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Aus der Praxis der Datenschutzstelle

Vorbemerkungen

Adress- und Stimmberechtigungsbekanntgabe zum Versand von Abstimmungshilfen

Regeste:

§ 5 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 Bst. a bis c DSG sowie § 4 Abs. 5 WAG und § 8 WAG – Weder das DSG noch das WAG lassen die  Bekanntgabe von Namen und Adressen der 18- bis 25-jährigen Stimmberechtigten des Kantons Zug an den Dachverband Schweizer Jugendparlamente zum Versand der «Easyvote» Abstimmungshilfen zu.

Aus dem Sachverhalt:

Ziel des Projekts «Easyvote» des Dachverbands Schweizer Jugendparlamente (DSJ) ist die Erhöhung der Abstimmungs- und Wahlbeteiligung von jungen Wählerinnen und Wählern. Zu diesem Zweck erstellt Easyvote einfach verständliche, neutrale Informationen als Abstimmungshilfen. Kantone und Gemeinden können die Abstimmungshilfen gegen Entgelt «abonnieren». Der Versand der Unterlagen wird vom DSJ in Zusammenarbeit mit einer Druckerei erledigt. Im Rahmen der Abklärungen über die Möglichkeit eines Easyvote-Abonnements für den Kanton Zug stellte sich die Frage, ob die Zuger Gemeinden Namen und Adressen ihrer 18- bis 25-jährigen Stimmberechtigten dem DSJ bzw. der Druckerei für den Versand der Unterlagen bekannt geben dürfen. Der DSB wurde vom zuständigen kantonalen Amt um eine Stellungnahme gebeten.

Aus den Erwägungen:

1. «Öffentliche Personendaten»

Der Anfrage an den DSB lag ein Dokument mit dem Titel «Datenschutz von Easyvote» bei. In einer Tabelle wurden darin Ausführungen zu den verschiedenen Kategorien von Personendaten gemacht. Zu «Kategorie 4» war zu lesen: «Öffentliche Personendaten. Alle Daten, die in einem Register enthalten sind, das gemäss gesetzlichen Bestimmungen öffentlich ist, wie beispielsweise Name, Vorname, Adresse etc.» Weiter wurde ausgeführt: «Der DSJ erhält von KundInnen, welche den Versand über die Druckerei organisieren, folgende Angaben über die Zielgruppe in Form einer Excel-Tabelle: Name, Vorname und Postadresse (Strasse, PLZ, Ort). [...]» Der DSJ erhalte somit «[...] lediglich Personendaten der Kategorie 4 (öffentliche Personendaten) [...]».

Dazu hielt der DSB fest, dass es sich bei Namen und Adressen der 18- bis 25-jährigen Stimmberechtigten, die im Kanton Zug gemeldet sind, nicht um «öffentliche Personendaten» handelt. Dies aus folgenden Gründen: Die Stimmregister der Einwohnergemeinden sind lediglich insofern öffentlich, als sie den Stimmberechtigten selbst zur Einsicht offen stehen. Art. 4 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (SR 161.1) und § 4 Abs. 5 des Gesetzes über die Wahlen und Abstimmungen (WAG; BGS 131.1) lauten identisch: «Das Stimmregister steht den Stimmberechtigten zur Einsicht offen». Sinn und Zweck dieser Bestimmungen liegen darin, dass die Stimmberechtigten einen Anspruch auf die richtige Zusammensetzung des Stimmkörpers haben. Dazu können sie - vor Ort - überprüfen, ob sie selbst im Stimmregister eingetragen sind und ob bestimmte andere Personen eingetragen oder nicht eingetragen sind. Eine andere Funktion ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann es nicht darum gehen, das Stimmregister als Quelle für den Bezug von Daten über die Stimmberechtigten zu benutzen. Wer Einsicht in das Stimmregister nimmt, erhält deshalb keine Auszüge und darf auch keine Abschriften von Daten anderer Stimmberechtigter machen. Auf Verlangen erhält man nur eine Kopie des eigenen Eintrages. Dieses Recht ergibt sich auch gestützt auf § 13 DSG. Die Abgabe von Listen oder Auszügen aus den Stimmregistern hingegen ist weder auf Bundes- noch auf Kantonsebene vorgesehen und daher unzulässig.

Der DSB wies auch darauf hin, dass die Stimmberechtigung an das Kantons- bzw. an das Schweizer Bürgerrecht anknüpft (§ 27 Abs. 2 Verfassung des Kantons Zug; BGS 111.1). Das Stimmregister gibt somit auch Auskunft über die Nationalität der darin geführten Personen. Angaben zur Nationalität sind im Rahmen einer Auskunft aus dem Einwohnerregister indessen lediglich insofern «öffentliche Personendaten», als dass die Einwohnerkontrollen diese gemäss § 8 Abs. 2 Bst. b DSG Dritten ausschliesslich gestützt auf begründete Einzelauskunftsgesuche bekannt geben dürfen.

2. Voraussetzungen der Datenbekanntgabe

Personendaten dürfen bearbeitet werden, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht, wenn es zur Erfüllung einer in einer gesetzlichen Grundlage umschriebenen Aufgabe unentbehrlich ist, wenn die betroffene Person im Einzelfall ausdrücklich eingewilligt hat oder ihre Einwilligung nach den Umständen offensichtlich vorausgesetzt werden kann (§ 5 Abs. 1 DSG).

§ 8 WAG bzw. Art. 11 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte enthalten je abschliessende Aufzählungen betreffend den Inhalt des Stimmmaterials. Der Versand von «Parallelunterlagen» neben dem amtlichen Stimm- und Wahlmaterial ist gesetzlich nicht vorgesehen und deshalb für die Behörden äusserst problematisch (vgl. Antwort des Regierungsrates des Kantons Bern vom 29. Mai 2013 auf die Interpellation Haas, Nr. 248-2012 [RRB Nr. 679/2013]).

Eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen liegt nicht vor. Auch wenn das Anliegen von Easyvote berechtigt sein mag: bei einem Massenversand an alle Jungwählerinnen und -wähler kann nicht von einer vermuteten Einwilligung «im Einzelfall» ausgegangen werden.

Hinzu kommt, dass Personendaten nur für Zwecke bearbeitet werden dürfen, die bei der Beschaffung angegeben worden, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen sind (§ 4 Bst. c DSG). Die Einwohnerkontrollen erheben und bearbeiten Namen, Adressen und Stimmberechtigung der Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinden einerseits gemäss den Bestimmungen über die Registerharmonisierung und andererseits nach den einschlägigen bundesrechtlichen und kantonalen Erlassen betreffend Wahlen und Abstimmungen. Die Verwendung der Einwohnerregister- bzw. der Stimmregisterdaten für den Versand von Easyvote Abstimmungshilfen würde somit grundsätzlich eine Zweckänderung darstellen, die für die Betroffenen nicht transparent ist.

3. Fazit

Weder das DSG noch das WAG lassen eine Bekanntgabe der Adressen der Jungwählerinnen und -wähler an den DSJ zu.

4. Lösungsansätze

Der DSB schlug folgende Lösungsansätze vor:

a) Es steht dem Kanton bzw. den Gemeinden frei, die Easyvote Abstimmungshilfen mit separater Post selbst an die jungen Stimmberechtigten zu verschicken, wobei die Vereinbarkeit dieses Vorgehens mit Blick auf § 8 Abs. 1 WAG zu prüfen ist. Nicht versendet werden dürfen die Unterlagen an Adressen, die nach § 9 DSG gesperrt sind.

b) Denkbar wäre auch, dass der Kanton bzw. die Gemeinden den Versand der Abstimmungshilfen an die Druckerei auslagern, mit der Easyvote zusammenarbeitet. In diesem Fall würde es sich um ein ausgelagertes Bearbeiten von Daten nach § 6 DSG handeln, dessen Vorgaben einzuhalten wären. Die Datenbekanntgabe an die Druckerei müsste verschlüsselt erfolgen, so sie elektronisch vorgenommen werden sollte. Nach § 9 DSG gesperrte Adressen dürften nicht an die Druckerei weitergeleitet werden. Zudem müsste jede Person, die im Rahmen des Versands der Easyvote Abstimmungshilfen die bekanntgegebenen Personendaten bearbeitet, zuhanden jeder Einwohnergemeinde eine Datenschutzverpflichtung ausfüllen und unterzeichnen (der DSB legte hierzu eine Vorlage bei). Auch hier müsste allerdings die Vereinbarkeit mit § 8 Abs. 1 WAG geprüft werden.

5. Zusätzlicher Hinweis

Der DSB wies im Übrigen darauf hin, dass Nationalrätin Céline Amaudruz am 17. März 2014 ein Postulat eingereicht hatte, in dem sie verlangte, dass der Bund www.easyvote.ch auf dem offiziellen Abstimmungsbüchlein erwähne oder die «Easyvote Abstimmungshilfe» allen Wählerinnen und Wählern im Couvert mit den offiziellen Abstimmungsunterlagen zukommen lasse (Postulat 14.3104). Es stellte sich somit aus Sicht des DSB die Frage, ob die Beantwortung des Postulats durch den Bund abzuwarten wäre.

Am 14. Mai 2014 beantragte der Bundesrat die Ablehnung des Postulats.

Der Regierungsrat des Kantons Zug beschloss seinerseits, auf den Versand der Easyvote Abstimmungshilfen zu verzichten.

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