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Art. 12 lit. a und c BGFA – Interessenkonflikt

Art. 9 i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA – Löschung des Eintrags im Anwaltsregister

Regeste:

Im vorliegenden Fall stellen die begangenen Straftatbestände der Misswirtschaft gemäss Art. 165 StGB und Unterlassung der Buchführung gemäss Art. 166 StGB Handlungen dar, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind (E. 1-8). Auf eine Löschung des Eintrags im Anwaltsregister ist einzig aus Gründen der Verhältnismässigkeit zu verzichten, weil diese aufgrund der bis anhin abgelaufenen Probezeit nur noch für eine kurze Dauer wirksam gewesen wäre (E. 9).

Aus den Erwägungen:

1. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die über ein kantonales Anwaltspatent verfügen und Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten wollen, lassen sich ins Register des Kantons eintragen, in dem sie ihre Geschäftsadresse haben. Die Aufsichtsbehörde trägt sie ein, wenn sie festgestellt hat, dass die fachlichen (Art. 7 BGFA) und persönlichen (Art. 8 BGFA) Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Art. 6 Abs. 1 und 2 BGFA). Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die eine der Voraussetzungen für den Registereintrag nicht mehr erfüllen, werden im Register gelöscht (Art. 9 BGFA).

2. Zu den persönlichen Voraussetzungen für den Registereintrag gehört gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. b BFGA, dass gegen den Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin keine strafrechtliche Verurteilung wegen Handlungen vorliegt, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind, es sei denn, diese Verurteilung erscheine nicht mehr im Strafregisterauszug für Privatpersonen.

3. A. wurde der Misswirtschaft gemäss Art. 165 Ziff. 1 StGB und der Unterlassung der Buchführung gemäss Art. 166 StGB schuldig gesprochen und dafür mit einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu CHF 300.–, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs für eine Probezeit von zwei Jahren, bestraft. Dieser Schuldspruch erwuchs in Rechtskraft.

4. Bei der Misswirtschaft, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht ist, handelt es sich um ein Verbrechen (Art. 10 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 165 StGB). Die Unterlassung der Buchführung, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft wird, ist ein Vergehen (Art. 10 Abs. 3 StGB in Verbindung mit Art. 166 StGB). Gemäss Art. 366 Abs. 1 lit. a StGB werden diese Strafen im Strafregister eingetragen, und sie erscheinen erst dann nicht mehr im Strafregisterauszug für Privatpersonen, wenn sich der Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit bewährt hat (vgl. Art. 371 Abs. 3bis StGB). Da im vorliegenden Fall die zweijährige Probezeit noch läuft, ist im Folgenden zu prüfen, ob die Handlungen, wegen derer A. verurteilt wurde, mit dem Anwaltsberuf zu vereinbaren sind oder nicht.

5. Die Bestimmung von Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA beruht auf der Überlegung, dass das Vertrauensverhältnis, das zwischen Anwalt und Klient bestehen muss, gestört sein kann, wenn der Anwalt nicht vollumfänglich für Seriosität und Ehrenhaftigkeit bürgt. Es können nur solche Verurteilungen Auswirkungen auf die Ausübung des Anwaltsberufes haben, die mit dem Anwaltsberuf nicht vereinbar sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Täter im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Anwalt oder in einem privaten Umfeld gehandelt hat. Bei der Prüfung der Frage der Vereinbarkeit der strafrechtlichen Verurteilung mit dem Anwaltsberuf verfügt die Aufsichtsbehörde über einen grossen Beurteilungsspielraum; sie hat indessen stets den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten. Für die Verweigerung des Eintrages bzw. für dessen Löschung muss somit stets eine gewisse Tatschwere vorliegen und diese muss mit der Löschung in einem vernünftigen Verhältnis stehen (Staehelin/Oetiker, in: Fellmann/Zindel, Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. A. 2011, Art. 8 BGFA N 17 f.).

6. Zu den Handlungen, die nicht mit dem Anwaltsberuf zu vereinbaren sind, zählen namentlich strafbare Handlungen gegen Leib und Leben (Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung sowie gewisse Handlungen gegen die sexuelle Integrität), Delikte gegen das Vermögen (Betrug, Veruntreuung, Diebstahl, Raub, Erpressung, ungetreue Geschäftsbesorgung, Steuerdelikte, evtl. Konkurs- und Betreibungsdelikte), Delikte gegen die Willensfreiheit (Drohung, Nötigung), Urkundenfälschung und Geldwäscherei; solche sind grundsätzlich geeignet, die berufliche Zutrauenswürdigkeit des Anwalts in Frage zu stellen (Staehelin/Oetiker, a.a.O., Art. 8 BGFA N 20, und Urteil des Bundesgerichts 2C_183/2010 vom 21. Juli 2010, E. 2.4, je mit weiteren Hinweisen).

7. Bei den vorliegend zu prüfenden Tatbeständen der Misswirtschaft und der Unterlassung der Buchführung handelt es sich um solche, die in Deliktsnähe stehen zu den in der Literatur und der Rechtsprechung beispielhaft aufgeführten Tatbeständen:

7.1 Unter dem Tatvorwurf der Misswirtschaft im Urteil des Strafgerichts des Kantons Zug wird A. angelastet, er habe es als einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat zu vertreten, dass die sachverhaltsrelevante B. AG mit einer ungenügenden Kapitalausstattung bzw. mit einem Darlehen zwischen einer Darlehensgeberin und der B. AG gegründet worden und bereits nach Abzug der Bankspesen für das Kapitaleinzahlungskonto überschuldet gewesen sei. Beim Gründungskapital habe es sich folglich nicht um Aktienkapital gehandelt, sondern um ein Darlehen, welche Schuld aufgrund eines Darlehensvertrages mit Zins zurückzuzahlen gewesen sei. Aufgrund seiner Ausbildung als Anwalt und Urkundsperson habe er die ungenügende Kapitalausstattung zumindest in Kauf genommen und damit den Tatbestand der Misswirtschaft erfüllt. Ins Gewicht fiel auch, dass A. die B. AG am tt.mm.2009 über seine damalige Sekretärin C. gründen und sich als einziger Verwaltungsrat bestellen liess, dies, nachdem er zuvor für die Darlehensgeberin den Darlehensvertrag aufgesetzt hatte. Die öffentliche Beurkundung der Gesellschaftsgründung nahm er schliesslich selbst vor.

Sodann wird A. angelastet, dass er den Tatbestand der Misswirtschaft auch durch arge Nachlässigkeit in der Berufsausübung erfüllt habe, da er als Verwaltungsrat sowohl für die Ausgestaltung des Rechnungswesens als auch die Benachrichtigung des Richters am Falle der Überschuldung hätte sorgen müssen. Diesen Pflichten sei A. in ihm vorwerfbarer Weise nicht nachgekommen.

7.2 Unter dem Tatvorwurf der Unterlassung der Buchführung wird A. angelastet, er habe es dauerhaft, mithin von der Gründung bis zum Konkurs der Gesellschaft im mm.2016, unterlassen, für die B. AG eine ordnungsgemässe Buchhaltung zu erstellen bzw. als einziger Verwaltungsrat dafür besorgt zu sein. Das Strafgericht rechnete A. als einzelzeichnungsberechtigtem Verwaltungsrat der B. AG die Schuldnereigenschaft der Gesellschaft gemäss Art. 29 lit. a StGB zu und warf ihm unter dem Titel der Unterlassung der Buchführung auch vor, dass er als Verwaltungsrat der B. AG nie eine ordentliche Generalversammlung durchgeführt habe. Als Anwalt und Urkundsperson sei sich A. der bestehenden Buchführungspflicht durchaus bewusst gewesen (act. 14/24 ff.).

8. Die Tatschwere für eine Löschung des Eintrags von A. im Anwaltsregister liegt damit ohne Weiteres vor. Die A. vorgeworfenen Handlungen bzw. Unterlassungen wiegen im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Klientschaft und die Seriosität und Ehrenhaftigkeit, die von einem Anwalt oder einer Anwältin erwartet werden darf, schwer. Das Obergericht als Berufungsinstanz veranschlagte die Gesamtstrafe denn auch auf eine Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu CHF 300.–. Im Vergleich zum Strafmass der Vorinstanz, welche A. mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu CHF 300.00 für weitere drei Delikte bestrafte, notabene Urkundenfälschung, Erschleichung einer falschen Beurkundung sowie Urkundenfälschung im Amt, sind die 140 Tagessätze des Urteils des Obergerichts doch unbedeutend geringer, was ebenfalls die Tatschwere der beiden A. vorzuwerfenden Delikte unterstützt. Zusammengefasst wäre damit eine Löschung des Eintrags von A. im Anwaltsregister des Kantons Zug gestützt auf Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA in Verbindung mit Art. 9 BGFA grundsätzlich als hinreichend begründet zu betrachten.

9. Zu beachten ist nun aber, dass es sich bei der Löschung des Eintrags im Anwaltsregister um eine schwerwiegende Massnahme handelt, bei welcher unter Berücksichtigung aller Umstände sorgfältig zu prüfen ist, ob die Löschung in einem vernünftigen Sachverhältnis steht (Staehelin/Oetiker, a.a.O., Art. 8 BGFA N 18). Die Löschung hat überdies das Dahinfallen der Beurkundungsbefugnis zur Folge (§ 2 Abs. 1 BeurkG e contrario) und wird gemäss § 23 Abs. 1 lit. a EG BGFA im Amtsblatt des Kantons Zug publiziert. Entsprechend sind bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der Massnahme sämtliche sachrelevanten Faktoren zu erwägen, im vorliegenden Fall vorab auch der zeitliche Aspekt. 

Eine Löschung ist nur so lange begründet, als dass eine Verurteilung im Strafregisterauszug für Privatpersonen ersichtlich ist. Im vorliegenden Fall läuft die Probezeit für die bedingt ausgefällte Geldstrafe am 24. März 2024 ab. Mithin wäre eine Löschung maximal noch für eine kurze Dauer wirksam. Vor diesem Hintergrund, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass mithin keine Gründe vorliegen, die A. keine gute Prognose zukommen zu lassen wäre, erweist sich diese Massnahme zur Sicherstellung der Seriosität des Anwaltsstandes nicht als zweckdienlich und ist damit unverhältnismässig. Trotz unzweifelhaft gegebener Tatschwere der rechtskräftig abgeurteilten Tathandlungen von A. ist auf die Löschung des Eintrags im Anwaltsregister aus Gründen der Verhältnismässigkeit zu verzichten.

10.     Nach § 27 Abs. 1 EG BGFA werden die Kosten des Disziplinarverfahrens dem Rechtsanwalt auferlegt, wenn eine Disziplinierung erfolgt oder das Verfahren schuldhaft veranlasst wurde. Diese Vorschrift gilt per analogiam auch für das vorliegende Verfahren.

Die Handlungen von A., die zur rechtskräftigen Verurteilung wegen Misswirtschaft und Unterlassung der Buchführung führten, sind – wie bereits erwähnt – mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren. Auf die Löschung des Eintrags im Anwaltsregister gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA wird einzig deshalb verzichtet, weil diese angesichts der kurz vor dem Ablauf stehenden Probezeit nur noch kurze Zeit wirksam wäre und sich daher als unverhältnismässig erweist. Angesichts dessen hat A. das vorliegende Verfahren schuldhaft veranlasst, weshalb ihm die Kosten aufzuerlegen sind.

Aufsichtskommission über die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, 27. November 2023 (AK 2022 1)

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