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Art. 127 Abs. 2 BV, § 72 Abs. 2 StG
§ 193 Abs. 1 StG
Art. 5 Abs. 3 BV i.V.m. Art. 9 BV, § 190 Abs. 1 lit. a StG

§ 33 StG, Art. 35 DBG

Regeste:

§ 33 Abs. 1 Ziff. 2 StG und Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG – Wer Unterhaltszahlungen leistet und diese von den steuerbaren Einkünften abzieht, kann keinen Kinderabzug geltend machen (Erw. 2b/dd).
§ 33 Abs. 3 StG und Art. 35 Abs. 2 DBG – Sozialabzüge, wozu Kinderabzüge zählen, werden nach den Verhältnissen am Ende der Steuerperiode am 31. Dezember festgesetzt (Stichtagsprinzip). Fallen die Voraussetzungen kurz davor weg, wird der  Abzug für die ganze Periode verweigert (Erw. 2c).
Fliesst P rivatvermögen in einer Steuerperiode zu Unrecht ab und erfolgt der korrigierende Zufluss in einer späteren Periode, ist bei der Steuerveranlagung von einer streng periodenbezogenen Betrachtungsweise abzusehen (Erw. 5c und d).
§ 30 lit. c StG und Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG – Leistungen in Erfüllung familienrechtlicher Pflichten innerhalb der bestehenden Familiengemeinschaft gemäss Art. 173 ZGB sind nicht als Unterhaltsbeiträge von den Steuern abziehbar (Erw. 6c/aa).

Aus dem Sachverhalt:

In der Steuererklärung 2015 machte der steuerpflichtige Vater zweier minderjähriger Kinder nebst einem Abzug von Unterhaltsbeiträgen verschiedene Sozialabzüge geltend, so einen Kinderabzug (Kanton und Bund) sowie einen Kindereigenbetreuungsabzug (Kanton) und einen persönlichen Abzug (Kanton). Anlässlich der definitiven Veranlagung 2015 vom 14. Juni 2017 wurden ihm die Sozialabzüge verweigert. Auf Einsprache hin erhöhte die Steuerverwaltung den Abzug der Unterhaltsbeiträge am 1. Dezember 2017 von Fr. 4'900.– auf Fr. 15'033.–. Die Sozialabzüge wurden weiterhin nicht gewährt. Dagegen reichte der Steuerpflichtige am 27. Dezember 2017 Rekurs bzw. Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein und beantragte die Aufhebung des Einspracheentscheids und die Gewährung der Kinderabzüge (Kanton/Bund), des Kindereigenbetreuungsabzugs (Kanton) sowie des persönlichen Abzugs (Kanton). Zur Begründung führte er aus, seit der Geburt seiner beiden Kinder sei er für alle angefallenen Kinderkosten aufgekommen, auch während der Zeit, als er mit der Kindesmutter in gerichtlichen Streitigkeiten verwickelt gewesen sei.

Aus den Erwägungen:

(...)

2. a) Gemäss § 24 StG werden zur Ermittlung des steuerpflichtigen Reineinkommens von den gesamten steuerbaren Einkünften die zu ihrer Erzielung notwendigen Aufwendungen und allgemeinen Abzüge abgezogen. Zu den allgemeinen Abzügen, die das Steuergesetz unabhängig von der Einkommenshöhe gewährt, gehören gemäss § 30 lit. c StG die Unterhaltsbeiträge an den geschiedenen, gerichtlich oder tatsächlich getrennt lebenden Eheteil sowie die Unterhaltsbeiträge an einen Elternteil für die unter dessen elterlicher Sorge oder Obhut stehenden Kinder, nicht jedoch Leistungen in Erfüllung anderer familienrechtlicher Unterhalts- oder Unterstützungspflichten. Artikel 33 Abs. 1 lit. c DBG enthält eine wörtlich nahezu identische Regelung.

Der Empfänger der Unterhaltsbeiträge hat diese als Einkommen zu versteuern (§ 22 lit. f StG; Art. 23 lit. f DBG), wobei nach dem sogenannten Korrespondenzprinzip der beim Leistenden zum Abzug zugelassene Betrag mit demjenigen übereinstimmen muss, der beim Leistungsempfänger als Einkommen erfasst wird (RICHNER E.A. DBG, a.a.O., Art. 33 N 53; vgl. ferner LOCHER PETER, Kommentar zum DBG, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 1. Teil, Art. 1–48 DBG, Therwil/Basel 2001, Art. 33 N 39 sowie Art. 23 N 51 m.w.H.).

b/aa) Gemäss § 33 Abs. 1 Ziff. 2 StG kann vom Reineinkommen ein als Sozialabzug konzipierter Kinderabzug abgezogen werden, und zwar für minderjährige unter elterlicher Sorge oder Obhut der steuerpflichtigen Person stehende Kinder oder für volljährige und in der beruflichen Ausbildung stehende Kinder, für deren Unterhalt die steuerpflichtige Person zur Hauptsache aufkommt. Damit ein Kinderabzug geltend gemacht werden kann, muss zwischen der steuerpflichtigen Person und der Person, für deren Unterhalt sie sorgt, ein Kindsverhältnis und damit eine zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung bestehen. Im Falle minderjähriger Kinder gilt ferner, dass die anspruchsberechtigte Person die Kosten des Kinderunterhalts tatsächlich trägt (RICHNER E.A. DBG, a.a.O., Art. 35 N 25). Eine Teilung des Kinderabzugs ist – anders als bei der direkten Bundessteuer – im Kanton Zug nicht vorgesehen (ebenso im Kanton Zürich, siehe RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3. A., Zürich 2013, § 34 N 28). Der Kinderabzug beträgt vor Teuerungsausgleich für jedes minderjährige Kind unter 15 Jahren grundsätzlich Fr. 11'000.– (§ 33 Abs. 1 Ziff. 2 StG). Infolge des Ausgleichs der kalten Progression gemäss § 45 StG betrug dieser Abzug in der hier interessierenden Steuerperiode pro Kind unter 15 Jahren Fr. 12'000.–.

b/bb) Zwei weitere kantonale Sozialabzüge sind der sogenannte persönliche Abzug sowie der Kindereigenbetreuungsabzug. Gemäss dem in § 33 Abs. 1 Ziff. 1 lit. a StG statuierten persönlichen Abzug können Steuerpflichtige, die in ungetrennter Ehe leben, sowie getrennt lebende, geschiedene, verwitwete oder ledige Steuerpflichtige, die mit Kindern zusammenleben, für die ein Kinderabzug gemäss § 33 Abs. 1 Ziff. 2 StG gewährt wird, einen Abzug vor Teuerungsausgleich von Fr. 13'000.– geltend machen. In der hier interessierenden Steuerperiode betrug dieser Abzug infolge der Teuerungsanpassung (§ 45 StG) Fr. 14'200.–. Schliesslich ermöglicht der Kindereigenbetreuungsabzug nach § 33 Abs. 2 StG für jedes am Ende der Steuerperiode weniger als 15 Jahre alte Kind, für das ein Abzug gemäss § 33 Abs. 1 Ziff. 2 StG geltend gemacht werden kann, einen Abzug vor Teuerungsausgleich von Fr. 6'000.– für die eigene Betreuung. In der hier interessierenden Steuerperiode betrug der Kindereigenbetreuungsabzug auch unter Berücksichtigung der Teuerungsanpassung Fr. 6'000.–.

b/cc) Im Recht der direkten Bundessteuer kann gemäss Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG einen Kinderabzug von Fr. 6'500.– pro Kind geltend machen, wer für den Unterhalt eines minderjährigen oder in der beruflichen oder schulischen Ausbildung stehenden Kindes sorgt. Werden die Eltern getrennt besteuert, so wird der Kinderabzug nach derselben Bestimmung hälftig aufgeteilt, wenn das Kind unter gemeinsamer elterlicher Sorge steht und keine Unterhaltsbeiträge nach Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG für das Kind geltend gemacht werden. Der Steuerpflichtige muss für das Kind tatsächlich sorgen. Dies kann an sich sowohl durch eine finanzielle Leistung wie durch persönliche Leistung erfolgen. Bei Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG steht indessen die finanzielle Leistung im Vordergrund. Wird der Kinderabzug hälftig aufgeteilt, ist der Umfang der tatsächlichen Unterstützung aber von untergeordneter Bedeutung. Wesentlich ist, dass eine Unterstützung überhaupt erfolgt. Angesichts der vom Gesetzgeber pauschalierten Aufteilung hat keine Gewichtung zwischen den Leistungen beider Elternteile zu erfolgen (BAUMGARTNER/EICHENBERGER, in: Zweifel/Beusch [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], 3. Aufl., Basel 2017, Art. 35 N 12 und 12a).

b/dd) Sowohl bei den Kantons- und Gemeindesteuern als auch bei der direkten Bundessteuer ist zu beachten, dass der Kinderabzug nicht gewährt wird, wenn die steuerpflichtige Person Unterhaltszahlungen leistet und diese gestützt auf § 30 lit. c StG bzw. Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG von seinen steuerbaren Einkünften abzieht. Diese Person trägt steuerlich betrachtet nämlich keine Kosten des Kindsunterhalts. Dabei wird aus Praktikabilitätsgründen vernachlässigt, dass derjenige, der Unterhaltsbeiträge leistet, darüber hinaus auch noch weitere kinderbedingte Aufwendungen hat (RICHNER E.A. DBG, a.a.O., Art. 35 N 27, mit Hinweisen zur Rechtsprechung des Bundesgerichts; BAUMGARTNER/EICHEN¬BERGER, in: Zweifel/Beusch, a.a.O., Art. 35 N 19a).

c) Nach § 33 Abs. 3 StG und Art. 35 Abs. 2 DBG werden die Sozialabzüge nach den Verhältnissen am Ende der Steuerperiode oder der Steuerpflicht festgesetzt. Unter «Ende der Steuerperiode» wird der 31. Dezember, 24.00 Uhr, verstanden. Fallen die Voraussetzungen für einen Sozialabzug erst kurz vor diesem Termin während der Steuerperiode dahin, ändert dies nichts an der Verweigerung des Abzugs. Umgekehrt wird der Abzug auch dann in vollem Umfang und unabhängig von den tatsächlichen Aufwendungen gewährt, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erst kurz vor dem 31. Dezember eintreten. Es gilt das Stichtagsprinzip (RICHNER E.A., DBG, a.a.O., Art. 35 N 81 f.). Das Stichtagsprinzip stellt das Beispiel einer gesetzlichen Vereinfachung im Rahmen der Steuerveranlagung dar. In der damit verbundenen groben Schematisierung wird ein zulässiges Vorgehen des Gesetzgebers gesehen (BAUMGARTNER/EICHENBERGER, in: Zweifel/Beusch, a.a.O., Art. 35 N 33a; BGer 2C_1145/2013 vom 20. September 2014, E. 5.2.2). Eine Ausnahme von diesem Prinzip gibt es allerdings mit Blick auf die Steuerpflicht. Besteht die Steuerpflicht nur während eines Teils der Steuerperiode, werden die Sozialabzüge gemäss § 33 Abs. 4 StG bzw. Art. 35 Abs. 3 DBG lediglich anteilsmässig gewährt.

3. Vorliegend ist umstritten und zu prüfen, ob die Rekursgegnerin dem Rekurrenten die oben dargelegten Sozialabzüge (Kinderabzug, persönlicher Abzug, Kindereigenbetreuungsabzug) zu Recht verweigert hat oder nicht. Nachfolgend sind somit zunächst die massgebenden Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers und seiner Familie am Ende der relevanten Steuerperiode 2015 (vgl. Erwägung 2c) zu ermitteln.

(…)

b) In Würdigung der Aussagen des Rekurrenten, der von der Rekursgegnerin beigebrachten Information der Einwohnergemeinde A und der angeführten Passagen aus den Urteilen des Kantons- und Obergerichts gilt es für das Gericht als erwiesen, dass der Rekurrent in der relevanten Steuerperiode 2015 bis Ende November 2015 zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern an der B Strasse in A gelebt hatte. Er ist am 1. Dezember 2015 aus der gemeinsamen Wohnung zusammen mit den beiden Kindern an die C Strasse in A gezogen und ist somit im Dezember 2015 alleine für den Unterhalt der Kinder aufgekommen.

c) Da der Rekurrent am 31. Dezember 2015 getrennt von seiner Ehefrau lebte, während des gesamten Jahres 2015 im Kanton Zug steuerpflichtig war, ferner den Unterhalt für seine beiden unter seiner Obhut stehenden unter 15 Jahre alten Kinder im Dezember 2015 alleine bestritt und in den Monaten davor zweifellos ebenfalls massgeblich zum Unterhalt beider Kinder beitrug, erfüllt er mit Blick auf die familiären Umstände am Stichtag die Voraussetzungen zur Geltendmachung des Kinderabzugs nach § 33 Abs. 1 Ziff. 2 StG. Was den Kinderabzug im Recht der direkten Bundessteuer betrifft, so ist festzustellen, dass der Rekurrent und seine Ehefrau in der Steuerperiode 2015 getrennt besteuert wurden (vgl. Rg.-act. 1 und 2). Die Kinder standen aber zu jenem Zeitpunkt nach wie vor unter gemeinsamer elterlicher Sorge, da die Gerichte im Eheschutzverfahren die elterliche Sorge bei beiden beliessen und nur die Obhutsfrage regelten (vgl. Rg.-act. 4a, 4b, 4c; VG-Beilage 1). Da der Rekurrent im Jahr 2015 auch tatsächlich für den Unterhalt seiner beiden Kinder gesorgt hat, erfüllt er mit Blick auf die familiären Verhältnisse grundsätzlich die Voraussetzungen zur Geltendmachung des halben Kinderabzugs nach Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG. Die beiden Feststellungen bezüglich der Kinderabzüge nach kantonalem Recht und nach dem Recht der direkten Bundessteuer stehen allerdings unter dem Vorbehalt der noch zu klärenden Frage, inwieweit dem Rekurrenten diese Abzüge gleichwohl verweigert werden können, da dieser im Jahr 2015 unbestrittenermassen Beträge an seine Ehefrau leistete, die als Unterhalt für sie und für seine beiden Kinder gedacht waren.

(…)

5. Alimente November/Dezember 2015

a) Unbestritten ist, dass dem Rekurrenten wegen einer Schuldneranweisung nach Art. 177 ZGB im November und Dezember 2015 je Fr. 2'450.– vom Lohn abgezogen wurden (vgl. die Lohnabrechnungen, Rg.-act. 1, Beilagen zur Steuererklärung). Der Abzug fusst auf dem Urteil des Obergerichts Z2 2014 38 vom 14. Januar 2015 (Rg.-act. 4b). Darin teilte das Obergericht die Obhut über die Kinder der Mutter zu, verpflichtete den Rekurrenten zum Auszug aus der ehelichen Wohnung und zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen an die Ehefrau ab Aufhebung des gemeinsamen Haushalts (Rg.-act. 4b, S 18, Ziff. 1.2, 1.3 und 1.5). Tatsächlich zogen die Kinder dann aber mit ihrem Vater mit um, anstatt – im Sinne des Obergerichts – bei ihrer Mutter wohnen zu bleiben (vgl. Erwägung 3b hiervor). Das führte dazu, dass der Rekurrent via Lohnpfändung gewissermassen automatisch Unterhaltsbeiträge für die Kinder an die Kindesmutter bezahlte, obgleich er die Obhut faktisch innehatte und nicht die Mutter. Mit anderen Worten bezahlte der Rekurrent für die Lebenshaltungskosten der Kinder eine Zeit lang doppelt: einmal faktisch, einmal unfreiwillig via Lohnpfändung. Mit Entscheid des Kantonsgerichts ES 2015 687 vom 26. Februar 2016 stellte der Eheschutzrichter die beiden Kinder unter die elterliche Obhut des Rekurrenten (VG-Beilage 4, S. 3, Ziff. 1.3) und vollzog somit rechtlich nach, was seit Dezember 2015 gelebt wurde. Ausserdem entzog er den Lohnabzügen die Rechtsgrundlage (VG-Beilage 4, S. 3, Ziff. 1.5) und berechtigte den Rekurrenten zur Verrechnung des entsprechenden Betrags mit offenen Forderungen der Kindesmutter gegen ihn (VG-Beilage 4, S. 3 f., Ziff. 1.5).

b) Die Einbusse des Rekurrenten durch die ungerechtfertigten Lohnabzüge im November und Dezember 2015 wurden durch die im folgenden Jahr erteilte «Berechtigung zur Verrechnung» eines Betrags in Höhe der Lohnabzüge mit offenen Forderungen der Kindesmutter gegen den Rekurrenten gewissermassen «neutralisiert». Ungeachtet dessen qualifizierte die Rekursgegnerin in einer rein periodenbezogenen Betrachtungsweise die ungerechtfertigten Lohnabzüge als abziehbare Unterhaltsbeiträge. Es fragt sich, ob zu Unrecht geleistete Unterhaltsbeiträge, die in der folgenden Steuerperiode zurückerstattet werden (Verrechnung), überhaupt als abziehbare Unterhaltsbeiträge angesehen werden dürfen.

c) In einem Fachbeitrag aus dem Jahr 2004 untersuchte der anerkannte Steuerrechtsexperte Markus Reich die steuerrechtlichen Auswirkungen ungerechtfertigt bezogener Leistungen, deren Rückerstattung erst in einer späteren Steuerperiode erfolgt (REICH MARKUS, Die ungerechtfertigte Bereicherung und andere rechtsgrundlose Vermögensübergänge im Einkommenssteuerrecht, FStR 2004, S. 3 ff.). Als Fazit hielt er Folgendes fest:

«Das Periodizitätsprinzip ist als technisches Prinzip dem Leistungsfähigkeitsprinzip untergeordnet. Einschränkungen des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind auf das durch die Abgrenzungsfunktion des Periodizitätsprinzips Erforderliche zu beschränken und müssen sich klar und deutlich aus den gesetzlichen Bestimmungen ergeben. (…) Eine streng periodenbezogene Betrachtungsweise würde im Privatvermögensbereich zu einer nicht leistungsfähigkeitskonformen, verfassungswidrigen Besteuerung führen, da die spätere Rückerstattung steuerrechtlich nicht abziehbar ist. Die Rückerstattung hat in keiner Art und Weise Gewinnungskostencharakter und kann auch nicht im Rahmen der allgemeinen Abzüge, die harmonisierungsrechtlich abschliessend aufgeführt sind, abgezogen werden. Auch gibt es steuerrechtlich kein negatives Einkommen. Aus diesen Gründen muss eine tatsächliche erfolgte Rückerstattung eines ungerechtfertigten Vermögenszugangs steuerlich im Privatvermögensbereich generell – unabhängig vom Wissensstand in der Zuflussperiode – berücksichtigt werden. Der spätere korrelierende Vermögensabgang neutralisiert den Zugang. Die strenge Periodenbetrachtung ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn der Steuergesetze geboten. Das «Behaltendürfen» bildet ein zentrales Tatbestandsmerkmal der Einkommensbildung. Spiegelbildlich präsentieren sich die Steuerfolgen auf Seiten desjenigen, der zunächst durch den Vermögenabgang beeinträchtigt wurde. Dass ein rechtsgrundloser Vermögensabgang beim Beeinträchtigten im Privatvermögensbereich nicht zu einer Steuerminderung führt, ist unbestritten. Ebenso klar ist, dass eine zwar unerwartete, aber tatsächlich erfolgte Rückerstattung eines ungerechtfertigten Vermögensabgangs nicht zu steuerbarem Einkommen führt. Auch hier wird der Rückabwicklung einer rechtsgrundlosen Übereignung von Vermögenswerten in einer periodenübergreifenden Betrachtungsweise der Einkommenscharakter aberkannt" (REICH, a.a.O., S. 18 f).

d) Die Ansicht von Markus Reich überzeugt. Im vorliegenden – den Privatvermögensbereich betreffenden – Fall ist mithin auf eine periodenübergreifende Betrachtungsweise abzustellen. Abzulehnen ist hingegen die von der Rekursgegnerin vorgenommene periodenbezogene Beurteilung; denn sie würde dazu führen, dass die Ehefrau des Rekurrenten im Jahr 2015 aufgrund des Korrespondenzprinzips (vgl. Erwägung 2a hiervor) die zu Unrecht erhaltenen Unterhaltsbeiträge als Einkommen zu versteuern hätte, während sie den via Verrechnung im Jahr 2016 erfolgten Vermögensabgang («Rückzahlung» der zu Unrecht erhaltenen Unterhaltsbeiträge) in der Steuerperiode 2016 nicht einkommensmindernd würde geltend machen können. Dies deshalb, da Rückerstattungen keinen Gewinnungskostencharakter haben und in den Steuergesetzen auch nicht im abschliessenden Katalog der allgemeinen Abzüge aufgeführt sind. Gleichzeitig könnte der Rekurrent die bezahlten Unterhaltsbeiträge in der Steuerperiode 2015 zwar vom steuerbaren Einkommen abziehen. Im Jahr 2016 würde ihm die Rückerstattung aber wieder als Einkommen angerechnet. Durch die periodenbezogene Beurteilung würde somit im Jahr 2016 das Korrespondenzprinzip verletzt und eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit namentlich bei der Ehefrau verhindert. Richtig kann somit nur sein, die im Jahr 2015 zu Unrecht erfolgten Vermögenszuflüsse und -abflüsse in einer periodenübergreifenden Betrachtungsweise neutralisierend zu berücksichtigen. Dies bedeutet bezogen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt, dass die vom Rekurrenten im Jahr 2015 via Lohnpfändung rechtsgrundlos geleisteten Unterhaltszahlungen von Fr. 4'900.– in der Steuerperiode 2015 nicht zu einer Steuerminderung führen dürfen. Sie sind daher nicht zum Abzug zugelassen. Nebenbei bemerkt führt dieses Resultat auch dazu, dass die im Jahr 2016 erfolgte Rückerstattung infolge Verrechnung das steuerbare Einkommen des Rekurrenten in der Steuerperiode 2016 konsequenterweise nicht erhöhen darf. Vorliegend ist die Steuerperiode 2016 jedoch nicht Gegenstand des Rechtsstreits, so dass sich Weiterungen dazu erübrigen.

6. Unterhaltsbeiträge 2014

a) Im Einspracheentscheid schreibt die Rekursgegnerin, dass sie nebst den Lohnabzügen im 2015 gestützt auf eine interne Meldung einen zusätzlichen Abzug für Unterhaltsbeiträge in der Höhe von insgesamt Fr. 10'133.– gewähre. Es handle sich hierbei um Unterhaltsbeiträge für das Jahr 2014, welche die Kindesmutter jedoch erst im Jahr 2015 erhalten habe (Rg.-act. 4, S. 3).

b) Was die interne Meldung genau beinhaltete und wie die Rekursgegnerin den Betrag von Fr. 10'133.– ermittelte, ist nicht ersichtlich. Die Meldung bezieht sich wohl auf das Urteil des Kantonsgerichts ES 2013 665 vom 17. Juli 2014. Darin wurde der Rekurrent gestützt auf Art. 173 ZGB verpflichtet, seiner Ehefrau mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2013 bis zu deren Auszug aus der ehelichen Wohnung in Cham an den Unterhalt der Familie einen monatlichen Betrag von CHF 735.– zu bezahlen (Rg.-act. 4a, S. 9, Ziff. 7.1 und S. 17, Ziff. 3.1). Artikel 173 ZGB ist eine eher selten gebrauchte Bestimmung zur Regelung von Verständigungskrisen der Ehegatten über ihre Geldleistungspflicht bei – wie es der Randtitel «während des Zusammenlebens» vermuten lässt – bestehender häuslicher Gemeinschaft (vgl. ISENRING/KESSLER, Kommentar zu Art. 173 ZGB, in: Honsell/Vogt/Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Auflage 2014, Art. 173 N 1).

(…)

c/bb) Der Rechtsgrund der vom Rekurrenten angeblich im Jahr 2015 für die Zeit im Jahr 2014 geleisteten Fr. 10'133.– liegt nicht in der am 17. Juli 2014 erstmals gerichtlich ausgesprochenen Trennung. Vielmehr handelt es sich hierbei um Leistungen innerhalb der bestehenden Familiengemeinschaft, die der Rekurrent bis zum Vollzug der tatsächlichen Trennung (Auszug der Ehefrau) an seine Ehefrau zu zahlen hatte. Die Eheleute wohnten indessen seit diesem Urteil bis Ende November 2015 nach wie vor zusammen. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen stellen die Fr. 10'133.– entgegen der Ansicht der Rekursgegnerin somit keine Unterhaltsbeiträge i.S.v. § 30 lit. c StG bzw. Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG dar. Sie sind daher nicht zum Steuerabzug zugelassen.

7. Krankenkassenprämien 2015 Kinder

a) In der Duplik schreibt die Rekursgegnerin, mit den Replikbeilagen 3–6 und den Rekursbeilagen sei ihres Erachtens der Nachweis erbracht, dass die Krankenkassenprämien der Kinder von je Fr. 1'029.55 in der hier massgeblichen Steuerperiode 2015 vom Rekurrenten bezahlt worden seien und es sich um abziehbare Unterhaltsbeiträge im Sinne von § 30 lit. c StG bzw. Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG handle. Von den geleisteten Beiträgen sei jedoch die Prämienverbilligung für die Kinder von je Fr. 468.– abzuziehen. Somit seien die Unterhaltsbeiträge um Fr. 1'123.10 zu erhöhen (VG-act. 9, S. 2, Ziff. 3a)

b) Der Rekurrent lebte in der relevanten Steuerperiode bis Ende November 2015 mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern zusammen. Leistungen in Erfüllung familienrechtlicher Pflichten innerhalb der bestehenden Familiengemeinschaft können nicht vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden (Erwägung 6c/aa). Dazu zählen zweifelsohne auch die bis zur Trennung Ende November/Anfang Dezember 2015 bezahlten Krankenkassenprämien der Kinder. Ab dem Zeitpunkt der Trennung lebte der Rekurrent zusammen mit seinen Kindern in einer eigenen Wohnung. Aus den Akten ergibt sich, dass die Prämien stets vom Privatkonto des Rekurrenten aus bezahlt worden sind. Die ab der Trennung bis zum Ende der Steuerperiode bezahlten Prämien stellen daher keine abziehbaren Unterhaltsbeiträge dar. Denn sie wurden nicht an den geschiedenen, gerichtlich oder tatsächlich getrennt lebenden Eheteil bzw. an einen Elternteil für die unter dessen elterlicher Sorge oder Obhut stehenden Kinder geleistet. Entgegen der Auffassung der Parteien liess die Rekursgegnerin mithin die im 2015 vom Rekurrenten bezahlten Krankenkassenprämien der Kinder zu Unrecht zum Abzug zu.

8. a) Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass die Rekursgegnerin unter dem Titel «Unterhaltszahlungen» im Jahr 2015 alle Positionen zu Unrecht zum Abzug zugelassen hat. Dem Rekurrenten sind im Vergleich zur Einschätzung im Einspracheverfahren somit Unterhaltsabzüge in der Höhe von Fr. 15'033.– aufzurechnen und der Antrag der Rekursgegnerin auf eine weitere Erhöhung um Fr. 1'123.– ist abzuweisen.

b) Hat der Rekurrent in der Steuerperiode 2015 keine Unterhaltsbeiträge im Sinne von § 30 lit. c StG und Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG geleistet, erfüllt er aber am Stichtag sonst alle weiteren Voraussetzungen zur Geltendmachung des Kinderabzugs nach § 33 Abs. 1 Ziff. 2 StG bzw. des halben Kinderabzugs nach Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG (Erwägung 3c), so sind ihm diese Abzüge für die Steuerperiode 2015 auch zu gewähren. Da der Rekurrent am Stichtag von seiner Ehefrau getrennt zusammen mit seinen Kindern lebte und den Kinderabzug nach kantonalem Recht beanspruchen kann, ist ihm zusätzlich der persönliche Abzug von § 33 Abs. 1 Ziff. 1 lit. a StG zu gewähren. Da die beiden Kinder am Stichtag weniger als 15 Jahre alt waren, steht ihm schliesslich auch der Kindereigenbetreuungsabzug von § 33 Abs. 2 StG für jedes Kind zu. Die Steuerveranlagung ist entsprechend zu korrigieren.

9. Bei getrennt lebenden steuerpflichtigen Personen, die allein mit eigenen Kindern im gleichen Haushalt zusammenleben und deren Unterhalt zur Hauptsache bestreiten, gelangen die Tarife nach § 35 Abs. 2 StG bzw. Art. 36 Abs. 2 i.V.m. Art. 36 Abs. 2bis DBG zur Anwendung und nicht die Grundtarife nach § 35 Abs. 1 StG bzw. Art. 36 Abs. 1 DBG. Massgebend für die Bestimmung der Tarife sind – wie bei den Sozialabzügen (vgl. Erwägung 2c) – die Verhältnisse am Ende der Steuerperiode, also der 31. Dezember 2015 (RICHNER E.A., DBG, a.a.O., Art. 36 N 16; BGer 2C_1145/2013 vom 20. September 2014 E. 2.3). Der Rekurrent lebte am Ende der Steuerperiode 2015 getrennt von seiner Ehefrau zusammen mit seinen beiden Kindern im gleichen Haushalt und bestritt deren Unterhalt. Bei der Berechnung der Einkommenssteuer sind bei ihm deshalb nicht die Grundtarife anzuwenden, sondern die so genannten «Tarife für Mehrpersonenhaushalte» (BAUMGARTNER/EICHENBERGER, in: Zweifel/Beusch, a.a.O., Art. 36 N 34a) nach § 35 Abs. 2 StG bzw. Art. 36 Abs. 2 DBG i.V.m. Art. 36 Abs. 2bis DBG. Auch in diesem Punkt ist die Steuerveranlagung zu korrigieren.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2018, A 2017 18
Das Urteil ist rechtskräftig.

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