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Verwaltungspraxis

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Aus der Praxis der Datenschutzstelle

Vorbemerkungen

Adress- und Stimmberechtigungsbekanntgabe zum Versand von Abstimmungshilfen

Bekanntgabe der Tatsache der Sozialhilfebedürftigkeit an Verwandte

Regeste:

§ 4 Abs. 1 Bst. b i.V. m. § 5 Abs. 2 DSG sowie § 23 und § 24 SHG – Die  Bekanntgabe der Tatsache der Sozialhilfebedürftigkeit durch einen Mitarbeiter einer gemeindlichen Sozialbehörde an den Vater des Sozialhilfeempfängers ohne vorgängige Information des Sozialhilfeempfängers verstösst einerseits gegen den Grundsatz, dass Daten in der Regel bei der betroffenen Person zu beschaffen sind, und andererseits gegen die Bestimmung im Sozialhilfegesetz, wonach die Sozialbehörden Auskünfte bei Dritten in der Regel erst nach Orientierung des Betroffenen einholen dürfen.

Aus dem Sachverhalt:

Ein Sozialhilfeempfänger wurde durch Gemeinderatsbeschluss zur Rückerstattung von bezogener Sozialhilfe verpflichtet. Der Sozialhilfeempfänger bestritt die Forderung zwar nicht, machte aber in seiner Beschwerde an den Regierungsrat sinngemäss geltend, die Forderung sei mit seinen Schadenersatz- und Genugtuungsansprüchen gegenüber der Sozialbehörde zu verrechnen. Die Ansprüche begründete er damit, dass die Sozialbehörde seine Persönlichkeitsrechte verletzt habe. Er warf der Behörde insbesondere vor, dass sie – ohne ihn vorgängig informiert zu haben – seinem Vater bekanntgegeben habe, dass er (der Sohn) sozialhilfebedürftig sei. Der betreffende Brief der Sozialbehörde an den Vater habe jahrelange familiäre Streitigkeiten und Psychoterror verursacht.

Die instruierende Direktion wandte sich für eine Stellungnahme zu verfahrens- und datenschutzrechtlichen Fragen an den DSB. Die Hinweise des DSB wurden im Antrag der instruierenden Direktion zuhanden des Regierungsrates nur teilweise übernommen. Der DSB gelangte in der Folge mit einer Stellungnahme direkt an den Regierungsrat als Beschwerdeinstanz.

Aus den Erwägungen:

Dem DSB lag nur der Antrag der instruierenden Direktion vor, er verfügte über keinerlei weitere Aktenkenntnis. Der DSB gab gestützt darauf die folgenden Hinweise:

1. Verfahren

Gegenüber der instruierenden Direktion verwies der DSB auf § 25 Abs. 2 DSG. Diese Bestimmung sieht vor, dass im Verfahren um Feststellung der Widerrechtlichkeit einer Datenbearbeitung gleichzeitig über die geltend gemachten Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche zu entscheiden ist. Beschwerdeführer können somit diesbezüglich nicht einfach auf das Verfahren gemäss Verantwortlichkeitsgesetz (BGS 154.11) verwiesen werden.

2. Datenbeschaffung/Datenbekanntgabe

Daten sind grundsätzlich bei der betroffenen Person zu beschaffen (§ 4 Bst. b DSG). Diese Bestimmung leitet sich aus dem Grundsatz ab, dass eine Datenbearbeitung für die betroffene Person transparent erfolgen muss.

Das Sozialhilfegesetz (SHG; BGS 861.4) verpflichtet Personen, die um Unterstützung nachsuchen, über ihre Verhältnisse wahrheitsgetreu Auskunft zu geben und die zur Abklärung erforderlichen Unterlagen einzureichen. Erhebliche Änderungen in ihren Verhältnissen müssen sie unverzüglich melden (vgl. § 23 Abs. 1 und 2 SHG).

Auskunfts- und Meldepflichten im Sozialhilferecht sind zwar einerseits Mitwirkungspflichten, ohne deren Erfüllung kein Anspruch auf Sozialhilfe besteht. Andererseits entsprechen diese Pflichten aber gerade auch dem im Datenschutzrecht verankerten Prinzip der Transparenz, wonach Daten bei der betroffenen Person zu erheben sind.

Angaben über Massnahmen der sozialen Hilfe gehören zu den «besonders schützenswerten» Personendaten (§ 2 Bst. b DSG). Organe dürfen besonders schützenswerte Personendaten dann bearbeiten, wenn eine ausdrückliche formell-gesetzliche Grundlage dies vorsieht, wenn es für eine in einem formellen Gesetz umschriebene Aufgabe offensichtlich unentbehrlich ist oder wenn die betroffene Person im Einzelfall ausdrücklich eingewilligt hat (§ 5 Abs. 2 DSG).

Nimmt die Sozialbehörde im Rahmen einer Prüfung der Verwandtenunterstützung Kontakt mit Verwandten auf, so gibt sie mit dieser Handlung die Tatsache, dass eine Person um Sozialhilfe nachsucht, bekannt. Die Bekanntgabe von Daten stellt eine Form der Datenbearbeitung dar (§ 2 Bst. c und d DSG). Weil hier besonders schützenswerte Personendaten bekannt gegeben werden, müssen die Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 DSG erfüllt sein.

§ 23 Abs. 3 SHG enthält für die Datenbearbeitung im Sozialhilfebereich folgende, allgemeine Vorgaben: «Die Sozialbehörden sind berechtigt, nötigenfalls bei Dritten Auskünfte einzuholen, in der Regel nach Orientierung des Betroffenen.». Das heisst, dass a) Auskünfte bei Dritten nur eingeholt werden dürfen, wenn diese anders nicht erhältlich sind («nötigenfalls») und b) die/der Betroffene - als Regel – vorher zu orientieren ist. Das Einholen von Auskünften ohne vorherige Orientierung ist klar als Ausnahme von der Regel zu verstehen. Es müssen mithin besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer eine vorgängige Orientierung ausgeschlossen werden muss bzw. aufgrund derer sich eine Ausnahme von der «Orientierungs-»Regel eindeutig aufdrängt.

§ 24 SHG regelt anschliessend die Verwandtenunterstützung. Danach prüft die Sozialbehörde, ob gemäss Art. 328 und Art. 329 ZGB Verwandte zur Unterstützung des Hilfesuchenden verpflichtet sind. Wo die Voraussetzungen gegeben sind und es die Verhältnisse rechtfertigen, hat sie die Pflichtigen zur Hilfe aufzufordern und zwischen ihnen und dem Hilfesuchenden zu vermitteln.

Bezüglich des Vorgehens bei der Abklärung der Verwandtenunterstützungspflicht gelten sowohl die datenschutzrechtlichen Vorgaben wie auch jene von § 23 SHG: will die Sozialbehörde Verwandte kontaktieren, muss sie allfällige «Kandidaten» bei der um Sozialhilfe nachsuchenden Person in Erfahrung bringen und diese - als Regel - vor der tatsächlichen Kontaktaufnahme entsprechend orientieren.

Im vorliegenden Fall war unbestritten, dass die Sozialbehörde den Vater des Beschwerdeführers im Rahmen der Verwandtenunterstützung kontaktiert hatte, ohne den Beschwerdeführer vorgängig darüber orientiert zu haben. Falls die Sozialhilfebehörde nicht pflichtgemäss geprüft hatte, ob eine Ausnahme von der in § 23 SHG statuierten Regel vorlag, hatte sie mit ihrem Vorgehen die Vorgaben des SHG und mithin auch des DSG verletzt. Aus den Akten ging nicht hervor, dass diese Prüfung vorgenommen worden war. Der DSB ging deshalb davon aus, dass das Vorgehen der Sozialbehörde widerrechtlich war.

3. Ergänzungen

Der DSB wies ergänzend auf die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) hin. Gerade weil bekannt ist, dass die Geltendmachung von Verwandtenunterstützung schwere innerfamiliäre Konflikte und Krisensituationen auslösen kann, halten die Richtlinien fest: «Es ist sinnvoll, Beiträge von Verwandten auf Grund gegenseitiger Absprachen zu erzielen, wobei stets die Auswirkungen auf die Hilfesuchenden und auf den Hilfsprozess mit zu bedenken sind.»

Auch das vom Sozialamt der Direktion des Innern des Kantons Zug aktuell empfohlene Vorgehen sieht vor, dass die Sozialhilfe beziehende Person im Rahmen der Abklärung der Bedürftigkeit über die Prüfung der Verwandtenunterstützung zu informieren ist und dass Adressen der in Frage kommenden Verwandten bei der betreuten Person selber zu beschaffen sind (vgl. «Handbuch Sozialhilfe» Direktion des Innern, Sozialamt, Ausgabe Mai 2013, S. 69).

Auch dem Zuger Gesetzgeber scheint bekannt zu sein, dass Abklärungen von Verwandtenunterstützungspflichten bei Familienangehörigen zu heiklen Situationen führen können. Er hat deshalb im Steuergesetz ausdrücklich eine Bestimmung erlassen, die es den schweizerischen Sozialdiensten erlaubt, direkt bei der Zuger Steuerverwaltung abzuklären, ob sich Familienangehörige in finanziellen Verhältnissen befinden, die eine Verwandtenunterstützungspflicht auslösen könnten (vgl. § 108 Abs. 4 Bst. c Steuergesetz; BGS 632.1).

4. Fazit

Gestützt auf die Aktenlage war die Kontaktaufnahme mit dem Vater des Beschwerdeführers nach Einschätzung des DSB rechtswidrig. Ob unter Würdigung der gesamten Umstände des Falles tatsächlich Schadenersatz- bzw. Genugtuungsansprüche zu berücksichtigen waren, musste der DSB nicht beurteilen.

Sowohl der Regierungsrat wie auch das Verwaltungsgericht schlossen sich im Ergebnis der Auffassung des DSB an. Auf die Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche traten beide Instanzen aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht ein.

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