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13 Aurora, das Bett aus dem Schulzimmer

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Das Bett aus dem Schulzimmer

Theorie trifft Praxis: Die Matratzen- und Bettenfabrik Roviva hat Studenten der Höheren Schule für Technik und Gestaltung Zug beauftragt, ein Bett zu konzipieren. 24 Vorschläge hat die Klasse vorgelegt. Das Siegerbett «Aura» von Sandro Halter wird nun der Öffentlichkeit präsentiert.


Ihr Geschäft ist der gesunde Schlaf. Seit über 250 Jahren stellt Roviva Roth & Cie AG in Wangen an der Aare hochwertige Unterlagen für schöne Träume her – die Stärke des Unternehmens. Ein Schwachpunkt waren bisher die Bettgestelle. Zusammen mit den Matratzen bildeten sie ungleiche Paare. «Eine hochwertige Matratze gehört in ein gleichwertiges Bettgestell, das sowohl qualitativ als auch vom Design zu unseren Matratzen passt», sagt Betriebsleiter Andreas Stübe.

Roviva entschied sich dafür, einen neuen, radikalen Weg einzuschlagen, alle Bettgestelle aus dem Programm zu nehmen und durch ein einziges auserlesenes Modell zu ersetzen. «Unser Ziel war es, dem Fachhandel ein Bett anzubieten, das von höchster Qualität ist und Raum für individuelle Gestaltung lässt», sagt Stübe. Ein Baukastensystem sollte dem Kunden ermöglichen, zwischen verschiedenen Holzarten, Kopfteilen, Höhen und Grössen sowie Nacht- tischen zu wählen. Das Traditionshaus Roviva hatte klare Vorstellungen vom perfekten Partner für seine Matratzen. Aus massivem Holz sollte das Bettgestell sein, aber nicht rustikal, sondern schlicht und zeitlos und aus natürlichen Rohstoffen in der Schweiz hergestellt.

Teamarbeit von Schule und Industrie

Aber wie sollte das gelingen? Wer könnte die Ideen umsetzen? Ein Engagement eines berühmten Designers stand von Anfang an ausser Frage. «Der finanzielle Aufwand zahlt sich in einem relativ kleinen Markt wie der Schweiz nicht aus», erklärt Stübe. Zudem hatte die Matratzen- und Bettenfabrik keine hochfliegenden Entwürfe im Sinn. Vielmehr schwebte ihr ein Partner vor, der von der Basis kommt und sich mit der Verarbeitung von Holz auskennt.

Mit diesem Anliegen wandte sich Roviva an den Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM). Dieser brachte das Familienunternehmen mit der Höheren Fachschule für Technik und Gestaltung Zug (HFTG) zusammen. Die Lehrstätte – eine Division der baugewerblichen Berufsschule Zug – ist erfahren in praxisbezogener Projektarbeit. «Die Kooperation mit der Industrie gehört zu unserer Kultur», sagt Schulleiter Philipp Etter. «Häufig fragen uns Firmen an, die einen Innovationsschub auslösen möchten, aber nicht über die nötigen Ressourcen verfügen.»

Roviva ist kein Präzedenzfall

Die Studenten der HFTG haben in der Regel bereits einen Beruf in der Holzverarbeitungsbranche erlernt, wenn sie in Zug eine zweijährige Vollzeitausbildung zum Techniker und Gestalter absolvieren.

Gleich zu Beginn des Studiums werden die Schuleinsteiger ins kalte Wasser geworfen und erhalten im Rahmen einer ersten Semesterarbeit einen Vorgeschmack auf die zukünftige Arbeitswelt. Im August 2015 erläuterte Philipp Etter 24 frisch immatrikulierten Studenten den Auftrag der Firma Roviva. Marktrecherche, Konzeption, Kalkulation, Entwurf, Erstellen einer Dokumentationsmappe und ein straffer Fahrplan forderten den Studenten viel ab. Nur knapp vier Monate Zeitbudget stand ihnen zur Verfügung vom Kick-off im August bis zum fertigen Produkt Ende Jahr.

Im Unterricht dreht sich alles um den Auftrag. «Wir bauen den Lernstoff um ihn herum», sagt Etter. Die im Schulzimmer vermittelte Theorie wird im Projekt unmittelbar in die Praxis umgesetzt – zum Beispiel Methoden kreativen Arbeitens. «Sie lernen, wie man durch Kombinieren, Umkehren, Ersetzen oder Verändern bestehender Formen neue bilden kann», sagt Etter. Dieses Wissen ist hilfreich, etwa bei der Entwicklung der Designideen. Auch das Fach «Kalkulation» wird im Lehrplan mitunter vorverlegt. «Es ist erst im 2. und 3. Semester vorgesehen, aber die Schüler benötigen zumindest die Grundlagen, damit sie die Kostenaufstellung für das Projekt erstellen können», erklärt Etter. In der Werkstatt, im Erdgeschoss der Schule, fertigen die Studenten schliesslich an den Maschinen, was sie zuvor am Schreibtisch konzipiert haben.

Wettlauf gegen die Zeit

Viel Lernstoff in kurzer Zeit, der Umgang mit noch ungewohnten Programmen wie dem CAD-Vectorworks, der Druck des Auftraggebers – hatte Roviva keine Bedenken, den Auftrag in die Hände unerfahrener Studenten zu geben? «Eine anfängliche Nervosität hat sich nach den ersten Entwürfen gelegt und im November, als das erste Bett fertig war, schliesslich ganz in Luft aufgelöst», sagt Andreas Stübe. Auch Philipp Etter hatte keine schlaflosen Nächte. «Als ich vor drei Jahren erstmals eines dieser Projekte geleitet habe, wusste ich nicht, worauf es hinausläuft. Das ist heute anders», sagt er. Bei der grossen Auswahl finde sich immer mindestens ein überzeugendes Konzept. Aus den 24 Vorschlägen kürte die Roviva-Jury das Modell «Aura» von Sandro Halter zum Sieger. «Das elegante Design, eine Mischung aus Tradition und Innovation, gefiel uns, genauso wie die anspruchsvolle Verarbeitungstechnologie, durch die sich das Bett deutlich von einem Industrieprodukt abhebt», erklärt Stübe. Im Sortiment erhältlich sind Kernesche, Kernbuche, Eiche, Esche, amerikanischer Nuss- und Kirschbaum und weitere Holzarten auf Anfrage. Daneben hat der Kunde die Wahl zwischen unterschiedlich gefrästen Kopfteilen und einem offenen oder geschlossenen Nachttisch. Je nach Ausführung bewegt sich der Preis für das Bett zwischen 2800 und 4500 Franken.

Der Produzent mischt mit

Den Erfolg des Projekts führt Andreas Stübe auf die intensive und professionelle Teamarbeit zwischen dem Auftraggeber, der Hochschule und dem Produzenten, der Möbelfabrik von Rickenbach in Muotathal, zurück. «Das Zusammenspiel klappte von der Ideenentwicklung bis zur Umsetzung hervorragend», sagt er. Dass der Hersteller in einer frühen Phase zum Projekt stiess, sieht er als besonders gewinnbringend.

«So konnten wir konstruktive Schwachpunkte und Probleme in nützlicher Frist lösen.» Der Produzent im Herzen der Schweiz bringt weitere Vorteile für Roviva: Weil die Betten nur auf Bestellung hergestellt werden, ist das Unternehmen nicht länger auf grosse Lagerräume angewiesen, und dank kurzer Transportwege betragen die Lieferzeiten nur vier bis sechs Wochen.

Jeder Student ein Sieger

An der Heimtextsuisse, der Fachmesse für Inneneinrichtung, hatte das Bettensystem «Aura» im Januar seinen ersten öffentlichen Auftritt. Jetzt geht es auf Tour und wird an weiteren Ausstellungen und bei ausgewählten Fachhändlern präsentiert. Auch für den jungen Gestalter Sandro Halter ist die Reise hier noch nicht zu Ende.

«Wir sehen viele Möglichkeiten, das Bett weiterzuentwickeln, speziell im Bereich Kopfteilgestaltung, und Sandro Halter wird seine Ideen einbringen können», sagt Andreas Stübe. Für Sandro Halter, der eben erst die Ausbildung begonnen hat, ist die Zusammenarbeit mit Roviva ein erster grosser Karriereschritt. «Je mehr solche Referenzen ein Gestalter hat, desto besser», sagt Schulleiter Philipp Etter.

Aber sät der Wettbewerb nicht Missgunst zwischen den Studenten? Etter verneint. Auch diese Situation sei der Realität abgeschaut. «Wer eine Offerte eingibt, ist immer einer unter vielen. Im Umgang mit solchen Situationen ist Professionalität gefragt, die aber einen freundschaftlichen Austausch unter Kollegen nicht ausschliesst.»

Der Erfolg des Siegers steht für Etter indes nicht im Vordergrund. «Jeder einzelne Student zieht unglaublich viel aus dem Projekt. Mein Job ist es, ihnen das Wissen zu vermitteln, das sie zur Teilnahme am Wettbewerb befähigt, und sie während des Prozesses zu begleiten.» Das Projekt Roviva ist abgeschlossen. Und 24 Erstsemestrige haben bereits einmal den steinigen Weg von der Vision eines Projekts bis zu seiner Verwirklichung zurückgelegt.

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