung von 205 Stimmen, so dass es theoretisch denkbar ist, dass es mit den nachträglich zu berücksichtigenden Stimmen zu einer Änderung des Wahlresultates kommt. Unter diesen Umständen kann das für die direkte Demokratie unabdingbare Vertrauen in die Richtigkeit der Ergebnisermittlung der Wahl nur mit der nachträglichen Berücksichtigung der am 5. Oktober 2014 für ungültig erklärten Stimmen gewahrt werden. Der Anspruch auf das Nachzählen dieser Stimmen geht dem Interesse am Festhalten eines einmal veröffentlichten Wahlergebnisses vor. Aus diesem Grund kommt das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass die Beschwerde gutzuheissen und der Regierungsrat anzuweisen ist, die oben erwähnten, bislang für ungültig erklärten Stimmen zu berücksichtigen und – in Berücksichtigung dieser Stimmen – das neue Wahlergebnis zu eruieren (...).

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2014 V 2014/132+140

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