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Aussichtsschutz, § 4a alt V PBG, § 27 alt V PBG

Baugesuch Erbengemeinschaft

Regeste:

Befindet sich ein Grundstück im Gesamteigentum (z. B. Erbengemeinschaft), so setzt die rechtsgültige Einreichung eines Baugesuchs – sofern im konkreten Fall keine andere Vorschrift (gesetzlich oder vertraglich) besteht – einen einstimmigen Beschluss der Gesamteigentümerschaft voraus (Art. 652 f. ZGB). Die Baubewilligungsbehörde ist verpflichtet, bei der Beurteilung eingehender Baugesuche, die privatrechtlichen Eigentumsverhältnisse zumindest summarisch zu überprüfen. Bei bereits erstellten baulichen Massnahmen geht die Lehre hingegen davon aus, dass auf die Zustimmung aller Berechtigten, d. h. aller Gesamteigentümer verzichtet werden kann: Die zivilrechtliche Berechtigung ist eine blosse Eintretensvoraussetzung. Bei einem nachträglichen Baugesuch kann nicht auf das Eintreten verzichtet werden, da die realisierte bauliche Massnahme sonst ohne baurechtliche Überprüfung bliebe (Erw. 3a).

Aus dem Sachverhalt:

A. Die Erbengemeinschaft K.N., bestehend aus N.K., J.K. und M.K. ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. X, Gemeinde A, (nachfolgend: GS X), welches in der Wohn- und Arbeitszone 3 liegt. Die Liegenschaft A.-strasse B (Assek.-Nr. Y) stammt aus dem Jahr 1894 und befindet sich im Inventar der schützenswerten Denkmäler.

 B. Im Juni 2021 wurden dem Amt für Denkmalpflege und Archäologie unbekannte Bauarbeiten im Dachstock der Liegenschaft A.-strasse B gemeldet. Nach Sichtung der vom ausführenden Bauherrn, M.K., (nachfolgend: Bauherr) eingereichten Fotos der Bauarbeiten (E-Mail vom 24. Juli 2021) sowie nach Rücksprache mit dem Amt für Denkmalpflege und Archäologie forderte das Baudepartement der Gemeinde A den Bauherrn mit E‑Mail vom 3. August 2021 auf, ein nachträgliches Baugesuch einzureichen.

C. Am 5. August 2021 reichte der Bauherr dem Baudepartement der Gemeinde A ein Baugesuch SZ-… betreffend Renovation Dachgeschoss für die Liegenschaft A.-strasse B (Assek.-Nr. Y) ein. Mit Schreiben vom 11. August 2021 sendete das Baudepartement der Gemeinde A dem Bauherrn das eingereichte Baugesuch zur Ergänzung zurück und bat um dessen vollständige Einreichung. Diese ist am 27. August 2021 beim Baudepartement der Gemeinde A eingegangen.

(…)

E. Am 15. September 2021 hat das Amt für Denkmalpflege und Archäologie dem Baugesuch SZ-… unter Auflagen seine Zustimmung erteilt.

F. Das Baugesuch SZ-… wurde schliesslich am 14. Oktober 2021 durch den Gemeinderat der Gemeinde A (nachfolgend: Vorinstanz) im vereinfachten Verfahren unter Auflagen und Bedingungen bewilligt. Die Erteilung der nachträglichen Baubewilligung wurde den Erben, d. h. den übrigen Miteigentümern des GS X, N.K. und J.K., mitgeteilt.

G. Gegen die Baubewilligung reichten N.K. und J.K., (nachfolgend: Beschwerdeführende) am 21. Oktober 2021 Beschwerde ein und beantragen darin dessen Aufhebung. Zur Begründung machen die Beschwerdeführenden zusammengefasst geltend, dass Baugesuch und die Baubewilligung seien rechtswidrig, da das Baugesuch ohne das Einverständnis der Erbengemeinschaft eingereicht worden sei.

(…)

Aus den Erwägungen:

(…)

3. In ihrer Beschwerdeschrift vom 21. Oktober 2021 machen die Beschwerdeführenden geltend, dass die Erbengemeinschaft nur bei einer absoluten Mehrheit beschlussfähig sei, d. h. alle Erben müssten einverstanden sein. Das eingereichte Baugesuch, also der Ausbau des Dachstocks, entspreche hingegen nicht dem Willen der Erbengemeinschaft, da insbesondere dessen Finanzierung nicht geklärt sei. Das Baugesuch und die Baubewilligung seien daher rechtswidrig. Aus formaljuristischen Gründen werde um eine Ablehnung der Baubewilligung gebeten, bis die Situation innerhalb der Erbengemeinschaft geregelt sei.

a) Gemäss § 27 Abs. 2 alt V PBG sind die für ein Baugesuch einzureichenden Pläne je von dem Bauherrn, Grundeigentümer und Projektverfasser zu unterzeichnen. Im vorliegenden Fall befindet sich das fragliche GS X und die Liegenschaft A.-strasse B (Assek.-Nr. Y) im Eigentum der Erbengemeinschaft K.N. Haben mehrere Personen, die durch Gesetzesvorschrift oder Vertrag zu einer Gemeinschaft verbunden sind, eine Sache kraft ihrer Gemeinschaft zu Eigentum, so sind sie gemäss Art. 652 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB; SR 210) Gesamteigentümer und es geht das Recht eines jeden auf die ganze Sache. Die Rechte und Pflichten der Gesamteigentümer richten sich nach den Regeln, unter denen ihre gesetzliche oder vertragsmässige Gemeinschaft steht (Art. 653 Abs. 1 ZGB). Besteht keine andere Vorschrift, so bedarf es zur Ausübung des Eigentums und insbesondere zur Verfügung über die Sache des einstimmigen Beschlusses aller Gesamteigentümer (Abs. 2). Solange die Gemeinschaft dauert, ist ein Recht auf Teilung oder die Verfügung über einen Bruchteil der Sache ausgeschlossen (Abs. 3). Nach diesen Ausführungen, setzt die rechtsgültige Einreichung eines Baugesuchs also einen einstimmigen Beschluss der Gesamteigentümerschaft voraus. Die Baubewilligungsbehörde ist insofern verpflichtet, bei der Beurteilung eingehender Baugesuche, die privatrechtlichen Eigentumsverhältnisse zumindest summarisch zu überprüfen. Das Zustimmungserfordernis soll nämlich verhindern, dass die Behörden wieder besseres Wissen zu einem Verfahren Hand bieten, welches Eigentumsrechte Dritter zu verletzen geeignet ist. Bei bereits erstellten baulichen Massnahmen geht die Lehre hingegen davon aus, dass auf die Zustimmung aller Berechtigten, d. h. aller Gesamteigentümer verzichtet werden kann: Die zivilrechtliche Berechtigung ist eine blosse Eintretensvoraussetzung. Bei einem nachträglichen Baugesuch kann jedoch nicht auf das Eintreten verzichtet werden, da die realisierte bauliche Massnahme sonst ohne baurechtliche Überprüfung bliebe (vgl. FRITZSCHE/BÖSCH/WIPF/KUNZ: Zürcher Planungs- und Baurecht, 6. Aufl., Zürich 2019, S. 369).

b) Im vorliegenden Fall wurden die Bauarbeiten im Dachstock der fraglichen Liegenschaft bei Einreichung des Baugesuchs bereits teilweise ausgeführt. Da es sich also um ein nachträgliches Baugesuch handelt, war die Vorinstanz – der genannten Lehrmeinung folgend – berechtigt, auch ohne einstimmigen Beschluss aller Gesamteigentümer bzw. ohne die Unterschrift aller Erben auf das Baugesuch einzutreten und dieses zu beurteilen. Dies umso mehr, als dass die fragliche Liegenschaft unter Denkmalschutz steht und die Überprüfung der vorgenommenen Bauarbeiten somit im öffentlichen Interesse liegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die baulichen Massnahmen bei Einreichung des Baugesuchs noch nicht komplett ausgeführt worden sind, ist ein unfertiger Bauzustand doch mitnichten zu akzeptieren.

Da die Beschwerdeführenden ansonsten keine materiellrechtlichen Rügen geltend machen und anhand einer summarischen Prüfung der Unterlagen keine Hinweise auf eine Rechtsverletzung bestehen, erübrigen sich an dieser Stelle Ausführungen zum Inhalt der Baubewilligung. Fest steht somit, dass die Vorinstanz das Baubewilligungsverfahren und die nachträgliche Baubewilligung zurecht durchgeführt bzw. erteilt hat.

c) Bezugnehmend auf die Rüge betreffend die Beschlussfähigkeit der Erbengemeinschaft wird darauf hingewiesen, dass im vorliegenden öffentlich-rechtlichen Verfahren keine zivilrechtlichen Rügen behandelt werden. Entsprechend kann auf den vorgebrachten eigentums- bzw. erbrechtlichen Vorbehalt nicht eingetreten werden. Die Beschwerdeführenden sind diesbezüglich auf den zivilrechtlichen Weg zu verweisen.

4. Zusammenfassend ergibt sich, dass die angefochtene Baubewilligung von der Vorinstanz zurecht erteilt wurde. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist deshalb vollumfänglich ab-zuweisen, sofern darauf eingetreten wird.

(…)

Regierungsratsbeschluss vom 18. Januar 2022, BD 2022-008

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