Gerichtspraxis
Staats- und Verwaltungspraxis
Steuerrecht
Verrechnungssteuer (Rückerstattung)
Gewinnaufrechnung (Nachsteuer; verdeckte Gewinnausschüttung)
Gewinnaufrechnung (Verrechnungspreise)
Regeste:
Art. 58 Abs. 1 DBG, § 59 Abs. 1 StG – es ist nicht statthaft, die gruppeninternen Verrechnungspreise gezielt so festzusetzen, dass im Mehrjahresdurchschnitt stets eine Marge am untersten Ende der akzeptierten, einem Drittvergleich standhaltenden, Bandbreite resultiert (in casu: durch Festsetzung einer Verlustmarge zwecks Ausgleich von zuvor höheren Margen). Solches zuzulassen widerspräche dem Grundanliegen des Verrechnungspreisrechts, das gerade darauf abzielt, dass jede Unternehmenseinheit besteuert werden soll entsprechend der wirtschaftlichen Substanz, die sie in der Wertschöpfungskette beisteuert, und zwar jedes Jahr aufs Neue (E. 5.3).
Aus dem Sachverhalt:
A.
A.a Die A. SA (fortan: die Steuerpflichtige) ist die in Zug domizilierte Muttergesellschaft der A.-Gruppe und ihrerseits seit März 2011 eine Tochtergesellschaft der C. Inc. (Kanada). Ihr Zweck besteht – gemäss Handelsregistereintrag – in: «Handel, Beratung und Übernahme von Vertretungen im Bereich des Gesundheitswesens. Unterstützen von Vermittlungen und Erbringen von Dienstleistungen in allen damit zusammenhängenden Tätigkeiten.» Sie vertreibt im Wesentlichen generische und rezeptfreie pharmazeutische Produkte in sieben Therapiegebieten und verfügt über Niederlassungen in mehreren Ländern, hauptsächlich in Ost- und Mitteleuropa (vgl. Einspracheentscheid vom 30. November 2022, StV-act. 14; ausserdem Rek-act. 2). Für das Geschäfts- und Steuerjahr 2018 deklarierte sie einen Reingewinn gemäss Erfolgsrechnung von Fr.. Nach Rückfragen bei der Steuerpflichtigen insbesondere betreffend die im Jahr 2018 erzielte, negative Marge (StV-act. 3 ff.) rechnete die Steuerverwaltung mit Veranlagungsverfügungen vom 9. September 2021 einen Betrag von Fr. 8'961'368.– auf mit dem Vermerk «Anpassung Marge gemäss TP Studie» (StV-act. 9; Aufrechnung basierend auf einer operativen Marge von 1.2 % anstelle der zur Anwendung gebrachten operativen Marge von -21.8 %).
A.b Mit Einsprache vom 7. Oktober 2021 verlangte die Steuerpflichtige, sie sei gemäss eingereichter Steuererklärung einzuschätzen, unter Verzicht auf die vorgenommene Gewinnaufrechnung (StV-act. 10). Die Steuerverwaltung betraute die Spezialisten der ESTV mit dem Fall. Diese unterbreiteten am 14. März 2022 eine technische Analyse (StV-act. 11), wozu die Steuerpflichtige am 30. August 2022 Stellung bezog (act. 13). Mit Einspracheentscheid vom 30. November 2022 hiess die Steuerverwaltung die Einsprache gegen die Veranlagungsverfügungen vom 9. September 2021 insofern gut, als sie die strittige Gewinnaufrechnung von Fr. 8'961'368.– auf Fr. 8'922'473.– reduzierte, d.h. der Aufrechnung gestützt auf die Berechnungen der ESTV neu eine operative Marge in Höhe des untersten noch drittvergleichskonformen Quartils von 1.1 % statt 1.2 % zugrunde legte. Im Übrigen wies sie die Einsprache ab (StV-act. 14).
B. Mit Rekurs bzw. Beschwerde vom 3. Januar 2023 wandte sich die Steuerpflichtige an das Verwaltungsgericht. Sie beantragte, es sei der Einspracheentscheid der Steuerverwaltung aufzuheben und der steuerbare Gewinn gemäss eingereichter Steuererklärung festzusetzen (mit einer operativen Marge für das Steuerjahr 2018 von -21.8 %), mithin der Transferpreisgestaltung 2016–2018 mit dem Resultat einer durchschnittlichen operativen Marge von 1.2 % steuerlich die Massgeblichkeit zuzugestehen. Eventualiter sei die Gewinnaufrechnung auf Fr. 8'922'473.– festzusetzen (act. 1 S. 1; entsprechend einer Aufrechnung auf eine operative Marge von 1.1 %). Den Kostenvorschuss von Fr. 25'000.– bezahlte sie fristgerecht (act. 2 f.).
C. Die Steuerverwaltung schloss mit Vernehmlassung vom 21. Februar 2023 auf Abweisung des Rekurses bzw. der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei (act. 5). Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) beantragte am 2. Mai 2023 die Abweisung der Beschwerde (act. 9), unter Beilage einer «ratio analysis» betreffend die A. SA (ESTV-act. 1).
D. Mit Schreiben vom 13. Juni 2023 (der Steuerpflichtigen, act. 12), 30. Juni 2023 (der Steuerverwaltung, act. 14) sowie vom 15. August 2023 (der ESTV, act. 16) bezogen die Parteien und Verfahrensbeteiligten abschliessend Stellung.
Aus den Erwägungen:
(…)
4.
4.1 Steuerverwaltung und ESTV begründen ihre Gewinnaufrechnung im Kern damit, dass die Marge von -21.8 % im Jahr 2018 einem Drittvergleich nicht standhalte. Für eine nachträgliche «Glättung» der Margen auf eine solche von durchschnittlich noch 1.2 % über die drei Jahre 2016 bis 2018 bestehe keine Rechtsgrundlage. Insbesondere verweisen sie auf das in Art. 58 DBG (bzw. § 59 StG) statuierte Periodizitätsprinzip. Mehrjahresdaten seien zwar – nicht zuletzt mit Blick auf die höhere Datenqualität – beizuziehen bei der Vergleichbarkeitsanalyse. Bezüglich der Ergebnisse erfolge jedoch keine Durchschnittsbetrachtung in dem Sinne, dass es einem Unternehmen offenstehe, seine Ergebnisse nachträglich in der Mehrjahresbetrachtung künstlich nach unten zu korrigieren. Dies gelte umso mehr, wenn die Verrechnungspreise vergangener Jahre im Veranlagungsverfahren thematisiert und für drittvergleichskonform befunden worden seien (vgl. insbes. act. 5, 9, 14, 16).
4.2 Die Steuerpflichtige bestreitet nicht, dass die im Jahr 2018 ausgewiesene Marge von -21.8 % – für sich genommen – einem Drittvergleich nicht standhält. Sie beruft sich darauf, die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien erlaubten die Verwendung von Mehrjahresdaten für die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise. Daraus folgert sie, es müsse lediglich über einen Zeitraum von drei Jahren eine Rendite mindestens im untersten Quartilsbereich gemäss einer anerkannten Transferpreisstudie erzielt werden. In wirtschaftlicher Hinsicht verweist sie darauf, es hätten in gewissen Märkten die Transferpreise nur mit Verzögerung angepasst werden können, wodurch sich Verzerrungen ergeben hätten. Ausserdem beruft sie sich darauf, sie hätte im Jahr 2018 viele grössere Produkte mit einer Haltbarkeitsdauer von drei Jahren verkauft; einige der Produkte seien zyklisch und es dauere in bestimmten Märkten bis zu 28 Monate, den Bestand zu verkaufen. Schliesslich ist sie der Auffassung, das sogenannte Totalgewinnprinzip habe dem Periodizitätsprinzip grundsätzlich vorzugehen (act. 1 S. 4 ff., act. 12).
5.
5.1 Festzuhalten ist zunächst, dass die massgeblichen rechnerischen Grundlagen, insbesondere bezüglich der heranzuziehenden Drittvergleichsmarge, vorliegend nicht bestritten sind und zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass geben. Weiterungen in dieser Hinsicht erübrigen sich demnach. Es kann auf die Ausführungen von Steuerverwaltung und ESTV sowie auch auf die von der Steuerpflichtigen eingereichte Transferpreisstudie (Rek-act. 3) verwiesen werden.
5.2 Die Steuerpflichtige reduzierte offenbar in den Jahren 2016 und 2017 schrittweise ihre Tätigkeiten und Funktionen, bis sie ihre Aktivitäten – nach eigenem Bekunden – schliesslich im Jahre 2018 gänzlich einstellte zugunsten einer Konzentration bei anderen Konzerngesellschaften. Eine Mehrjahresbetrachtung der konkreten Erträge der Jahre 2016 bis und mit 2018 scheidet aber zum vornherein aus, wenn und soweit die Tätigkeit in den Jahren 2016 und 2017 (noch) weiter ging als diejenige im Jahr 2018 (vgl. dahingehend auch die Stellungnahme der ESTV vom 15. August 2023, act. 16 S. 4). Darauf lassen die Äusserungen der Steuerpflichtigen gegenüber der Steuerverwaltung schliessen, worin diese insbesondere wiederholt von einer graduellen Reduktion sprach und bis und mit dem Jahr 2017 denn auch noch Margen von ca. 3 % bis 5 % ausdrücklich als ihrer Tätigkeit und ihrem Risikoprofil angemessen bezeichnete (vgl. StV-act. 2, 5 ff.; 10 S. 2; sowie vorstehend E. 3.2).
5.3 Darüber hinaus wäre aber auch – bei grundsätzlicher Vergleichbarkeit – die Berufung auf den Mehrjahresdurchschnitt der realisierten Erträge nicht statthaft, um damit die Festlegung der gruppeninternen Verrechnungspreise dergestalt festzusetzen, dass damit im Durchschnitt stets eine Marge am untersten Ende der akzeptierten, einem Drittvergleich standhaltenden, Bandbreite resultierte: Solches zuzulassen widerspräche dem Grundanliegen des Verrechnungspreisrechts, das gerade darauf abzielt, dass jede Unternehmenseinheit besteuert werden soll entsprechend der wirtschaftlichen Substanz, die sie in der Wertschöpfungskette beisteuert, und zwar jedes Jahr aufs Neue. Insbesondere räumt – in den zutreffenden Worten der ESTV – «die Anwendung von Verrechnungspreismethoden den Steuerpflichtigen kein Recht ein, unter Missachtung des Periodizitätsprinzips eigenmächtig wahlweise in einzelnen Steuerperioden Anpassungen ihres steuerbaren Gewinns vorzunehmen, um geltend gemachte Überbesteuerungen in anderen Steuerperioden nachträglich zu kompensieren» (act. 9 S. 3). Es ist mit Blick auf das im Schweizer Steuerrecht geltende Periodizitätsprinzip unzulässig, nachträgliche Margenglättungen vorzunehmen unter Einbezug von Vorjahren, in denen ebenfalls bereits (höhere) drittvergleichskonforme Margen erzielt wurden (vgl. im Detail auch die technische Analyse der ESTV, StV-act. 11 S. 11). Inwiefern daran etwas ändern sollte, dass «zivilrechtliche Forderungen mit einer Frist von fünf Jahren nachträglich eingefordert werden (absolute Verjährungsfrist zehn Jahre)», wie dies die Rekurrentin beschwerdeweise vorträgt (act. 1 S. 3), erschliesst sich nicht, zumal ihre Ausführungen zu ihrem Geschäftsgang im Jahr 2018 sich nach wie vor in Allgemeinplätzen erschöpfen, ohne konkrete, nachvollziehbare Erklärung für den massiven Einbruch der Marge im Jahr 2018. Dies bestärkt wiederum den Schluss, dass letztere gezielt aus steuerlichen Überlegungen reduziert wurde. Zu keinem anderen Resultat führt, dass offenbar gewisse verwandte Dienstleistungserbringer – gemäss einer im Auftrag der Muttergesellschaft der Steuerpflichtigen durch D. erarbeiteten Transferpreisstudie (Rek-act. 3 S. 3 f.) – ihrerseits behaupteterweise drittvergleichskonforme argen erzielten, vermag dies doch nicht zu erklären, weshalb die Steuerpflichtige die entsprechenden Leistungen überhaupt noch bezog, wenn sich ihre Geschäftstätigkeit auf ein Minimum an Aktivität während nur noch weniger Monate des Jahres beschränkte und weshalb bezüglich der bezogenen Leistungen zudem nachträglich verschiedene «transfer price adjustments» zu ihren Lasten verbucht wurden (zur Betrachtung aus dem Blickwinkel der Steuerpflichtigen vgl. bereits oben E. 2.1).
5.4 Damit legt die Steuerpflichtige auch keine ausserordentlichen Umstände dar, die ihr plötzlich deutlich negatives Ergebnis zu erklären und als drittvergleichskonform zu rechtfertigen vermöchten. Die negative Marge ist nicht mit einer Abwicklung und Einstellung der Aktivitäten im Jahr 2018 erklärt, ebenso wenig wie mit Besonderheiten der osteuropäischen Märkten (vgl. im Detail hierzu die Auseinandersetzung der ESTV mit Stellungnahme vom 15. August 2024, act. 16 S. 3). Aus dem Gesagten folgt, dass die überhöhten Einkaufspreise und in der Saldobilanz verbuchten «transfer price adjustments» (vgl. StV-act. 4, S. 15 der Saldobilanz) bei verbundenen Gesellschaften so anzupassen sind, dass die Steuerpflichtige jedenfalls eine minimale fremdübliche operative Zielmarge erreicht. Dies führt zur von der Steuerverwaltung vorgenommenen Gewinnaufrechnung in Höhe von Fr. 8'922'473.–, welche denn auch betragsmässig von der Steuerpflichtigen nicht beanstandet wird. Mit der Aufrechnung lediglich auf den untersten noch drittvergleichskonformen Quartilswert wird der wirtschaftlichen Freiheit der Steuerpflichtigen Rechnung getragen, der es grundsätzlich freisteht, eine operative Zielmarge festzulegen, die so lange auch steuerlich anzuerkennen ist, als die gewählte Marge dem Drittvergleich standhält.
(…)
Urteil des Verwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2024 A 2023 1
Vollständiges Urteil auf der Entscheiddatenbank https://verwaltungsgericht.zg.ch