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Gerichtspraxis

Verwaltungspraxis

Grundsätzliche Stellungnahmen

Aus der Praxis der Datenschutzstelle

Vorbemerkungen

Geburtenmeldungen der Gemeinde an die Pro Juventute

Aktenführung, Aufzeichnungspflicht und Archivierung oder Vernichtung

Umfrage bei Schülerinnen und Schülern einer Oberstufenklasse

Regeste:

§ 4 und § 5 DSG i.V.m. § 13 und § 63 Schulgesetz – Das  Bearbeiten von Personendaten bei  Umfragen an einer gemeindlichen Schule lässt sich insofern auf eine gesetzliche Grundlage abstützen, als es im Rahmen von § 13 und § 63 Schulgesetz und unter Beachtung der Vorgaben des Qualitätsentwicklungskonzepts bzw. der Vorgaben zur internen Schulevaluation erfolgt. Verhältnismässigkeits- und Zweckbindungsgebot sind zu berücksichtigen. Die Umsetzung eines Qualitätsentwicklungskonzepts, die Durchführung von internen Evaluationen der Schule und die Festlegung von Qualitätsmassnahmen ist Aufgabe der Rektorin bzw. des Rektors. Die Schulleiterin bzw. der Schulleiter ist für die Beurteilung und Weiterentwicklung der Unterrichts- und Schulqualität in ihrer bzw. seiner Schuleinheit verantwortlich. Führen einzelne Lehrpersonen «Feedbacks» durch, müssen sich diese auf den eigenen Unterricht beschränken, wobei Erhebung, Auswertung und Bekanntgabe der Ergebnisse vollständig anonym erfolgen sollten. Soweit sich Evaluationen, Umfragen oder Feedbacks nicht auf § 13 und § 63 Schulgesetz stützen können, sind sie nur zulässig, wenn sie nach hinreichender Information und mit der ausdrücklichen  Einwilligung aller Betroffenen (Schülerinnen, Schüler, Erziehungsberechtigte, Lehrpersonen etc.) erfolgen.

Aus dem Sachverhalt:

Eine Klassenlehrperson führte knapp zwei Monate nach Beginn des neuen Schuljahres bei den neu in die Sekundarstufe I eingetretenen Schülerinnen und Schüler eine Umfrage durch. Dazu stellte sie einen Fragebogen zur Verfügung. Im ersten Teil konnten sich die Schülerinnen und Schüler allgemein darüber äussern, was ihnen im neuen Schulumfeld gefällt bzw. was ihnen weniger oder nicht gefällt. In einem zweiten Teil konnten sie sich über das Verhältnis zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern äussern. Im dritten Teil konnten die Schülerinnen und Schüler die verschiedenen Fachlehrpersonen beurteilen und im letzten Teil schliesslich die Klassenlehrperson. Der Fragebogen war offenbar so ausgestaltet, dass die Schülerinnen und Schüler (auch) beliebig ausführliche Antworten zu den einzelnen Fragen schreiben konnten. Die Klassenlehrperson fasste die Ergebnisse der Umfrage in einer Tabelle zusammen, wobei sie auch einzelne Originalzitate der Schülerinnen und Schüler aufnahm. Die Originalzitate enthielten einerseits Vornamen von Schülerinnen und Schülern und andererseits Namen von Fachlehrpersonen bzw. deren Fach (z.B. «unser Französischlehrer») sowie den Namen der Klassenlehrperson selbst. Anschliessend versandte die Klassenlehrperson die Ergebnis-Tabelle per E-Mail an sämtliche Lehrpersonen der Oberstufe, auch an solche, die nicht an der Klasse unterrichteten. Die E-Mail führte im Gremium der Lehrpersonen zu Unstimmigkeiten und zur Diskussion, ob derartige Umfragen überhaupt sinnvoll seien. Zudem kam die Frage nach dem Datenschutz bzw. dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen auf. Die Schulleitung wandte sich in der Folge an die Datenschutzstelle mit der Frage, ob und inwiefern das Vorgehen der betroffenen Klassenlehrperson aus datenschutzrechtlicher Sicht zu beanstanden sei. Weiter stellte sie die Frage, ob und allenfalls wie solche Umfragen datenschutzkonform durchgeführt werden könnten.

Aus den Erwägungen:

1. Grundsätze der Datenbearbeitung

Organe dürfen gemäss § 5 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes (DSG; BGS 157.1) Personendaten bearbeiten, sofern
a) es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt;
b) es für eine in einer gesetzlichen Grundlage umschriebenen Aufgabe unentbehrlich ist; oder
c) die betroffene Person eingewilligt hat.

Jede Bearbeitung von Personendaten muss ausserdem verhältnismässig sein, das Zweckbindungsgebot beachten und den Grundsatz von Treu und Glauben – und somit der Transparenz – berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 Bst. c und d DSG). Gemeindliche Schulen sind Organe im Sinne von § 2 Abs. 1 Bst. i DSG. Personendaten sind alle Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen (§ 2 Abs. 1 Bst. a DSG). Werden Personendaten vollständig anonymisiert, handelt es sich nicht mehr um Personendaten, und das DSG gelangt nicht zur Anwendung. Als vollständig anonymisiert gelten Personendaten allerdings erst dann, wenn keinerlei Rückschlüsse mehr auf die betroffene(n) Person(en) möglich sind.

Bearbeiten ist jeder Umgang mit Personendaten wie etwa erheben, beschaffen, aufzeichnen, sammeln, aufbewahren, verwenden, umarbeiten, bekanntgeben, austauschen, zusammenführen, archivieren oder vernichten. Bekanntgegeben werden Daten dadurch, dass sie zugänglich gemacht werden, etwa durch Einsicht gewähren, weitergeben oder veröffentlichen (§ 2 Abs. 1 Bst. c und d DSG).

2. Gesetzliche Grundlagen im Schulrecht

§ 13 Abs. 1 bis 4 des Schulgesetzes (BGS 412.11) regelt den Gegenstand der Qualitätsentwicklung an den gemeindlichen Schulen. Demnach ist Qualitätsentwicklung ein systematischer, kontinuierlicher und geleiteter Prozess, der die Qualität der Schule fördert. Die Schulkommission beschliesst hierfür ein Qualitätsentwicklungskonzept nach den Rahmenbedingungen des Bildungsrates. Die Schulen führen in eigener Verantwortung regelmässig interne Evaluationen durch, bei denen ihre Qualität anhand von Standards überprüft und beurteilt wird. Periodisch sollen zur Qualitätsprüfung auch externe Evaluationen durchgeführt werden.

§ 63 des Schulgesetzes regelt die Zuständigkeiten: Für die Umsetzung des Qualitätsentwicklungskonzeptes ist der Rektor zuständig (§ 63 Abs. 4 Bst. a Schulgesetz). Der Schulleiter ist in seinem Zuständigkeitsbereich für die Beurteilung und Weiterentwicklung der Unterrichts- und Schulqualität verantwortlich (§ 63 Abs. 5 Schulgesetz).

Die Verordnung zum Schulgesetz (BGS 412.111) enthält lediglich eine ausführende Bestimmung zur externen Evaluation (§ 8ter Verordnung zum Schulgesetz). Zu den internen Evaluationen enthält die Verordnung keine Ausführungsbestimmung.

Die gesetzlichen Grundlagen im Schulgesetz enthalten somit im Zusammenhang mit der Qualitätsentwicklung keine explizite und damit «unmittelbare» Verpflichtung oder Ermächtigung, bestimmte Personendaten zu bearbeiten (§ 5 Abs. 1 Bst. a DSG). Es stellt sich deshalb die Frage, ob das Schulgesetz der Schule bzw. allenfalls einzelnen Lehrpersonen mit der Umsetzung des Qualitätsentwicklungskonzepts bzw. der Durchführung von internen Evaluationen Aufgaben zuweist, welche die Schulen bzw. einzelne Lehrpersonen nur mit der Bearbeitung von Personendaten erfüllen können (§ 5 Abs. 1 Bst. b DSG).

Am 19. Juni 2008 beschloss der Bildungsrat das verbindliche Rahmenkonzept «Gute Schulen – Qualitätsmanagement an den gemeindlichen Schulen». Das Rahmenkonzept ist in der zweiten Auflage (Bildungsratsbeschluss vom 9. November 2011) als Broschüre auf der Website des Amtes für gemeindliche Schulen abrufbar. Gestützt darauf setzte die Direktion für Bildung und Kultur mit Verfügung vom 3. November 2010 die Broschüre «Interne Schulevaluation — Instrumente und Verfahren für die gemeindlichen Schulen des Kantons Zug» in Kraft (ebenfalls abrufbar auf der Website des Amtes für gemeindliche Schulen). Letztere Broschüre hält u.a. fest, dass

  • die Durchführungsverantwortung für die interne Evaluation bei der Schulhausleiterin, dem Schulhausleiter liegt;
  • klare Zielsetzungen verfolgt werden sollen;
  • relevante Fragestellungen und Kriterien festgelegt werden sollen;
  • wirksame Methoden und Instrumente gewählt werden sollen.

Die Broschüre gibt sodann für eine interne Schulevaluation neun Schritte vor. Schritte vier und sieben befassen sich ausdrücklich mit der Personendatenbearbeitung. Neben dem allgemeinen Hinweis, dass bei allen Erhebungsverfahren ein besonderes Augenmerk dem Datenschutz gelten muss, werden zusätzlich spezifische «Spielregeln» zum Umgang mit Personendaten erwähnt (z.B. «Es werden nur Fragen gestellt, die keine Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen» oder «Gib ohne Zustimmung der Beteiligten keine Daten an Dritte weiter» etc.). Die Datenschutzstelle erachtet die verschiedenen Hinweise und Ausführungen grundsätzlich als korrekt. Sie hielt deshalb in ihrer Stellungnahme fest, dass sich allfällige Personendatenbearbeitungen bei Evaluationen nur insofern auf eine «mittelbare» gesetzliche Grundlage im Sinn von § 5 Abs. 1 Bst. b DSG abstützen lassen, als sie die durch die Broschüre «Interne Schulevaluation» festgelegten Bedingungen und Voraussetzungen erfüllen.

3. Ergänzende Hinweise

Schul- und Unterrichtsevaluationen können die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen (Schülerinnen, Schüler, Erziehungsberechtigte, Lehrpersonen etc.) tatsächlich wesentlich tangieren. Deshalb müssen insbesondere die folgenden Punkte vorgängig geregelt werden:

  • Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für Evaluationsprojekte;
  • Bereich, Ziel und Zweck jeder Evaluation;
  • Beteiligte sowie angemessene Methoden, Instrumente, Ablaufpläne, Spielregeln;
  • Zuständigkeiten für Auswertungen;
  • Form und Adressaten einer allfälligen Bekanntmachung von Auswertungen;
  • weitere Verwendung bzw. Aufbewahrung, Archivierung und Vernichtung der erhobenen bzw. verarbeiteten Personendaten nach der Durchführung und Auswertung einer Evaluation.

Die vorgängige Festlegung dieser Punkte dient u.a. dazu, die Zweckgebundenheit und die Verhältnismässigkeit von allfälligen Personendatenbearbeitungen zu beurteilen (§ 4 Abs. 1 Bst. c und d DSG): Es sollen nur diejenigen Personendaten erhoben und verarbeitet werden, die tatsächlich zur Erreichung des Evaluationszwecks notwendig sind und nur so viele, wie es zur Erreichung dieses Zwecks tatsächlich bedarf. Die Daten sollen ausserdem nur so lange aufbewahrt werden, wie es zur Erreichung des Zwecks notwendig ist. Letztlich müssen sich die Verantwortlichen auch die Frage stellen, ob sie überhaupt auf Personendaten angewiesen sind, oder ob insbesondere Umfragen bei Schülerinnen und Schülern bzw. bei Erziehungsberechtigten nicht auch vollständig anonym durchgeführt werden können. Spätestens vor einer Bekanntgabe von Ergebnissen bzw. Auswertungen sind Personendaten jedenfalls vollständig zu anonymisieren.

4. Feedbacks

Die Datenschutzstelle anerkennt, dass «Schüler-Feedbacks», die von einzelnen Lehrpersonen durchgeführt werden, durchaus ein Instrument der internen Schulevaluation sein können. Solche Feedbacks sollten indessen primär dazu dienen, der durchführenden Lehrperson Input für ihren eigenen Unterricht zu geben. Entsprechend sind auch die Fragen an die Schülerinnen und Schüler zu formulieren (nur zum eigenen Unterricht; nur zum Verhältnis zur betroffenen Lehrperson, nicht auch zu anderen Lehrpersonen). Die Datenschutzstelle ist der Ansicht, dass gerade bei Schüler-Feedbacks aber auch bei Eltern-Feedbacks sowohl Erhebung wie auch Auswertung und allenfalls Mitteilung von Resultaten an Dritte vollständig anonym ausgestaltet werden können und sollen, da Personendaten hierzu nicht unentbehrlich sind (§ 5 Abs. 1 Bst. b DSG). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine schriftliche Erhebung von Informationen bei Schülerinnen und Schülern nicht anonym ist, wenn die Lehrperson anhand des Schriftbilds auf eine bestimmte Schülerin oder einen bestimmten Schüler schliessen kann. Feedback-Fragebogen sollen deshalb möglichst so ausgestaltet sein, dass die Schülerinnen und Schüler beispielsweise Antworten aus einer Auswahl ankreuzen oder Aussagen auf einer Notenskala bewerten können. Namen von einzelnen Schülerinnen, Schülern oder Lehrpersonen dürfen in Auswertungen keinesfalls erwähnt werden. Der Vollständigkeit halber sei auch auf Folgendes noch hingewiesen: Personendaten dürfen per E-Mail nur via interne Netze versendet werden; bei einem E-Mail-Versand über das Internet müssen sie verschlüsselt werden.

Abschliessend kann festgehalten werden, dass Schüler-Feedbacks grundsätzlich derselben sorgfältigen Planung und datenschutzkonformen Durchführung bedürfen, wie die übrigen Methoden und Instrumente der internen Evaluation. Sollten die für das Qualitätsmanagement verantwortlichen Personen unterrichtsübergreifende bzw. mehrere Lehrpersonen betreffende Schüler-Feedbacks als angemessene Evaluationsinstrumente erachten, sind diese ebenso sorgfältig zu planen und durchzuführen. Die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen sind jederzeit zu wahren.

5. Einwilligung

Soweit sich Evaluationen, Umfragen oder Feedbacks ausserhalb des Rahmens von § 13 und § 63 des Schulgesetzes bewegen sollten, sind sie nur zulässig, wenn sie nach hinreichender Information und mit der ausdrücklichen (schriftlichen) Einwilligung aller Betroffenen (Schülerinnen und Schüler bzw. Erziehungsberechtigte, Lehrpersonen etc.) erfolgen. Selbst wenn die Einwilligungen vorliegen, sind die oben erwähnten Grundsätze zu beachten und insbesondere Dritten Resultate von Auswertungen nur in vollständig anonymisierter Form bekannt zu geben.

An der betroffenen Schule wurden in der Folge Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Datenschutzmassnahmen für Schüler-Feedbacks geregelt.

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