Navigieren auf Kanton Zug

Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Zivilrecht

Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Strafrecht

Rechtspflege

Zivilprozessordnung

Anwaltsrecht

Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA, Art. 9 BGFA

Regeste:

Ein Anwalt, der während zehn Monaten unrechtmässig Arbeitslosenentschädigung in der Höhe von CHF 14'733.85 bezogen hat und dafür mit einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu CHF 160.00 unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren sowie mit einer Busse von CHF 1'600.00 bestraft wurde, erfüllt die persönlichen Voraussetzungen gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA nicht mehr und sein Eintrag im Anwaltsregister ist zu löschen.

Aus den Erwägungen:

1. Anwältinnen und Anwälte, die über ein kantonales Anwaltspatent verfügen und Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten wollen, lassen sich ins Register des Kantons eintragen, in dem sie ihre Geschäftsadresse haben. Die Aufsichtsbehörde trägt sie ein, wenn sie festgestellt hat, dass die fachlichen (Art. 7 BGFA) und persönlichen (Art. 8 BGFA) Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Art. 6 Abs. 1 und 2 BGFA).

Nach Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA darf bei den Anwältinnen und Anwälten für den Eintrag im kan-tonalen Anwaltsregister keine strafrechtliche Verurteilung vorliegen wegen Handlungen, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind, es sei denn, diese Verurteilung erscheine nicht mehr im Strafregisterauszug für Privatpersonen. Anwältinnen und Anwälte, die eine der Voraussetzungen für den Registereintrag nicht mehr erfüllen, werden nach Art. 9 BGFA im Register gelöscht.

2. Die Bestimmung von Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA beruht auf der Überlegung, dass das Vertrauensverhältnis, das zwischen Anwalt und Klient bestehen muss, gestört sein kann, wenn der Anwalt nicht vollumfänglich für Seriosität und Ehrenhaftigkeit bürgt. Es können nur solche Verurteilungen Auswirkungen auf die Ausübung des Anwaltsberufes haben, die mit dem Anwaltsberuf nicht vereinbar sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Täter im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Anwalt oder in einem privaten Umfeld gehandelt hat. Bei der Prüfung der Frage der Vereinbarkeit der strafrechtlichen Verurteilung mit dem Anwaltsberuf verfügt die Aufsichtsbehörde über einen grossen Beurteilungsspielraum; sie hat indessen stets den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten. Für die Verweigerung des Eintrages bzw. für dessen Löschung muss somit stets eine gewisse Tatschwere vorliegen und diese muss mit der Löschung in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Ist jedoch die persönliche Voraussetzung des Fehlens einer Verurteilung wegen einer mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbarenden Handlung nicht mehr gegeben, ist der Anwalt gemäss Art. 9 BGFA im Register zu löschen, ohne dass der zuständigen Behörde in dieser Hinsicht – anders als bei der Frage der Vereinbarkeit – noch ein Ermessensspielraum verbliebe (vgl. BGE 137 II 425, E. 6.1 und 7.1, sowie Urteil des Bundesgerichts 2C_183/2010 vom 21. Juli 2010, E. 2.3 und E. 2.6, je mit weiteren Hinweisen; Staehelin/Oetiker, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. A. 2011, Art. 8 BGFA N 17 f.; Fellmann, Anwaltsrecht, 2. A. 2017, Rz 131 ff.).

Zu den Handlungen, die nicht mit dem Anwaltsberuf zu vereinbaren sind, zählen namentlich strafbare Handlungen gegen Leib und Leben (Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung sowie gewisse Handlungen gegen die sexuelle Integrität), Delikte gegen das Vermögen (Betrug, Veruntreuung, Diebstahl, Raub, Erpressung, ungetreue Geschäftsbesorgung, Steuerdelikte), Delikte gegen die Willensfreiheit (Drohung, Nötigung), Urkunden-fälschung und Geldwäscherei (insbesondere Art. 305bis StGB); solche sind grundsätzlich geeignet, die berufliche Zutrauenswürdigkeit Anwalts in Frage zu stellen (vgl. Staehelin/Oetiker, a.a.O., Art. 8 BGFA N 20, und Urteil des Bundesgerichts 2C_183/2010 vom 21. Juli 2010, E. 2.4, je mit weiteren Hinweisen). Mit dem Anwaltsberuf oft noch zu vereinbaren sind Delikte, bei denen ganz allgemein die kriminelle Energie gering ist (z.B. eine mässige Geschwindigkeitsüberschreitung nach SVG).

3. RA X. hat, wie bereits erwähnt, in den Monaten Dezember 2012 bis September 2013 jeweils Arbeitslosenentschädigung bezogen, obwohl er in diesem Zeitraum als […] tätig war und dafür entlöhnt wurde. Er wurde daher wegen eines Verstosses gegen Art. 105 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) rechtskräftig verurteilt. Nach dieser Bestimmung wird, wer durch unwahre oder unvollständige Angaben oder in anderer Weise für sich oder einen andern zu Unrecht Versicherungsleistungen erwirkt, mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft, sofern nicht ein mit einer höheren Strafe bedrohtes Verbrechen oder Vergehen des Strafgesetzbuches vorliegt. Bei diesem Tatbestand handelt es sich somit um ein Vergehen. In der Kurzbegründung zum Strafbefehl wurden keine Ausführungen zum Verschulden gemacht. Aufgrund der Strafhöhe (Geldstrafe von 40 Ta-gessätzen sowie Busse von CHF 1'600.00) darf zwar angenommen werden, dass die Staatsanwaltschaft das Verschulden RA X. als noch leicht wertete. Das bedeutet aber nicht, dass sein Verhalten keine erhebliche Tatschwere im Sinne von Art. 8 BGFA aufweist. RA X. hat während 10 Monaten auf dem jeweiligen Formular der Arbeitslosenversicherung seine […] Tätigkeit bei der […] nicht angegeben und damit die ungerechtfertigte Auszahlung von Arbeitslosengeldern in der Höhe von CHF 14'733.85 erwirkt. Sein Hinweis, dass er bis zur ersten Lohnabrechnung im Juni 2013 noch nicht gewusst habe, wie hoch sein Verdienst bei der […] ausfallen würde, überzeugt nicht, ist doch im Formular primär anzugeben, ob die versicherte Person im jeweiligen Monat gearbeitet hat, sei dies im Angestelltenverhältnis oder selbständig erwerbend (Beilage 3 zur Anzeige der Arbeitslosenkasse an die Staatsanwaltschaft vom 18. Juli 2017). Zusätzliches Gewicht erhält die Unterlassung und damit die Verfehlung RA X., als dieser nach Erhalt der ersten Lohnabrechnung der […] im Juni 2013 weiterhin diesen – mittlerweile bezifferten – Erwerb beim Ausfüllen des Formulars verschwieg.

Der Rechtsanwalt wird von seinen Klienten mandatiert, um ihre Interessen auf gesetzeskon-formem Weg durchzusetzen. Mit seinem juristischen Wissen und der Erfahrung soll er den Rechtsuchenden helfen. Diese Tätigkeit erfordert ein hohes Mass an Vertrauenswürdigkeit. Diese Vertrauenswürdigkeit ist bei RA X. in Frage gestellt. Er hat gegenüber einer Sozialversicherungseinrichtung mit unwahren Angaben Versicherungsleistungen erschlichen. Dieses Verhalten lässt an seiner Seriosität und Ehrenhaftigkeit zweifeln; unerheblich ist, dass es sich um ein ausserberufliches Verhalten handelt. Es kann auch nicht gesagt werden, RA X. habe nur geringe kriminelle Energie an den Tag gelegt; vielmehr hat er während mehrerer Monate wiederholt falsche Angaben gemacht und sich damit einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Vorteil verschafft. Die Handlungen RA X. und die darin zum Ausdruck kommende Unehrlichkeit sind daher mit der Ausübung des Anwaltsberufs nicht zu vereinbaren.

Schliesslich erweist sich eine Löschung aus dem Anwaltsregister auch nicht als unverhältnismässig. Diese hat zwar zur Folge, dass RA X. bis zum Ablauf der Probezeit von zwei Jahren und somit bis Dezember 2019 sich nicht mehr ins Anwaltsregister eintragen lassen kann. Eine solche Strenge ist aber vom Gesetz gewollt, wenn wegen eines Verhaltens, das mit der Ausübung des Anwaltsberufs nicht vereinbar ist, eine bedingte Strafe unter Ansetzung einer Probezeit ausgesprochen wird. Jedenfalls kann nicht gesagt werden, die (verbleibende) Dauer der Probezeit stehe zur Schwere der Tat in einem Missverhältnis und die Löschung stelle eine übermässige Härte für den betroffenen Anwalt dar. RA X. ist gemäss den Angaben auf seiner Webseite […] schwergewichtig rechtsberatend im […] tätig und kann diese Tätigkeit auch nach der Löschung seines Eintrags weiterhin ausüben.

4. Zusammenfassend ergibt sich, dass RA X. die persönlichen Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung des Eintrags im Anwaltsregister des Kantons Zug nicht mehr erfüllt. Sein Eintrag ist daher gestützt auf Art. 8 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 9 BGFA mit sofortiger Wirkung zu löschen.

Aufsichtskommission über die Rechtanwälte, 5. Juni 2018 (AK 2018 1)

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch