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Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 117 ZPO

Regeste:

Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 117 ZPO – Ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege kann für eine juristische Person ausnahmsweise dann bestehen, wenn ihr einziges Aktivum im Streit liegt und neben ihr auch die wirtschaftlich Beteiligten mittellos sind. Zusätzlich muss ein öffentliches und allgemeines Interesse an der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zur Weiterexistenz der juristischen Person ausgewiesen sein,

Aus den Erwägungen:

1. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat nach Art. 29 Abs. 3 BV Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (ebenso die praktisch gleichlautende Bestimmung von Art. 117 ZPO).

1.1 Die Regelung von Art. 29 Abs. 3 BV ist auf natürliche Personen zugeschnitten. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können juristische Personen grundsätzlich weder die unentgeltliche Prozessführung noch eine Verbeiständung beanspruchen; sie sind nicht arm oder bedürftig, sondern bloss zahlungsunfähig oder überschuldet und haben in diesem Fall die gebotenen gesellschafts- und konkursrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Juristische Personen verfügen deshalb – wie grundsätzlich auch die Konkurs- oder Nachlassmasse – über keinen bundesrechtlichen Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung. Ausnahmsweise kann ein solcher Anspruch allenfalls dann bestehen, wenn das einzige Aktivum einer juristischen Person im Streit liegt und neben ihr auch die wirtschaftlich Beteiligten mittellos sind (vgl. BGE 143 I 328 E. 3.1 m.w.H.). Die Frage, ob positiv zu verlangen sei, dass ein öffentliches und allgemeines Interesse an der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zur Weiterexistenz der juristischen Person zusätzlich ausgewiesen werde, hat das Bundesgericht bislang offengelassen (vgl. BGE 143 I 328 E. 3.3). Diese Frage ist indes zu bejahen, weil die unentgeltliche Rechtspflege – wie bereits erwähnt – auf natürliche Personen zugeschnitten ist und in erster Linie die Unterstützung in einer persönlichen Notlage bezweckt. Demgegenüber handelt es sich bei den juristischen Personen um künstliche, aus Zweckmässigkeitsgründen zugelassene Schöpfungen; ihre rein wirtschaftlichen Interessen sollen daher nicht auf Kosten der Allgemeinheit verfolgt werden können, ausser es gäbe besondere Gründe dafür, so. z.B. die Erfüllung von Aufgaben der Allgemeinheit, die Rettung einer Vielzahl von Arbeitsplätzen etc. Jedenfalls muss ausser den wirtschaftlich Beteiligten ein erheblich weiterer Personenkreis betroffen sein (vgl. Jent-Sørensen, in: Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], Kurzkommentar ZPO, 2. A. 2014, Art. 117 ZPO N 7 m.H.; Emmel, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. A. 2017, Art. 117 ZPO N 2; Bühler, Berner Kommentar, 2012, Vorbemerkungen zu Art. 117-123 ZPO N 31; Urteil des Obergerichts Zürich PF130055-O/U vom 10. März 2014 E. 4.a; Urteil des Obergerichts Solothurn ZKBES.2015.172 vom 5. Februar 2016 E. 4.4, in : CAN 2-16 Nr. 31 S. 82 ff.).

1.2. Als juristische Person hat die Klägerin grundsätzlich keinen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Ein öffentliches oder allgemeines Interesse, welches eine Ausnahme rechtfertigen könnte, besteht vorliegend nicht: Die Klägerin erfüllt offenkundig weder Aufgaben der Allgemeinheit, noch ist ersichtlich, inwiefern vom vorliegend zu fällenden Entscheid – ausser der Klägerin, ihren Organen sowie allenfalls ihren Geschäftspartnern und Kunden – ein grösseren Personenkreis betroffen sein könnte. Die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege läuft somit keinen Allgemeininteressen zuwider, was allein schon zur Abweisung des Gesuches führt. Hinzu kommt, dass das vorliegende Verfahren nicht das einzige Aktivum der Klägerin betrifft, sondern die Abwehr der von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche bezweckt. Mithin fehlt es auch unter diesem Aspekt an einer Voraussetzung, die es ausnahmsweise erlauben könnte, der Klägerin als juristischer Person die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen. Das Gesuch ist daher in jedem Fall abzuweisen und es kann offenbleiben, ob die Klägerin tatsächlich nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und/oder ihr Begehren als aussichtslos erscheint.

[...]

Obergericht, I. Zivilabteilung, Präsidialverfügung, 5. April 2018 (Z1 2018 3 / VA 2018 33)

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