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Art. 4 und 5 Konkordat Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen, § 1 der kantonalen VO zum Konkordat

Art. 37 Abs. 2 und Art. 39 BV; § 5 Abs. 1 und § 73 KV; Art. 160 Abs. 1 und Art. 161 ZGB; § 33 und § 37 GG

Regeste:

Art. 37 Abs. 2 und Art. 39 BV; § 5 Abs. 1 und § 73 KV; Art. 160 Abs. 1 und Art. 161 ZGB; § 33 und § 37 GG – Statuten der  Korporation Oberägeri. – Die Regelung, die den Einkauf des Ehegatten einer Korporationsbürgerin, der keinen Familiennamen der Korporationsgeschlechter trägt, ausschliesst, stellt einen Verstoss gegen das  Gleichheitsgebot von Art. 8 BV dar. Die Korporation ist als öffentlich-rechtliche Körperschaft an die  Grundrechte gebunden.

Aus dem Sachverhalt:

V.X. ist der Ehemann von W.X., geb. Y., die das Korporationsbürgerrecht der Korporation Oberägeri besitzt. Er erwarb im Frühjahr 2011 das Bürgerrecht der Gemeinde Oberägeri und beantragte die Einbürgerung als Korporationsbürger von Oberägeri. Die Korporation wies das Gesuch mit der Begründung ab, dass der Gesuchsteller kein Korporationsgeschlecht im Namen trage, weshalb ein Einkauf in das Korporationsrecht nicht möglich sei. Der Regierungsrat des Kantons Zug hiess die von V.X. erhobene Verwaltungsbeschwerde mit Beschluss vom 5. März 2013 gut und erkannte, dass V.X. das Korporationsrecht rückwirkend auf den 30. Juni 2011 zustehe, sobald er die vom Korporationsrat festgelegte Einkaufsgebühr bezahlt habe. Die Korporation wurde angewiesen, ihre Statuten im Sinne der Erwägungen verfassungskonform und unter Berücksichtigung des neuen Namens- und Bürgerrechts zu revidieren und der Direktion des Innern zur Genehmigung einzureichen. Weiter wurde die Korporation angewiesen, ihre Praxis betreffend die Aufnahme neuer Gesuchsteller und Gesuchstellerinnen bereits vor dem Erlass revidierter Statuten derart anzupassen, dass im Innenverhältnis der Korporation die Korporationsbürgerinnen und -bürger gleich behandelt würden. Gegen diesen Entscheid liess die Korporation Oberägeri am 5. April 2013 Verwaltungsgerichtsbeschwerde einreichen.

Aus den Erwägungen:

(...)

3. a) Gemäss den Statuten der Korporation Oberägeri vom 15. April 1988 bzw. 26. April 1996 ist die Korporation eine Genossenschaft, welche durch die Teilhaber und Teilhaberinnen am Korporationsgut gebildet wird (§ 1, Rechtsform). Gemäss § 2, Genossenrecht, sind Korporationsgenossen Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Oberägeri, die infolge Geburt, Abstammung oder Adoption den Familiennamen eines der nachgeführten 15 Korporationsgeschlechter tragen: Besmer, Blattmann, Häusler, Heinrich, Henggeler, Hotz, Iten, Lander, Letter, Meier, Merz, Müller, Nussbaumer, Rogenmoser, Schönmann. Gemäss § 2, Namensänderung infolge Heirat oder Namenswahl, behalten Personen, die durch Geburt, Abstammung, Adoption oder das Zugrecht von Unterägeri Korporationsgenossen sind, das Genossenrecht, auch wenn sie durch Heirat oder Namenswahl (Art 30 und 160, Abs. 2, ZGB) nicht mehr einem Korporationsgeschlecht angehören. Gemäss § 3, Einkauf, gilt, dass wer nach der Heirat mit einem Korporationsbürger oder einer –bürgerin den Familiennamen eines Oberägerer Korporationsgeschlechtes in seinem Namen trägt und das Bürgerrecht von Oberägeri besitzt, das Genossenrecht durch Einkauf gegen eine Gebühr, die vom Korporationsrat festgelegt wird, erwerben kann. Personen, die den Namen eines Korporationsgeschlechtes mit der Heirat erlangen und sich in das Genossenrecht eingekauft haben, behalten das Genossenrecht, auch wenn sie durch Namenwahl bei der Scheidung (Art. 149, Abs. 2, ZGB) nicht mehr einem Korporationsgeschlecht angehören, bis zu einer Wiederverheiratung mit einer nicht der Korporation Oberägeri angehörenden Person. Gemäss § 3, Vererbung, ist eine Vererbung des Genossenrechtes durch Personen, die nicht durch Geburt, Abstammung, Adoption oder das Zugrecht von Unterägeri Korporationsbürger geworden sind, oder durch Personen, die durch einen Rechtsakt einen anderen Namen als den eines Korporationsgeschlechtes erlangt haben, ausgeschlossen. In § 5, Hinfall des Genossenrechtes, wird festgelegt, dass mit dem Verlust des Bürgerrechtes der Gemeinde Oberägeri, mit der Ausübung des Zugrechtes in die Korporation Unterägeri oder mit der Annahme eines Familiennamens, welcher nicht zu den 15 Korporationsgeschlechtern bzw. den zugsberechtigten Geschlechtern zählt, das Genossenrecht hinfällig wird, unter Vorbehalt §§ 2 und 3 dieser Statuten.

b) Der Gesuchsteller ist mit der Korporationsbürgerin W.X-Y. verheiratet, die nach der Heirat den Namen des Gesuchstellers annahm. Da der Name X. kein Korporationsgeschlecht ist, kann der Gesuchsteller trotz dem Bürgerrecht von Oberägeri und der Heirat mit einer Korporationsbürgerin nach dem Wortlaut der Statuten (§ 3, Einkauf) der Korporation Oberägeri nicht Korporationsbürger werden. Im Streit liegt die Frage, ob die Statutenbestimmungen der Korporation in Berücksichtigung von Art. 37 BV (Bürgerrechte) mit dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 8 BV und § 5 der Verfassung des Kantons Zug vom 31. Januar 1894 (KV; BGS 111.1) vereinbar sind. Demzufolge ist vorweg die sich aus der Anwendung der Statutenbestimmungen ergebende Rechtslage in ihren wesentlichen Zügen darzustellen.

c) (...)

d) Mit dem Inkrafttreten der neuen Art. 160 Abs. 1 und Art. 161 ZGB auf den 1. Januar 2013 wirkt sich die Eheschliessung nicht mehr auf den Namen und das Bürgerrecht der Eheschliessenden aus. Jeder Ehegatte behält seinen Namen und sein Bürgerrecht (Art. 160 Abs. 1 und Art. 161 ZGB). Die Brautleute können anlässlich der Eheschliessung erklären, dass sie den Ledignamen der Braut oder des Bräutigams als gemeinsamen Familiennamen tragen wollen (Art. 160 Abs. 2 ZGB). Artikel 30 Abs. 1 ZGB sieht vor, dass die Regierung des Wohnsitzkantons einer Person die Änderung des Namens bewilligen kann, wenn achtenswerte Gründe vorliegen. Behalten die Brautleute ihren Namen, so bestimmen sie, welchen ihrer Ledignamen ihre Kinder tragen sollen (Art. 160 Abs. 3 ZGB). Tragen die Eltern einen gemeinsamen Familiennamen, so erhält das Kind diesen Namen (Art. 270 Abs. 3 ZGB). Nach Art. 270a Abs. 1 ZGB erhält das Kind, wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet sind, den Ledignamen der Mutter. Gemäss Art. 271 Abs. 1 ZGB erhält das Kind das Kantons- und Gemeindebürgerrecht des Elternteils, dessen Namen es trägt.

Demzufolge stellt sich die Streitfrage nach neuem Recht nun vor allem solcherart, ob einem Teil der Korporationsbürgerinnen und -bürger zugemutet werden darf, ihren Familiennamen nach den Vorgaben der Statuten wählen zu müssen, damit die allenfalls erwünschte Weitergabe des Korporationsbürgerrechts an den Ehegatten des Korporationsbürgers sowie an die gemeinsamen Kinder ermöglicht wird. Ein unverheirateter Korporationsbürger kann das Genossenrecht nicht weitergeben.

4. (...)

b) An das Bürgerrecht des Kantons und der Gemeinde werden selten spezifische Rechtsfolgen geknüpft und Art. 37 Abs. 2 und Art. 39 BV setzen solchen Regelungen enge Schranken (vgl. Urlich Häfelin/Walter Haller/Helen Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2012, N 1312). Gemäss Art. 37 Abs. 2 BV darf niemand wegen seiner Bürgerrechte bevorzugt oder benachteiligt werden. Dies heisst, dass die Kantone und Gemeinden in ihrem Gebiet niedergelassene Bürger aus andern Kantonen und Gemeinden nicht aufgrund ihres Bürgerrechts anders behandeln dürfen als die eigenen; eine Ungleichbehandlung gestützt auf den Wohnsitz oder andere mit Art. 8 BV vereinbare Kriterien ist hingegen zulässig (vgl. Botschaft zur BV, BBl 1997 I 222 f.; Häfelin/Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 6. Aufl. 2005, S. 229 f. Rz. 797 ff.). Gemäss dem Verfassungstext ausgenommen sind zudem Vorschriften über die politischen Rechte in den Bürgergemeinden und Korporationen sowie über die Beteiligung an deren Vermögen, es sei denn, die kantonale Gesetzgebung sehe etwas anderes vor. Auf Antrag der Kantone wurde diese bereits in der Bundesverfassung von 1874 bestehende Ausnahmeregelung anlässlich der Revision der Bundesverfassung beibehalten, um die Vorrechte der genannten Körperschaften zu wahren. Sie dürfen damit ihre eigenen Mitglieder in den genannten Bereichen gegenüber Dritten bevorzugen (Botschaft, a.a.O.). Innerhalb der Korporation gilt demgegenüber das Gleichbehandlungsgebot im Rahmen von Art. 8 BV (vgl. BGE 132 I 68 S. 71 f., 79).

c) Zunächst ergibt sich aus den dargelegten Konsequenzen der Rechtsanwendung im Einzelfall offensichtlich, dass die in den Korporationsstatuten statuierten Regelungen über den Erwerb des Genossenrechts zu Ungleichbehandlungen innerhalb der Korporation bzw. im Verhältnis der Korporationsbürgerinnen und -bürger untereinander führen. Diesbezüglich führen sie nicht nur zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Geschlechtern, sondern auch zu einer Ungleichbehandlung je unter den weiblichen Mitgliedern und einer solchen unter den männlichen Mitgliedern, wobei insbesondere auch die jeweiligen Nachkommen im Verhältnis untereinander davon betroffen sind. Die vom Gesuchsteller gerügte Ungleichheit ist entgegen der von der Korporation auch vor Gericht wieder vertretenen, rein formalistischen Betrachtungsweise im Kern offensichtlich gerade keine solche in dem von Art. 37 Abs. 2 BV vorbehaltenen Verhältnis zwischen Korporationsbürgern und -bürgerinnen einerseits und Nichtkorporationsbürgern und -bürgerinnen anderseits. Von einer «Vermengung» von Innen- und Aussenverhältnis durch Gesuchsteller und Vornistanz kann dabei keine Rede sein. Vielmehr handelt es sich um eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der den Korporationsbürgern und -bürgerinnen im Verhältnis untereinander und damit intern zuerkannten oder ihnen eben nicht zugestandenen Weitergabe ihres Korporationsbürgerrechts. Um ihre Rechtsstellung geht es bei der Beurteilung der hier umstrittenen Fragestellung, während Aussenstehende, die weder Bürger der Gemeinde Oberägeri sind noch einen der 15 Korporationsgeschlechternamen tragen und keinen familiären Bezug zu einem Korporationsbürger oder einer Korporationsbürgerin aufweisen, gestützt auf § 2 der Statuten offensichtlich keinen Anspruch auf das Korporationsbürgerrecht erheben können und dies hier gar nicht im Streite liegt. Die in Frage stehende Ungleichbehandlung wird daher durch Art. 37 Abs. 2 BV nicht abgedeckt und diese Verfassungsbestimmung ist insoweit nicht einschlägig (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A_208/2012 vom 27. September 2012, E. 3.4.1.; BGE 132 I 68 E. 3, S. 71 ff.). Der Beschwerdeführerin kann demnach insoweit nicht gefolgt werden, als sie die Ansicht vertritt, ihre verfassungsmässig garantierte Autonomie (Art. 37 Abs. 2 zweiter Satz BV; § 73 KV) verbiete eine Überprüfung ihrer Zugehörigkeitskriterien anhand des Gleichheitsgebotes von Art. 8 BV, worauf deshalb im Folgenden einzugehen ist. Die entsprechenden Ausführungen der Korporation und ihre darauf gestützten Schlussfolgerungen können darum nicht gehört werden.

5. a) Die Korporationsgemeinden des Kantons Zug stellen öffentlich-rechtliche Körperschaften (§ 73 KV) und eine Art verselbständigtes Gemeindevermögen dar. Die Verwaltung eines Vermögens kann, wenn dieses öffentlichen Interessen zu dienen hat, zu den öffentlichen Aufgaben gerechnet werden. Auch vom Zweck her lässt sich die Zuordnung zum öffentlichen Recht ohne weiteres rechtfertigen. Somit leiten die Korporationsgemeinden, die gemäss Kantonsverfassung eine der vier Gemeindearten darstellen (§ 73 KV) und im Gemeindegesetz vom 4. September 1980 (BGS 171.1) näher ausgestaltet sind, ihren Bestand aus dem öffentlichen Recht ab und sind sie durch das kantonale Recht öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Als öffentlich-rechtliche Körperschaften haben sie an der staatlichen Hoheitssphäre teil und sind sie an die Grundrechte der Verfassung gebunden (vgl. zur Korporationsgemeinde Zug BGE 117 Ia 107 S. 112 f.). (...)

b) Gemäss Art. 8 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101, BV) und § 5 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Zug vom 31. Januar 1894 (BGS 111.1, KV) sind alle Menschen bzw. alle Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetze gleich. Gemäss diesem selbständigen verfassungsmässigen Recht ist in allgemeiner Weise Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Jede Ungleichbehandlung ist durch sachliche Gründe zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, soweit die massgebenden tatsächlichen Verhältnisse, die einer Regelung oder einem Entscheid zugrunde liegen, auch aus verfassungsrechtlicher Sicht verschieden sind. Die hierfür notwendige Wertung richtet sich nach der herrschenden Rechtsauffassung bzw. der herrschenden Wertanschauung. Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Auf diese Weise soll Angehörigen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen ein spezifischer Schutz gewährt werden (vgl. BGE 126 II 377 E. 6a S. 392 mit Hinweisen). Wie allgemein anerkannt ist, kann mitunter die Diskriminierung Folge einer gesetzlichen Regelung sein, die keine offensichtliche Benachteiligung von besonders geschützten Gruppen enthält, hingegen in der praktischen Anwendung zu einer unzulässigen Schlechterstellung führt. So kann gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beispielsweise eine besoldungsmässige Diskriminierung vorliegen, weil eine formal geschlechtsneutrale Regelung überwiegend Angehörige des einen Geschlechts trifft und Lohnunterschiede entstehen, die nicht sachbezogen in der Arbeit begründet sind. Es kann also die geschlechtsspezifische Identifizierung einer beruflichen Tätigkeit zur Tatbestandsvoraussetzung einer Geschlechtsdiskriminierung werden. Sie grenzt den Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV vom allgemeinen Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV ab (BGE 132 I 68, 74, mit Hinweisen).

c) Die Statuten der Korporation Oberägeri wirken sich, obgleich formal geschlechtsneutral ausgestaltet, durch ihre Anknüpfung an die bundesrechtlich geregelten Voraussetzungen zur Erlangung des Familiennamens und des Bürgerrechts – wie oben in einzelnen Ausprägungen dargelegt – in verschiedener Hinsicht diskriminierend aus. Dies ist zunächst überwiegend zu Lasten der weiblichen Korporationsbürgerinnen der Fall, da sie in der Regel, d.h. wenn sie verheiratet sind und nicht nach altem Recht gestützt auf die Anerkennung «achtenswerter Gründe» im Sinne von aArt. 30 Abs. 2 ZGB ihren Namen behalten bzw. diesen nun gestützt auf Art. 160 Abs. 2 ZGB zum Familiennamen gemacht haben, die Mitgliedschaft in der Korporation nicht an ihren Gatten (vermittels Einkaufs) und ebensowenig mittels Geburt an ihre Nachkommen weitergeben können. Wie oben festgestellt, ergibt sich weitergehend aber auch eine Ungleichbehandlung unter den nicht verheirateten weiblichen und männlichen Mitgliedern der Korporation und sogar je unter den weiblichen und den männlichen Korporationsgenossen. Und nicht zuletzt werden ganz offensichtlich die ehelichen gegenüber den nichtehelichen Nachkommen der Korporationsbürgerinnen sowie die nichtehelichen Nachkommen von Genossinnen und Genossen untereinander diskriminiert.

d) Wie das Bundesgericht im bereits erwähnten Zuger Entscheid BGE 117 Ia 107 S. 114 f. ebenfalls festgestellt hat, ist es unter dem Gesichtswinkel der Rechtsgleichheit grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass eine zugerische Korporation die Aufnahme in das Genossenrecht auf die Nachkommen und die Ehegatten von Korporationsmitgliedern beschränken will. Vom Zweck der Korporation her, nämlich das Stammgut zu verwalten und aus dessen Ertrag das Nutzentreffnis an die Berechtigten auszurichten, stellt die Mitgliedschaft weitgehend ein Vermögensrecht dar. Für die Nachfolge in ein vermögensrechtliches Verhältnis kann ohne weiteres auf die verwandtschaftliche Beziehung bzw. die Ehe abgestellt werden, dies in Analogie zum schweizerischen Erbrecht.

Was die Tauglichkeit der Namensführung als sachgemässes Kriterium für die Korporationszugehörigkeit betrifft, so hat bzw. hatte in der Vergangenheit zwar die Ungleichbehandlung der Ehegatten bezüglich der Namensführung im Zusammenhang mit der Heirat ihre Rechtfertigung im öffentlichen Interesse an einem (teilweise) einheitlichen Namen in der Familie und dessen Ordnungsfunktion. Es ist aber schon lange und nicht erst seit der Anpassung des schweizerischen Namensrechtes fragwürdig, welche Bedeutung dieses Interesse im Zusammenhang mit der Korporationszugehörigkeit haben soll. Wurde auch noch beim Erlass des neuen Eherechts von 1998 nämlich auf eine formal geschlechtsneutrale und damit formal rechtsgleiche Regelung der Namensführung zugunsten der Namenskontinuität verzichtet, so hat das Bundesgericht schon im Entscheid von 1991 die Frage aufgeworfen, welche Bedeutung dieses Interesse im Zusammenhang mit der Korporationszugehörigkeit haben sollte (BGE 117 Ia 107 S. 115). Mit den höchstrichterlichen Ausführungen in jenem Urteil und in BGE 132 I 68 ist heute festzustellen, dass trotz grossem Verständnis und auch Achtung für die Geschichte und die traditionsbewusste Haltung der Beschwerdeführerin keine öffentlichen Interessen ersichtlich sind, die nach den heutigen grundrechtlichen Massstäben einen derart schweren Eingriff in die Persönlichkeit der davon vor allem betroffenen weiblichen Mitglieder der Korporation rechtfertigen könnten. Ein nicht weniger schwerer Eingriff ergibt sich aber auch, wenn es darum geht, von den Ehegatten der Korporationsbürgerinnen, so im Falle des Gesuchstellers, eine Namensänderung zu verlangen, damit er und – ganz besonders – die gemeinsamen Kinder das Korporationsbürgerrecht erwerben bzw. weitertragen können.

Entscheidend ist, dass von der umstrittenen Regelung her zwar ein inhaltlicher Konnex zwischen der vom Zivilstand des Korporationsbürgers bzw. der Korporationsbürgerin abhängenden Regelung von Namens- und Bürgerrecht und der (teilweisen) Ungleichbehandlung gegeben ist, das Bundesrecht die Voraussetzungen der Mitgliedschaft in der Korporation aber nicht umschreibt. Damit besteht mit den Worten des Bundesgerichts für die Beschwerdeführerin keine – von den Gerichten zu respektierende – Notwendigkeit, auf die früheren und die heutigen, sich teilweise noch immer geschlechtsdiskriminierend auswirkenden Regelungen des bundesrechtlichen Namensrechts zurückzugreifen. Wie erwähnt ist damit der Anrufung von Art. 190 BV der Boden entzogen (BGE 132 I 68 S. 80).

e) Während das Bundesgericht im Fall der Zuger Korporation im Jahr 1991 noch erwog, dass auch gegen die Verknüpfung mit dem Bürgerrecht der Ortsgemeinde aufgrund der engen Verbindung unter den beiden Gemeinden nichts einzuwenden sei, obgleich das Bürgerrecht für die Weitergabe von Vermögensrechten in aller Regel ohne Bedeutung sei (BGE 117 Ia 107 S. 114 f.), so hielt es im Entscheid betreffend die Genossame Lachen im Jahr 2006 fest, dass es im früheren Entscheid das diskriminierende Element, dass verheiratete Frauen das Bürgerrecht nicht an ihre Nachkommen weitergeben können, nicht erörtert habe. Tatsächlich führe aber auch die bundesrechtlich nicht zwingende Verknüpfung der Abstammung mit dem Bürgerrecht im Falle der Korporationsbürgerinnen zu deren Diskriminierung und sei damit verfassungsrechtlich nicht haltbar (BGE 132 I 68, S. 81).

6. Ist somit nach heutiger Wertanschauung zu beurteilen, ob der Zivilstand und die Namenswahl von Vater oder Mutter bzw. die in einer Ehe oder nicht in einer Ehe erfolgende Geburt der Nachkommen sowie das Bürgerrecht der Ortsgemeinde taugliche Kriterien für eine Ungleichbehandlung darstellen, so müssen diese Fragen verneint werden. Zu der klarerweise diskriminierenden Verknüpfung mit dem Namens- und Bürgerrecht ist wie schon angesprochen zu erwägen, dass das Korporationsbürgerrecht qualitativ von demjenigen in der Bürgergemeinde zu unterscheiden ist (Frigo, S. 33) und insbesondere nicht Vorstufe zum Gemeindebürgerrecht in der Bürgergemeinde ist, und dass nicht einmal in jeder zugerischen Korporationsgemeinde jeder Korporationsbürger das Bürgerrecht der Gemeinde besitzen muss, in deren Territorium sie sich befindet (z.B. kann in der Korporation Blickensdorf jeder Schweizerbürger auch ohne Baarer Bürgerrecht Korporationsbürger werden, vgl. Frigo, S. 31). Jedenfalls muss die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Abstammung letztlich das einzig massgebliche Kriterium darstellen kann, wobei dieses durch die moderne Führung des Zivilstandsregisters leicht, insbesondere unabhängig vom Bürgerrecht und vom Familiennamen festgestellt werden kann. Tatsächlich entfällt das Korporationsbürgerrecht schon bisher nicht beim Verlust des Namens durch Heirat (§ 2 Abs. 2 der Korporationsstatuten). Abgesehen davon, dass gar keine Verpflichtung zur Einräumung einer Einkaufsmöglichkeit in die Korporation anzunehmen ist, können sich die Korporationen nach Überzeugung des Gerichts zum Beispiel immerhin vorbehalten, dass der Einkauf in das Korporationsbürgerrecht – der Gesuchsteller würde diese Voraussetzung erfüllen – zumindest beim Stellen des Gesuchs oder überhaupt für die ganze Dauer der Mitgliedschaft den Wohnsitz in der Ortsgemeinde voraussetzt, während die Vererbung des Korporationsbürgerrechts bzw. der Erwerb durch Abstammung im Unterschied dazu unabhängig davon zu erfolgen hat. Damit würde wohl schon eine wirkungsvolle Einschränkung der von der Beschwerdeführerin befürchteten zu grossen Ausweitung des Kreises der Korporationsbürger erreicht. Wie das Bundesgericht weiter erwogen hat, wäre auch ein Abweisungsgrund rechtens, wonach niemand in mehreren Korporationen (wohl des gleichen Kantons) Mitglied sein dürfte. Mittels der Verwendung sachgerechter Kriterien kann also auch weiterhin gewährleistet werden, dass die Beschwerdeführerin als gesunde, eigenständige gemeindliche Institution ihre wirtschaftlich und gesellschaftlich wertvollen Zwecke verfolgen kann. Zumindest ist ihr Weiterbestand, wie das Bundesgericht erklärte, durch eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Statuten nicht in Frage gestellt (BGE 132 I 68, S. 80).

Das Verwaltungsgericht hat Verständnis für das Bestreben der Beschwerdeführerin wie überhaupt aller zugerischen Korporationen, möglichst viel von ihrer historischen Substanz und Tradition zu erhalten, ohne dass daraus aber Diskriminierungen entstehen bzw. bestehen bleiben dürfen. Dass damit eine gewisse, mehr oder weniger starke Öffnung der Korporationen einhergeht, muss angesichts der Errungenschaft des heutigen Rechtsstaates und der betroffenen Rechtsgüter hingenommen werden.

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. März 2014, V 2013/53

Siehe auch das Präjudiz zum formell-rechtlichen Gehalt dieses Falles unter Verfahrensrecht.

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