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Art. 12 lit. a BGFA
Art. 12 lit. a BGFA / Art. 28 Abs. 1 Schweizerische Standesregeln (SSR
§ 21 Abs. 1 BeurkG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 BeurkG
Regeste:
Prüfungspflichten einer Urkundsperson bei der öffentlichen Beurkundung einer Universalversammlung einer Aktiengesellschaft (E. 3)
Aus den Erwägungen:
2. Die Pflichten einer Urkundsperson sind im Beurkundungsgesetz geregelt. Gemäss § 13 Abs. 1 BeurkG hat sich die Urkundsperson über die Identität und Handlungsfähigkeit der vor ihr erscheinenden Personen zu vergewissern und die Vollmacht allfälliger Vertreterinnen und Vertreter zu prüfen. Dies gilt sinngemäss ebenso bei Beurkundungen von Versammlungsbeschlüssen (§ 21 Abs. 1 BeurkG).
3. Nach der in GVP 2003 S. 248 ff. begründeten Praxis der Aufsichtskommission war die Urkundsperson verpflichtet, bei der öffentlichen Beurkundung einer Generalversammlung einer Aktiengesellschaft die Aktionärseigenschaft und die gültige Vertretung der Aktionärinnen und Aktionäre zu überprüfen, wobei sich der Umfang dieser Prüfungspflicht nach den konkreten Umständen im Einzelfall richtete. Anlässlich der Teilrevision des Beurkundungsgesetzes hielten der Regierungsrat und das Obergericht im Bericht und Antrag vom 3. Dezember 2013 dafür, diese Prüfungspflicht gesetzlich zu verankern. Gemäss dem vorgeschlagenen § 21a E BeurkG war die Urkundsperson verpflichtet, das Vorhandensein derjenigen Eigenschaften, die die erklärende Person zur Abgabe einer Erklärung oder zur Vornahme einer Rechtshandlung befähigt, wie namentlich die Organstellung, die Aktionärseigenschaft und die gültige Vertretung der Aktionärinnen und Aktionäre bei der Universalversammlung zu prüfen (Vorlage Nr. 2328.1 – 14528 S. 22 f.). An der der 2. Lesung beschloss der Kantonsrat indes, § 21a E BeurkG ersatzlos zu streichen (Protokoll des Kantonsrats vom 11. Dezember 2014 Ziffer 1254 S. 2964 f.). Der Gesetzgeber hob damit implizit auch die von der Aufsichtskommission in GVP 2003 S. 248 ff. begründete Prüfungspflicht auf. Seit der Verabschiedung der Teilrevision durch den Kantonsrat und dem Inkrafttreten des revidierten Beurkundungsgesetzes am 1. April 2015 darf die Urkundsperson für die Durchführung einer Universalversammlung somit ohne weitere Prüfung auf die Feststellung des Vorsitzenden der Generalversammlung abstellen, gemäss welcher das gesamte Aktienkapital vertreten sei. Liegen jedoch Hinweise dafür vor, dass diese Feststellung nicht zutrifft, ist die Urkundsperson gestützt auf § 13 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 BeurkG allerdings verpflichtet, den Sachverhalt zu klären. Unter diesen Umständen lebt die Prüfungspflicht der Urkundsperson wieder auf. Unterbleiben in einem solchen Fall Abklärungen, liegt eine Verletzung der Sorgfaltspflichten gemäss § 10b BeurkG vor.
Aufsichtskommission über die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, 19. November 2024 (AK 2024 4)