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Art. 697h aOR

Regeste:

Art. 697h aOR – Gestützt auf Art. 697h Abs. 2 aOR müssen Aktiengesellschaften den Gläubigern, die ein schutzwürdiges Interesse nachweisen, Einsicht in die Jahresrechnung, die Konzernrechnung und die Revisionsberichte gewähren. Ein Gläubiger, der gestützt auf Art. 697h Abs. 1 aOR gegenüber einer Gesellschaft Einsicht verlangt, hat sowohl seine Gläubigerstellung als auch ein schutzwürdiges Interesse nachzuweisen. Es reicht nicht aus, die Anspruchsvoraussetzungen bloss glaubhaft zu machen. Der Beweis gilt als erbracht, wenn die Voraussetzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen.

Aus den Erwägungen:

2. Wie der Gesuchsteller zutreffend ausführt, hat das Parlament am 23. Dezember 2011 das neu gefasste Recht der kaufmännischen Buchführung und Rechnungslegung verabschiedet, welches am 1. Januar 2013 in Kraft trat. Dadurch wurde der hier interessierende Art. 697h aOR durch Art. 958e OR ersetzt. Da die neuen Bestimmungen allerdings erstmals Anwendung für das Geschäftsjahr finden, das zwei Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung beginnt (Art. 2 Abs. 1 der Übergangsbestimmungen des Bundesgesetzes über die Änderung des OR [Rechnungslegungsrecht]), ist Art. 697h aOR vorliegend nach wie vor massgebend. Gemäss dessen Abs. 1 ist eine Aktiengesellschaft verpflichtet, die Jahresrechnung und die Konzernrechnung nach Abnahme durch die Generalversammlung mit den Revisionsberichten offenzulegen, wenn sie Anleihensobligationen ausstehend hat oder die Aktien der Gesellschaft an einer Börse kotiert sind. Die übrigen Aktiengesellschaften unterliegen keiner besonderen Offenlegungspflicht. Nach Abs. 2 von Art. 697h aOR müssen sie jedoch den Gläubigern, die ein schutzwürdiges Interesse nachweisen, Einsicht in die Jahresrechnung, die Konzernrechnung und die Revisionsberichte gewähren. Die Einsicht vollzieht sich am Sitz der Gesellschaft. Eine Aushändigung der Unterlagen kann der Gläubiger nicht verlangen. Weigert sich die Gesellschaft, dem Gesuch nachzukommen, so entscheidet der Richter am Sitz der Gesellschaft (Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. A., Zürich/ Basel/Genf 2009, § 12 N 222). Der Gesuchsteller, der gegenüber einer Gesellschaft Einsicht verlangt, die den Kapitalmarkt nicht in Anspruch nimmt, hat mithin grundsätzlich sowohl seine Gläubigerstellung als auch ein schutzwürdiges Interesse nachzuweisen. Da dem Entscheid über das Einsichtsrecht, auch wenn er im summarischen Verfahren erfolgt, materielle Rechtskraft zukommt, reicht es nicht aus, die Anspruchsvoraussetzungen bloss glaubhaft zu machen (BGE 120 II 352 E. 2b S. 355). Dennoch gilt es zu beachten, dass die Rechtsdurchsetzung nicht an Beweisschwierigkeiten scheitern darf, die typischerweise bei bestimmten Sachverhalten auftreten (vgl. BGE 130 III 321 E. 3.2 S. 324; 128 III 271 E. 2b/aa S. 275), weshalb der Gesuchsteller seine Gläubigerstellung nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht strikte zu beweisen hat, sondern der Beweis als erbracht gilt, wenn diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgewiesen ist. Andernfalls könnte die Gesellschaft die Durchsetzung des Einsichtsrechts einfach durch Bestreitung der Forderung des gesuchstellenden Gläubigers verhindern (BGE 137 III 255 E. 4.1.2 S. 275 mit weiteren Hinweisen). Dieses Beweismass gilt nach der Rechtsprechung grundsätzlich auch mit Bezug auf das schutzwürdige Interesse (Urteil des Bundesgerichts 4C.129/2004 vom 6. Juli 2004 E. 4.2.1; 4C.222/1994 vom 1. Dezember 1994 E. 4a, in: SJ 1995 S. 306 f.).

3. Die Vorinstanz erachtete die Gläubigereigenschaft des Gesuchstellers als gegeben. Es sei unbestritten, dass die Parteien in einem Vertragsverhältnis gestanden seien. Aus diesem Vertrag mache der Gesuchsteller eine Forderung von CHF 201'246.55 gegenüber der Gesuchsgegnerin geltend. Diese Forderung habe der Gesuchsteller beim Kantonsgericht Zug eingeklagt, werde aber von der Gesuchsgegnerin vollumfänglich bestritten. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die klägerische Forderung tatsächlich ausgewiesen sei, könne im summarischen Verfahren nicht geklärt werden. Diese Frage werde vielmehr im Zivilprozess A3 2012 54 beantwortet werden. Immerhin sei aber erstellt, dass der Gesuchsteller für die Gesuchsgegnerin entgeltliche Leistungen erbracht habe. Zudem habe die Gesuchsgegnerin dem Gesuchsteller einen (nicht unterzeichneten) Vorschlag zur Schuldenregelung unterbreitet, gemäss welchem die Gesuchsgegnerin dem Gesuchsteller CHF 185'595.90 schulden solle und sie ihm eine Summe von CHF 40'000.– per Saldo aller Ansprüche offeriere. Ob der Rechtsvertreters des Gesuchstellers mit der Einreichung dieses Dokuments gegen die Standesregeln verstossen habe, wie dies die Gesuchsgegnerin behaupte, sei nicht im vorliegenden Verfahren zu entscheiden und ändere vor allem nichts daran, dass die Gesuchsgegnerin dem Gesuchsteller tatsächlich eine solche Offerte unterbreitet habe. Aufgrund dieser Sachlage sei die Gläubigereigenschaft des Gesuchstellers im Sinne von Art. 697h Abs. 2 aOR nachgewiesen.

3.1 Dagegen wendet die Gesuchsgegnerin ein, die Vorinstanz habe die Gläubigerstellung einzig gestützt auf GS-Beilage 6 bejaht. Dabei habe die Vorinstanz nicht berücksichtigt, dass die Gesuchsgegnerin die Forderung des Gesuchstellers immer bestritten habe, dass GS-Beilage 6 keine Schuldanerkennung enthalte und überdies nicht unterschrieben sei. Ebenfalls unberücksichtigt geblieben sei sodann die unbestrittene Akonto-Zahlung von CHF 65'000.–. Der Gesuchsteller müsste als «mit hoher Wahrscheinlichkeit» nachweisen, dass er der Gesuchsgegnerin entgeltliche Leistungen im Gegenwert von mehr als CHF 65'000.– erbracht habe. Dies gelinge ihm bei Weitem nicht. Die Vorinstanz habe aufgrund des Gesagten die Gläubigerstellung des Gesuchstellers zu Unrecht bejaht und damit das Recht verletzt (vgl. Art. 310 lit. a ZPO).

3.2 Die von der Gesuchsgegnerin unbestrittenermassen geleisteten Akonto-Zahlungen im Betrag von total CHF 65'000.– erfolgten offenbar in den Jahren 2010 und 2011. Wenn die Gesuchsgegnerin nun sinngemäss geltend macht, damit seien die getätigten Aufwendungen des Gesuchstellers bereits abgegolten, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr hat die Gesuchsgegnerin dem Gesuchsteller am 30. März 2012 eine (nicht unterzeichneten) Vereinbarung betreffend Schuldenregelung unterbreitet, gemäss welcher sie Letzterem CHF 185'595.90 schulden soll. Dabei offerierte die Gesuchsgegnerin dem Gesuchsteller CHF 40'000.– per Saldo aller Ansprüche. Im Gegenzug hätte der Gesuchsteller auf den Restbetrag verzichten müssen, was er jedoch mit Schreiben vom 5. April 2012 abgelehnt hat. Somit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit erstellt, dass die Gesuchsgegnerin dem Gesuchsteller nebst den bereits getätigten Akonto-Zahlungen einen weiteren Betrag schuldet, ansonsten sie dem Gesuchsteller keine solche Offerte unterbreitet hätte. Dass die Vereinbarung betreffend Schuldenregelung nicht unterzeichnet ist, spielt dabei keine Rolle. Aus den Akten ergibt sich zudem, dass die Forderung des Gesuchstellers erst am 8. Mai 2012 bestritten worden ist (GS-Beilage 13), also nachdem der Gesuchsteller das Angebot der Gesuchsgegnerin ausgeschlagen hatte. Aufgrund dieser Sachlage ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass die Gläubigereigenschaft des Gesuchstellers im Sinne von Art. 697h Abs. 2 aOR nachgewiesen ist.

4. Zu prüfen bleibt also, ob der Gesuchsteller auch ein schutzwürdiges Interesse nachgewiesen hat. Dabei genügt es, wie erwähnt, dass dieses Interesse in hohem Masse glaubhaft gemacht ist.

4.1 Wann ein vom Gesuchsteller geltend gemachtes Interesse als schutzwürdig zu betrachten ist, kann nicht abschliessend umschrieben werden. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der Umstände zu entscheiden, ob eine Interessenlage vorliegt, die eine Einsichtnahme des Gläubigers in die – ansonsten vertraulichen – Unterlagen im konkreten Fall rechtfertigt. Nicht ausreichend ist zunächst ein allgemeines Interesse, das sich aus dem blossen Umstand der Gläubigereigenschaft ergibt, zumal Art. 697h Abs. 2 aOR mit dem Nachweis des schutzwürdigen Interesses ausdrücklich eine zusätzliche Voraussetzung vorsieht. Der Gesuchsteller hat vielmehr konkret aufzuzeigen, wozu ihm die durch die beantragte Einsicht gewonnene Information dienen soll. Nicht schützenswert wäre etwa eine Einsichtnahme lediglich zur Befriedigung der Neugierde, zur Kenntnisnahme von Geschäftsgeheimnissen (soweit dies aufgrund des beschränkten Umfangs der Einsicht überhaupt denkbar ist) oder zur Auskundschaftung von Konkurrenzverhältnissen. Demgegenüber liegt ein berechtigtes Einsichtsinteresse vor, wenn die Forderung gefährdet erscheint, also nicht fristgerecht beglichen wird, oder wenn andere Anzeichen vorliegen, die auf finanzielle Schwierigkeiten hindeuten (Botschaft vom 23. Februar 1983 über die Revision des Aktienrechts, BBl 1983 912; zit. Urteil 4C.129/2004 E. 4.2.1). Dabei muss der gesuchstellende Gläubiger nicht etwa Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft, geschweige denn die Uneinbringlichkeit seiner Forderung beweisen, ansonsten das Einsichtsrecht nach Art. 697h Abs. 2 aOR, das letztlich dem Gläubiger dient, regelmässig zu spät greifen und damit seinen Zweck verfehlen würde. Vielmehr muss ausreichen, wenn er konkrete Umstände nachweist, die sein Informationsbedürfnis in objektiver Hinsicht als schutzwürdig erscheinen lassen. Dazu sollte es genügen, wenn die auf konkreten Anzeichen beruhenden Zweifel des Gläubigers an der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft als begründet zu erachten sind und sich nur durch die Einsicht in Jahresrechnung bzw. Konzernrechnung und Revisionsberichte (gegebenenfalls) beseitigen lassen. Bei der Beurteilung des schützenswerten Interesses an der Einsichtnahme sind demnach keine allzu strengen Massstäbe anzuwenden (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 913). Als schutzwürdig zu betrachten ist die Einsichtnahme auch regelmässig nach Einleitung eines nicht offensichtlich aussichtslosen Forderungsprozesses gegen die Gesellschaft (Botschaft, a.a.O., S. 913; zit. Urteil 4C.129/2004 E. 4.2.1; Weber, in: Basler Kommentar OR II, 4. A., Basel 2012, Art. 697h N 7) oder bereits nachdem konkrete Schritte im Hinblick auf eine Klageeinreichung unternommen worden sind (Urteil des Bundesgerichts 4C.244/1995 vom 17. November 1995 E. 3c). Auch wenn solche Umstände keine Schlüsse hinsichtlich der Einbringlichkeit der Forderung zulassen, ist die Einsichtnahme unmittelbar auf die Beurteilung der finanziellen Verhältnisse der Schuldnerin gerichtet und erlaubt dem klagenden Gläubiger die Abschätzung des Kostenrisikos. Dem Gläubiger kann ein schützenswertes Interesse daran, zunächst die Zahlungsfähigkeit der schuldnerischen Gesellschaft zu prüfen, bevor er allenfalls weitere Mittel für die Durchsetzung seiner Forderung aufwendet, kaum abgesprochen werden. Auch bei einer solchen Konstellation bedarf es jedoch einer Interessenabwägung im konkreten Fall. Bei einer blossen Bagatellforderung etwa wird ein schützenswertes Interesse an einer vorhergehenden Einsichtnahme tendenziell eher zu bezweifeln sein (vgl. Peter V. Kunz, Transparenz für den Gläubiger der Aktiengesellschaft, SJZ 99/2003 S. 59 f.). Ebenso wenig würde die Einleitung eines Prozesses mit dem blossen Zweck, Einsicht in die Geschäftsunterlagen des Prozessgegners zu erlangen, einen Einsichtsanspruch begründen (BGE 137 III 255 E. 4.1.3 S. 259).

4.2 Die Vorinstanz erachtete das schutzwürdige Interesse des Gesuchstellers zu Recht als gegeben. Angesichts der Kosten, die beim bereits eingeleiteten Forderungsprozess anfallen, der sich möglicherweise über mehrere Instanzen hinziehen kann, hat der Gesuchsteller ein legitimes Interesse daran, abschätzen zu können, ob er im Fall des Obsiegens überhaupt mit der Befriedigung seiner Forderung rechnen kann. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche darauf hindeuten könnten, der Forderungsprozess des Gesuchstellers sei aussichtslos. Die Gesuchsgegnerin hat zudem keine Umstände aufgezeigt, aus denen auf eine zweckwidrige Einsicht in die nach Art. 697h Abs. 2 aOR vorgesehenen Unterlagen zu schliessen wäre.

4.3 Der Gesuchsteller hat mithin sowohl seine Gläubigerstellung als auch ein schutzwürdiges Interesse nachgewiesen, weshalb ihm gemäss Art. 697h Abs. 2 aOR grundsätzlich Einsicht in die Jahresrechnung und die Revisionsberichte zu gewähren ist.

Obergericht, II. Zivilabteilung, 21. August 2013

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