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Massgeblichkeitsprinzip: Zulässige steuerrechtliche Korrekturen nach dem Bilanzstichtag

Regeste:

Art. 58 DBG, § 58 StG, Massgeblichkeitsprinzip – Gemäss Massgeblichkeitsprinzip bildet die Handelsbilanz Ausgangspunkt und Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung (E. 3.3).
Werterhellende Ereignisse  – Nach dem Bilanzstichtag gewonnene Erkenntnisse, die sich im vorgehenden Geschäftsjahr verwirklicht haben (werterhellende Ereignisse), können handels- und steuerrechtlich für die Jahresrechnung berücksichtigt werden, solange die Rechnung von den zuständigen Organen noch nicht verabschiedet wurde (E. 3.5.3).
Bilanzänderungen  – Bei Bilanzänderungen wird ein handelsrechtskonformer Wertansatz durch eine ebenfalls handelsrechtskonforme Bewertung ersetzt. Gewinnsteuerrechtlich sind Bilanzänderungen grundsätzlich nur bis zur Einreichung der Steuererklärung zulässig (E. 4.2).
Bilanzberichtigung – Wurden in einer bereits genehmigten Jahresrechnung handelsrechtswidrige Ansätze gewählt, ist gewinnsteuerrechtlich eine Korrektur bis zum Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung zulässig (E. 3.4).

Aus dem Sachverhalt:

Im Anschluss an eine mehrmals angeordnete Beweisauflage setzte die Steuerverwaltung des Kantons Zug mit Veranlagungen vom 14. August 2019 die Kantons- und Gemeindesteuern sowie die direkte Bundessteuer der Steuerperiode 2017 für die A. AG (im Folgenden: Rekurrentin) fest. Dabei veranlagte die Steuerverwaltung anstelle des von der steuerpflichtigen Gesellschaft im Jahresabschluss per 31. Dezember 2017 ausgewiesenen und in der Steuererklärung 2017 deklarierten Reingewinns von Fr. 5'357.– einen Reingewinn von Fr. 129'200.– infolge Aufrechnungen von nicht belegtem Verwaltungsaufwand von Fr. 123'848.–.

Nach erfolgloser Einsprache (Einspracheentscheid vom 14. Oktober 2019) erhob die Rekurrentin am 12. November 2019 Rekurs beim Verwaltungsgericht und beantragte, es sei die mit dem Einspracheentscheid erfolgte definitive Veranlagung der Bundessteuer sowie der Staats- und Gemeindesteuern 2017 aufzuheben resp. zu ergänzen, mit dem Hinweis «Kein Gewinn erzielt, Korrektur des Gewinns wegen Verlust». In ihrer Begründung beantragte die Rekurrentin schliesslich, es sei der steuerbare Gewinn von Fr. 97'800.– auf Fr. 22'200.– herabzusetzen.

Zur Begründung verwies sie auf einen realisierten Verlust aus zwei von insgesamt Fr. 155'000.–, wovon Fr. 35'000.– auf ein Geschäft mit der C. AG und Fr. 120'000.– auf ein solches mit dem D. entfallen würden. Hierfür seien in der Jahresrechnung 2017 Fr. 52'600.– als Delkredere zurückgestellt worden, wovon Fr. 35'000.– für den Verlust aus dem Geschäft mit der C. AG und Fr. 17'600.– als «Rückstellung im Fall D.».

Aus den Erwägungen:

(…)

3.
3.1 Vorliegend umstritten und zu prüfen ist, ob die von der Rekurrentin erstmals in diesem Verfahren behaupteten und nicht oder zumindest nicht vollumfänglich in der Jahresrechnung 2017 verbuchten Verluste von Fr. 155'000.– aus den Geschäften mit D. und der C. AG für die Veranlagung der Gewinnsteuern 2017 (Bund und Kanton Zug) zu berücksichtigen sind bzw. der steuerbare Gewinn, wie von der Rekurrentin beantragt, mit Fr. 22'200.– festzustellen ist.

3.2 Der steuerbare Reingewinn der juristischen Personen setzt sich gemäss Art. 58 Abs. 1 DBG bzw. § 59 Abs. 1 StG (vgl. auch Art. 24 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]) zusammen aus dem Saldo der Erfolgsrechnung unter Berücksichtigung des Saldovortrages des Vorjahres, allen vor Berechnung des Saldos der Erfolgsrechnung ausgeschiedenen Teilen des Geschäftsergebnisses, die nicht zur Deckung von geschäftsmässig begründetem Aufwand verwendet werden, wie insbesondere Kosten für die Anschaffung, Herstellung oder Wertvermehrung von Gegenständen des Anlagevermögens, geschäftsmässig nicht begründeten Abschreibungen und Rückstellungen, Einlagen in die Reserven, Einzahlungen auf das Eigenkapital aus Mitteln der juristischen Person, soweit sie nicht aus als Gewinn versteuerten Reserven erfolgen, offene und verdeckte Gewinnausschüttungen und geschäftsmässig nicht begründete Zuwendungen an Dritte sowie den der Erfolgsrechnung nicht gutgeschriebenen Erträgen mit Einschluss der Kapital-, Aufwertungs- und Liquidationsgewinne.

3.3 Der Saldo der Erfolgsrechnung bildet unter Berücksichtigung des Saldovortrags des Vorjahres den Ausgangspunkt für die Bestimmung des Reingewinns. Mit dem Verweis auf den Saldo der Erfolgsrechnung wird im DBG der Bezug zum Handelsrecht ausdrücklich festgehalten und damit implizit auch das Massgeblichkeitsprinzip. Das Massgeblichkeitsprinzip besagt, dass die Handelsbilanz (Bilanz- und Erfolgsrechnung) Ausgangspunkt und Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung bildet. Massgebend sind die nach den zwingenden Vorschriften des Handelsrechts ordnungsgemäss geführten Bücher. Der Grundsatz der materiellen Massgeblichkeit besagt, dass die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemässer Buchführung für die steuerrechtliche Gewinnermittlung massgebend sind, soweit das Steuerrecht keine eigenen Gewinnermittlungsvorschriften enthält, welche entsprechende Abweichungen erlauben oder verbieten. Der Verweis auf die handelsrechtliche Erfolgsrechnung in Art. 58 DBG erschöpft sich nicht in der Anweisung an die Steuerbehörde, die für die Ermittlung des steuerbaren Gewinns notwendigen Fakten aus veranlagungstechnischen Gründen der Handelsbilanz zu entnehmen. Es handelt sich vielmehr um eine gewollte Bindung der steuerrechtlichen Gewinnberechnung an die handelsrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze. Diese Bindung wird als Schutzwirkung des Massgeblichkeitsprinzips zugunsten und zulasten des Steuerpflichtigen ausgelegt. Die Schutzwirkung zugunsten des Steuerpflichtigen äussert sich darin, dass die Steuerbehörden verpflichtet sind, für die Bemessung des steuerbaren Gewinns auf das Ergebnis der handelsrechtlichen Erfolgsrechnung abzustellen. Soweit also nicht steuerrechtliche Korrekturvorschriften eingreifen, gelten die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften und -grundsätze. Die Schutzwirkung zulasten des Steuerpflichtigen äussert sich darin, dass der Steuerpflichtige den in der Handelsbilanz ausgewiesenen Gewinn gegen sich gelten lassen muss. Dem Massgeblichkeitsprinzip kommt daher auch Beweisfunktion zu, d.h. die Steuerbehörden sollen sich auf die Angaben des Steuerpflichtigen verlassen dürfen. Gestützt auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ist es dem steuerpflichtigen grundsätzlich untersagt, Aufwand wie auch Ertragspositionen geltend zu machen, die er nicht in der ordnungsmässigen Handelsbilanz verbucht hat. Dies betrifft insbesondere jene Bereiche, in welchen ihm nach Handelsrecht ein Ermessenspielraum zur Verfügung steht. Der Steuerpflichtige wird in diesen Fällen grundsätzlich bei seiner Ermessensausübung behaftet (vgl. hierzu Brülisauer/Mühlemann, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], 3. Aufl. 2017, Art. 58 N. 8 ff. und N. 18 mit vielen Verweisen auf Lehre und Praxis; sowie Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar zum DBG, 3. Aufl. 2016, Art. 58 N. 48 ff.; StE 2011 B 23.41 Nr. 5 mit Hinweis).

3.4 Das Massgeblichkeitsprinzip gilt jedoch nur dann, wenn der Erfolgsausweis nicht unter Verletzung zwingender Bestimmungen des Handelsrechts zustande gekommen ist und sofern nicht spezielle steuerrechtliche Vorschriften für die Gewinnermittlung zu beachten sind (Urteil BGer 2C_29/2012 vom 16. August 2012 E. 2.1, mit vielen Verweisen auf die bundesgerichtliche Praxis).

Eine Ausnahme zu den vorstehend erwähnten Grundsätzen des Massgeblichkeitsprinzips besteht daher dann, wenn in einer bereits verabschiedeten bzw. genehmigten Jahresrechnung handelsrechtswidrige Ansätze gewählt worden sind. Hier ist gewinnsteuerrechtlich eine Korrektur bis zum Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung zulässig (sog. Bilanzberichtigung). Demgegenüber sind blosse Bilanzänderungen, bei denen ein handelsrechtskonformer Wertansatz durch eine andere, ebenfalls handelsrechtskonforme Bewertung ersetzt wird (sog. Bilanzänderung), gewinnsteuerrechtlich nur bis zur Einreichung der Steuererklärung zulässig. Eine Bilanzänderung durch die steuerpflichtige Gesellschaft im Laufe des Veranlagungsverfahrens ist grundsätzlich nur noch zulässig, wenn sich zeigt, dass sie in einem entschuldbaren Irrtum über die steuerlichen Folgen gewisse Buchungen vorgenommen hat. In der Regel ausgeschlossen sind hingegen Bilanzänderungen, mit denen Wertänderungen zum Ausgleich von Aufrechnungen im Veranlagungsverfahren erfolgen oder die lediglich aus Gründen der Steuerersparnis vorgenommen werden. Auch Bilanzberichtigungen aus denselben Motiven sind gleichfalls mit äusserster Zurückhaltung anzuerkennen (Urteil BGer 2C_29/2012 vom 16. August 2012 E. 2.1; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar zum DBG, Art. 58 N. 48-51).

3.5
3.5.1 Nach Art. 960 Abs. 2 OR muss die Bewertung von Aktiven vorsichtig erfolgen. Bestehen konkrete Anzeichen für eine Überbewertung von Aktiven oder für zu geringe Rückstellungen, so sind die Werte zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen (Art. 960 Abs. 3 OR). Mit der Rückstellung bzw. vorübergehenden Wertberichtigung wird ein tatsächlich oder zumindest wahrscheinlich verursachter, in seiner Höhe aber noch nicht bekannter Aufwand oder Verlust gewinnmindernd angerechnet, der erst im nächsten oder einem der folgenden Geschäftsjahre geldmässig verwirklicht wird. Steuerrechtlich (nicht handelsrechtlich) können solche Wertberichtigungen nur anerkannt werden, wenn die Ereignisse, welche Ursache des geltend gemachten, betragsmässig noch ungewissen Aufwands sind, im laufenden oder einem früheren Geschäftsjahr auch tatsächlich eingetreten sind. Die Rückstellungen dürfen (steuerrechtlich) den Betrag nicht übersteigen, mit dessen Beanspruchung nach pflichtgemässer Schätzung dereinst tatsächlich gerechnet werden muss. Vorübergehende Wertberichtigungen auf Forderungen, sogenannte «Delkredere-Rückstellungen», sind aus steuerrechtlicher Sicht erst zulässig, wenn sich das Risiko eines Forderungsverlusts dem Grundsatz nach manifestiert hat oder der Steuerpflichtige nach den konkreten Umständen mit einem solchen Risiko zumindest ernsthaft rechnen muss. Da sie eine Schätzung bleiben, wird im Rahmen der periodengerechten Zuordnung dem steuerpflichtigen Unternehmen bei diesen unsicheren Verlustrisikopositionen buchhalterisch ein grosser Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum zugestanden (Brülisauer/Mühlemann, a.a.O., Art. 58 N. 170; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3. Aufl. 2013, § 64 N. 35; Urteil BGer 2C_628/2010 vom 28. Juni 2011 in ASA 82, 2013/2014, S. 33 ff./36).

Vorübergehende Wertberichtigungen weisen – anders als Abschreibungen – nicht definitiven, sondern bloss provisorischen Charakter auf und können in jeder Steuerperiode neu überprüft werden. Bei Wertberichtigungen bleibt die Aktivposition unverändert, und es wird lediglich eine entsprechende Passivposition gebildet (z.B. Delkredere). Steuerrechtlich werden Wertberichtigungen, soweit diese keinen definitiven Charakter haben, unter die Rückstellungen subsumiert, auch wenn dies buchhalterisch nicht ganz korrekt ist. Während also der Begriff «Wertberichtigung» im StG des Kantons Zug verwendet wird (vgl. § 59 Abs. 1 Ziff. 2 Bst. b StG), wird dieser im DBG untechnisch dem Bereich der Rückstellungen zugewiesen (vgl. Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar zum DBG, Art. 28 N. 3 und Art. 29 N. 13).

3.5.2 Gemäss Art. 959 Abs. 1 OR gilt das Stichtagsprinzip als elementare Bilanzierungsregel für die Jahresrechnung, wonach die Bilanz die Vermögens- und Finanzierungslage des Unternehmens am Bilanzstichtag darstellt. Ebenso nehmen Bewertungsvorschriften wie diejenigen in Art. 960 b und Art. 960 c OR explizit Bezug zum Bilanzstichtag. Massgebender Beurteilungszeitpunkt für die geschäftsmässige Begründetheit einer (Delkredere-) Rückstellung ist folglich der Bilanzstichtag, wobei auch nachträglich werterhellende Tatsachen berücksichtigt werden können, d.h. solche, die Rückschlüsse auf die Verhältnisse am Bilanzstichtag zulassen. Solche steuermindernden Tatsachen sind von der steuerpflichtigen Person mittels substantiierter Sachdarstellung vorzutragen. Wird die Jahresrechnung sehr viel später nach dem Bilanzstichtag erstellt, wird dieser Nachweis schwieriger (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, § 64 N. 122). Denn das sowohl im Handels- als auch Steuerrecht geltende Periodizitätsprinzip verbietet es, Ergebnisse verschiedener Geschäftsperioden untereinander auszugleichen, indem die Ergebnisse einer bestimmten Periode zugunsten oder zulasten einer anderen Periode erhöht oder vermindert werden (Brülisauer/Mühlemann, a.a.O., Art. 58 N. 151 und 167). Die Periodengerechtigkeit gilt dabei als gewahrt, wenn z.B. ein bestimmter Aufwand aufgrund des dem steuerpflichtigen Unternehmen zustehenden Bewertungs- und Ermessenspielraums als periodengerecht verbucht einzustufen ist (Brülisauer/Mühlemann, a.a.O., Art. 58 N. 159).

3.5.3 Was den relevanten Zeitraum betrifft, innert welchem handelsrechtlich werterhellende Ereignisse nach dem Bilanzstichtag noch in der Jahresrechnung zu erfassen sind, wird dieser maximal bis zur Errichtung bzw. Genehmigung der Jahresrechnung durch das zuständige Organ (z.B. Generalversammlung) gesehen (Reich/Züger/Betschart, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], 3. Aufl. 2017, Art. 29 N. 11). Das Swiss GAAP-FER-Rahmenkonzept stellt mit der Verabschiedung der Jahresrechnung durch den Verwaltungsrat bzw. Geschäftsführer auf einen noch früheren Zeitpunkt ab. Als Ereignisse, die nach dem Bilanzstichtag in der Jahresrechnung zu berücksichtigen sind, gelten dabei solche, deren Auslöser bzw. Bedingungen bereits am Bilanzstichtag gegeben waren bzw. die weitere substanzielle Hinweise zu Gegebenheiten liefern, die bereits am Abschlussstichtag vorgelegen haben. Somit handelt es sich um Ereignisse, die am Bilanzstichtag bereits begründet waren, aber erst später bekannt werden. Sie werfen «neues Licht auf alte Tatsachen» und werden auch als «werterhellende Ereignisse» bezeichnet. Hierzu gehören z.B. der nach dem Bilanzstichtag über einen Schuldner einer nicht wertberichtigten Forderung eröffnete Konkurs, wenn der Schuldner schon vor dem Bilanzstichtag in finanziellen Schwierigkeiten steckte (mit dem Resultat, dass die Wertberichtigung noch gebucht werden muss), die nach dem Bilanzstichtag erfolgende vollständige Rückzahlung eines im Wert berichtigten Darlehens (mit dem Resultat, dass die Wertberichtigung aufgelöst werden darf), die Festlegung geschuldeter, erfolgsabhängiger Vergütungen, Entscheide in Gerichts- und Verwaltungsverfahren, die vor dem Bilanzstichtag zu laufen begonnen haben, oder die Entdeckung eines Betrugs oder anderer Fehler, die zeigen, dass der Abschluss per Stichtag fehlerhaft war (Lukas Glanzmann, Ereignisse nach dem Bilanzstichtag, S. 257 ff. in: Aktuelle Herausforderungen des Gesellschafts- und Finanzmarktrechts, Festschrift für Hans Caspar von der Crone zum 60. Geburtstag, 2017; Markus Berger, Probleme der Bilanzberichtigung, in: ASA 70, 2001/2002, S. 539 ff.).

4. Vorliegend beantragt die Rekurrentin sinngemäss, den im Einspracheverfahren gemäss ihrem Antrag veranlagten steuerbaren Gewinn (Fr. 97'800.–) zu reduzieren und zwar um die Verluste, welche sie auf Debitorenforderungen aus gegenüber der C. AG (Fr. 35'000.–) und gegenüber D. (Fr. 120'000.–) erbrachten Leistungen behauptet erlitten zu haben, welche jedoch nicht oder nicht vollständig in der Jahresrechnung 2017 verbucht worden sind.

Basierend auf den vorstehenden Erläuterungen zum Massgeblichkeits- und Periodizitätsprinzip ist daher zu prüfen, ob die behaupteten Verluste, so sie dann als rechtsgenüglich bewiesen erscheinen, (1) als werterhellende Ereignisse nach dem Bilanzstichtag (31. Dezember 2017) qualifizieren oder (2) diese unter dem Titel der Bilanzanpassung zu berücksichtigen sind oder (3) betreffend diesen eine handelsrechtswidrige (Nicht-)Verbuchung vorliegt (mit der Folge einer Bilanzberichtigung).

4.1 Nach dem Bilanzstichtag gewonnene Erkenntnisse über Ereignisse, die sich im vorgehenden Geschäftsjahr verwirklicht haben (sog. werterhellende Ereignisse), können für die Jahresrechnung solange Berücksichtigung finden, als diese noch nicht abgeschlossen d.h. von den zuständigen Organen verabschiedet bzw. genehmigt worden ist (vgl. E. 3.5.3 vorstehend). Vorliegend datiert die Jahresrechnung 2017 der Rekurrentin (mit Abschlussdatum 31. Dezember 2017) vom 25. Mai 2018 (Beilage Nr. 1 der Rekursgegnerin). Gemäss Art. 699 Abs. 2 OR hat die ordentliche Generalversammlung, welche die Abnahme der Jahresrechnung beschliesst (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 4 OR), innert sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres über die Jahresrechnung zu befinden bzw. diese zu genehmigen. Weder aus den Akten noch aus den Vorbringen der Parteien lässt sich entnehmen, dass es sich bei der hier interessierenden Jahresrechnung 2017 nicht um eine in diesem Sinne genehmigte bzw. abgeschlossene Jahresrechnung handeln sollte. Sie wurde denn auch von der Rekurrentin selbst im Steuererklärungsverfahren der Steuerbehörde eingereicht. Für das Gericht gilt es daher erstellt, dass es sich bei der Jahresrechnung 2017 der Rekurrentin um eine abgeschlossene bzw. von der Generalversammlung genehmigte Jahresrechnung handelt. Es ist somit der Zeitraum abgelaufen, innert welchem die von der Rekurrentin erst in diesem Verfahren geltend gemachten Debitorenverluste als «werterhellende Ereignisse» noch in die Jahresrechnung 2017 Einzug finden könnten. Die Berücksichtigung der strittigen Verluste ist daher unter diesem Titel nicht mehr möglich.

4.2 Weiter ist zu prüfen, ob die nicht in der Jahresrechnung 2017 verbuchten Debitorenverluste unter dem Titel einer Bilanzänderung für die Veranlagung der Gewinnsteuern 2017 berücksichtigt werden können.

Wie vorstehend erläutert (E. 3.4) spricht man von einer Bilanzänderung, wenn ein handelsrechtskonformer Wertansatz durch eine andere, ebenfalls handelsrechtskonforme Bewertung ersetzt wird. Bilanzänderungen werden gemäss herrschender Lehre und Praxis gewinnsteuerrechtlich nur bis zur Einreichung der Steuererklärung als zulässig erachtet (Urteil BGer 2C_29/2012 vom 16. August 2012 E. 2.1; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar zum DBG, Art. 58 N. 48-51). Dieser Zeitpunkt ist vorliegend unzweifelhaft längst überschritten und Ausnahmesituationen zugunsten der Rekurrentin können dem Sachverhalt ebenfalls nicht entnommen werden. Die von der Rekurrentin erst in diesem Verfahren geltend gemachten, nicht verbuchten Debitorenverluste können daher auch unter dem Titel der Bilanzänderung nicht berücksichtigt werden.

4.3 Zu prüfen bleibt, ob die Nicht-Verbuchung der von der Rekurrentin behaupteten Debitorenverluste in der Jahresrechnung 2017 eine Handelsrechtswidrigkeit darstellt, welche eine sogenannte Bilanzberichtigung erlauben würde (vgl. E. 3.4 vorstehend). Eine Handelsrechtswidrigkeit wäre dann gegeben, wenn durch das Gericht festgestellt würde, dass das Debitorenausfallrisiko im Zeitpunkt des Abschlusses der Jahresrechnung 2017 entgegen handelsrechtlicher Bewertungsvorschriften unzweifelhaft zu tief eingeschätzt worden wäre.

Wie bei der Erstellung der Jahresrechnung (vgl. E. 3.5.2 und 3.5.3 vorstehend) ist das Stichtagsprinzip auch bei der Beurteilung der Fehlerhaftigkeit einer bereits erstellten Bilanz von wesentlicher Bedeutung (Markus Berger, a.a.O., S. 539 ff./542). Zum einen können auch hier Ereignisse nach dem Bilanzstichtag nur dann berücksichtigt werden, wenn sie am Bilanzstichtag (hier 31. Dezember 2017) begründet und vorhersehbar waren (i.S.v. wertaufhellenden Tatsachen). Zum andern ist auf der subjektiven Seite zu verlangen, dass diese Ereignisse bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt dem Verwaltungsrat auch hätten bekannt sein müssen; nur wenn dies zu bejahen ist, liegt eine fehlerhafte (und damit zu berichtigende) Bilanz vor. Nicht fehlerhaft ist daher ein Bilanzansatz, wenn er den im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung bei pflichtgemässer und gewissenhafter Prüfung objektiv bestehenden Erkenntnismöglichkeiten entspricht und somit subjektiv richtig ist (Markus Berger, a.a.O., S. 539 ff.; Reich/Züger/Betschart, a.a.O., Art. 29 N. 11a).

Die Rekurrentin macht die Debitorenverluste erstmals vor Verwaltungsgericht geltend. Relevant in diesem Zusammenhang ist, dass sich in der Jahresrechnung 2017 dazu zwei Delkredere-Rückstellungen finden lassen, und zwar eine solche im Betrag von Fr. 35'000.– aus Leistungen, die gegenüber der C. AG erbracht wurden, und eine zweite im Betrag von Fr. 17'600.– für gegenüber D. erbrachten Dienstleistungen (Kontoauszug Delkredere in Beilage 1 der Rekurrentin). Weiter lässt sich einem Schreiben der Rekurrentin an die Rekursgegnerin vom 5. Juni 2019 entnehmen, dass diese Delkredereposition im Geschäftsjahr 2017 gerade deshalb um Fr. 32'000.– erhöht wurde, um allfälligen Risiken bei der Einbringung der vorstehend erwähnten Debitorenforderungen gerecht zu werden, insbesondere im Zusammenhang mit einem gegenüber D. entstandenen Rechtsstreit, welcher noch nicht abgeschlossen sei, und ein nächster Verhandlungstermin für den 11. Juni 2019 angesagt sei (Beilage 2 der Rekursgegnerin). Weiter lässt sich den Akten entnehmen, dass es in diesem Zusammenhang (Rechtsstreit D.) am 3. Juli 2017 ein Schlichtungsgesuch und am 11. Januar 2018 eine Zivilklage gab (E-Mail von Rechtsanwalt E. an die Rekurrentin bzw. deren Verwaltungsrätin B. vom 17. Juli 2019 in Beilage 2 der Rekurrentin). Generell lässt sich aus dem von der Rekurrentin Vorgebrachten und den von dieser zu den Akten gelegten Angaben schliessen, dass sich bei dieser die Erkenntnis des heute behaupteten Debitorenverlusts, welcher die in der Jahresrechnung 2017 verbuchten Delkredere-Rückstellungen übersteigen mag, erst im Laufe des Jahres 2019 materialisierte (E-Mail Korrespondenzen zwischen Rechtsanwalt E. und der Rekurrentin in Beilage 2 der Rekurrentin; E-Mail der Rekurrentin an G. vom 30. Januar 2020 in Beilage 4 der Rekurrentin). So lässt die Rekurrentin in der Rekursschrift (S. 2, 4. Abschnitt) selbst ausführen «…Herr G. wusste vor der Einsprache an die Steuerbehörde Zug d.h. seit Juni 2019 über den Verlust Bescheid, weil ich ihn persönlich nach der Gerichtsverhandlung vom 11. Juni 2019 in H., darüber informiert hatte…».

Es ist daher für das Gericht in keiner Weise ersichtlich, dass am hier relevanten Bilanzstichtag (31. Dezember 2017) bzw. zum Zeitpunkt der Erstellung der Jahresrechnung 2017 bzw. deren Verabschiedung durch die Verwaltungsrätin B. (Jahresrechnung datiert mit 25. Mai 2018) das Debitorenverlustrisiko (Delkredere) in einer sorgfalts- und handelsrechtswidrigen Weise geschätzt und verbucht worden wäre. Wie vorstehend erwähnt (E. 3.5.1), wird den steuerpflichtigen Unternehmen im Rahmen der periodengerechten Zuordnung von Delkredere-Rückstellungen buchhalterisch ein grosser Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum zugestanden. Der Sachverhalt liefert keine Anhaltspunkte, dass dieser Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum bei der Schätzung und Verbuchung der Delkredere-Rückstellungen im Zeitpunkt der Erstellung der Jahresrechnung 2017 handelsrechtswidrig ausgeübt worden wäre, war doch dem Verwaltungsrat vor Abschluss der Jahresrechnung 2017 bekannt, dass betreffend die Forderung gegenüber D. sowohl ein Schlichtungsbegehren (3. Juli 2017) als auch eine Zivilklage (11. Januar 2018) anhängig gemacht worden war. Im Gegenteil, es führt in diesem Zusammenhang die Rekurrentin in der Rekursschrift selber aus, «…Gemäss Folgeanwalt wäre die Forderung von Fr. 170'000.– eintreibbar gewesen, d.h. unsere Rechnungsstellung war korrekt…» (Rekursschrift S. 2, 3. Abschnitt am Ende).

Den Prinzipien der Massgeblichkeit der Handelsbilanz und der Periodizität der Gewinnermittlung folgend ist die Rekurrentin daher bei den verbuchten Delkredere-Rückstellungen zu behaften und allenfalls darüber hinaus eingetretene, sich in Folgeperioden materialisierende Verluste sind nachfolgenden Geschäftsjahren zu belasten. Die Vornahme einer Bilanzberichtigung fällt daher aus den dargestellten Gründen ausser Betracht.

5. Zusammengefasst erweist sich der Rekurs in Bezug auf die beantragte Berücksichtigung der von der Rekurrentin erst in diesem Verfahren behaupteten Debitorenverluste als unbegründet. Der Rekurs ist daher vollumfänglich abzuweisen.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. April 2020, A 2019 20
Das Urteil ist rechtskräftig.
Vollständiges Urteil auf der Entscheiddatenbank https://www.verwaltungsgericht.zg.ch

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