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Art. 315 Abs. 1 ZGB und Art. 314 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 442 Abs. 5 ZGB
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Art. 439 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB i.V.m. § 58 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 EG ZGB
Art. 439 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB i.V.m. § 58 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 EG ZGB; § 20 Abs. 3 GO
Art. 450e Abs. 5 ZGB; Art. 29 BV

Art. 580 ff. ZGB

Regeste:

Art. 580 ff. ZGB – Öffentliches Inventar. Beistandsentschädigungen und  Gebühren für Amtshandlungen im Kindes- und Erwachsenenschutz sind als  öffentlich-rechtliche Forderungen zu betrachten und deren unterlassene Anmeldung im öffentlichen Inventar bewirkt keine Befreiung der Erben.

Aus dem Sachverhalt:

Für A bestand eine altrechtliche kombinierte Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft. Nach seinem Tod am 28. September 2013 traten die beiden Söhne B und C die Erbschaft unter öffentlichem Inventar an. Mit Entscheid vom 1. April 2014 genehmigte die KESB den Schlussbericht und die Schlussrechnung der Beiständin und setzte Fr. 400.– als Entschädigung für die Mandatsführung für die Dauer vom 1. Januar bis 28. September 2013 zulasten des Nachlassvermögens fest. Ebenfalls zulasten des Nachlassvermögens erhob die KESB eine Entscheidgebühr in der Höhe von Fr. 410.–. B erhob am 24. April 2014 Beschwerde beim Verwaltungsgericht und wies unter anderem darauf hin, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Forderungen der KESB nicht im Zuge des öffentlichen Inventars eingereicht worden seien. Da er die Erbschaft gemäss öffentlichem Inventar vom 17. Dezember 2013 angenommen habe, müsse er nachträglich eingereichte Forderungen nicht begleichen.

Aus den Erwägungen:

(...)

3. Die Erbschaft wurde gemäss Erbenbescheinigung vom 15. Januar 2014 unter öffentlichem Inventar angetreten.

3.1 Beim öffentlichen Inventar im Sinne von Art. 580 ff. ZGB handelt es sich um ein Verzeichnis über die Aktiven und Passiven einer Erbschaft (Daniel Abt, in: Peter Breitschmid/Alexandra Rumo-Jungo, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Erbrecht, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2012, Art. 580 ZGB N 1). Jeder Erbe, der die Erbschaft ausschlagen kann, ist berechtigt, innert eines Monats ein öffentliches Inventar zu verlangen (Art. 580 Abs. 1 und 2 ZGB). Die zuständige Behörde vollzieht anschliessend einen Rechnungsruf, in welchem Gläubiger und Schuldner aufgerufen werden, ihre Forderungen und Schulden anzumelden (Art. 582 Abs. 1 ZGB). Nach Abschluss des Inventars können die Erben die Erbschaft ausschlagen, die amtliche Liquidation verlangen oder die Erbschaft unter öffentlichem Inventar antreten (Art. 588 Abs. 1 ZGB). Übernimmt ein Erbe die Erbschaft unter öffentlichem Inventar, so gehen die im Inventar verzeichneten Schulden und Vermögenswerte des Erblassers auf den Erben über (Art. 589 Abs. 1 ZGB). Für diese Schulden haftet der Erbe sowohl mit der Erbschaft als auch mit seinem eigenen Vermögen (Art. 589 Abs. 3 ZGB). Gläubigern, deren Forderungen nicht in das Inventar aufgenommen wurden, weil sie deren Anmeldung versäumt haben, sind die Erben weder persönlich noch mit der Erbschaft haftbar. Haben Gläubiger die Anmeldung der Forderung ohne eigene Schuld unterlassen, haftet der Erbe, soweit er aus der Erbschaft bereichert ist (Art. 590 Abs. 1 und 2 ZGB).

In diesem Zusammenhang ist auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen, wonach keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Vorschriften der Art. 589 und 590 ZGB generell auch öffentlich-rechtliche Forderungen betreffen würden (BGE 102 Ia 483 Erw. 5c). Es müsse nämlich beachtet werden, dass das ZGB die zivilrechtlichen Verhältnisse regle und dass die zivilrechtlichen Normen dem Betroffenen auch in anderen Bereichen keinen abschliessenden Überblick über die Rechtslage verschaffen würden. Er müsse stets beachten, ob daneben öffentlich-rechtliche Verpflichtungen und Beschränkungen bestünden (Erw. 6b/aa). Die Art. 589 und 590 ZGB würden gemäss dem Ziel und Zweck des ZGB ausschliesslich zivilrechtliche Verpflichtungen betreffen (Erw. 6b/cc). Die Regelung, ob und unter welchen Bedingungen öffentlich-rechtliche Forderungen auf Erben übergehen bzw. insbesondere ob diese Forderungen in ein öffentliches Inventar anzumelden sind, um ein Untergehen beim Tod des Erblassers zu verhindern, bleibt somit dem öffentlichen Recht vorbehalten. So schliesst das öffentliche Recht die Art. 589 und 590 ZGB entweder ausdrücklich aus, behält diese vor oder schweigt sich darüber aus (Kurt Wissmann, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, Art. 589 N 5). Ein Beispiel für einen ausdrücklichen Vorbehalt ist Art. 43 der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 31. Oktober 1947 (AHVV), der zwar die solidarische Haftung der Erben für die vom Erblasser zu seinen Lebzeiten geschuldeten AHV-Beiträge vorsieht, jedoch neben Art. 566 ZGB (Ausschlagung) und Art. 593 ZGB (amtliche Liquidation) auch Art. 589 ZGB ausdrücklich vorbehält. Dies hat zur Folge, dass eine unterlassene Anmeldung einer AHV-Forderung im öffentlichen Inventar die Erben befreit. Schweigt sich das öffentliche Recht dagegen aus, so kommen die Art. 589 und Art. 590 ZGB nicht zur Anwendung und die Erben haften auch für die im Inventar nicht angemeldeten öffentlich-rechtlichen Forderungen an den Erblasser. Das Inventar gibt den Erben somit nur über den Status betreffend privatrechtlicher Verhältnisse zuverlässig Auskunft (Wissmann, a.a.O., Art. 589 N 6).

3.1.1 Beistände haben Anspruch auf eine angemessene Entschädigung und auf Ersatz der notwendigen Spesen aus dem Vermögen der betroffenen Person. Bei Berufsbeiständen fällt diese Entschädigung an den Arbeitgeber (Art. 404 Abs. 1 ZGB). Paragraf 47 Abs. 3 EG ZGB wiederholt die gleichen Bestimmungen aus dem ZGB (Abs. 1) und delegiert den Erlass einer Gebührenordnung über die Entschädigung und den Spesenersatz an den Regierungsrat. In Wahrnehmung seiner Kompetenz erliess der Regierungsrat die Verordnung über Entschädigung und Spesenersatz bei Beistandschaften und Vormundschaften vom 18. Dezember 2012 (VESBV, BGS 213.52). Paragraf 4 VESBV regelt die pauschale Entschädigung, währenddem die Entschädigung nach Zeitaufwand Gegenstand von § 5 VESBV ist. Dabei handelt es sich um die Entschädigung der Kosten, die dem Staat durch die Organisation der Dienstleistung entstehen (Botschaft des Bundesrats zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7051). Die Entschädigungen der Beistände sind somit ohne weiteres als öffentlich-rechtliche Forderungen zu betrachten. Da sich im Zusammenhang mit der Beistandsentschädigung weder den massgebenden Rechtsnormen noch der entsprechenden Rechtsprechung ein Vorbehalt bzw. die Anwendbarkeit von Art. 589 und 590 ZGB entnehmen lässt, kommen die erwähnten Artikel nicht zur Anwendung und die unterlassene Anmeldung der erwähnten Entschädigung im öffentlichen Inventar bewirkt keine Befreiung der Erben.

3.1.2 Gemäss § 57 Abs. 1 EG ZGB richten sich die Gebühren für Amtshandlungen im Kindes- und Erwachsenenschutz unter Vorbehalt von Abs. 2 und 3 nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz und dem Verwaltungsgebührentarif. Nach Abs. 3 kann in begründeten Fällen auf die Kostenerhebung verzichtet werden. Paragraf 4 Abs. 1 Ziff. 38 des Verwaltungsgebührentarifs sieht für Amtshandlungen «anderer kantonaler Behörden und Amtsstellen» für andere Verwaltungsentscheide, Bewilligungen, Genehmigungen, Kontrollen und Dienstleistungen aller Art Gebühren zwischen Fr. 50.– und Fr. 2400.– vor. Bei Gebühren handelt es sich um ein Entgelt für Amtshandlungen oder für die Benützung einer öffentlichen Einrichtung und soll die Kosten, welche dem Gemeinwesen dadurch entstanden sind, ganz oder teilweise decken (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 2626). Gebühren sind als öffentlich-rechtliche Forderung zu betrachten. Da sich im Zusammenhang mit der Festlegung der Beistandsentschädigung weder den massgebenden Rechtsnormen noch der entsprechenden Rechtsprechung ein Vorbehalt bzw. die Anwendbarkeit von Art. 589 und 590 ZGB entnehmen lässt, kommen die erwähnten Artikel nicht zur Anwendung und die unterlassene Anmeldung der erwähnten Gebühr im öffentlichen Inventar bewirkt keine Befreiung der Erben.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. August 2014 F 2014 24

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