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Nichtigkeit eines Zwischenentscheides betreffend vorsorgliche Massnahmen infolge funktioneller Unzuständigkeit des entscheidenden Organs und gravierender Verletzung der Ausstandsregeln

§ 17 VRG

Regeste:

§ 17 VRG – Die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme setzt voraus, dass dringliche Vorkehrungen nötig sind, um gefährdete Interessen zu schützen (Erw. II.1). Der rechtzeitige Beginn einer angestrebten Ausbildung stellt ein gewichtiges privates Interesse an der vorsorglichen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks Schulbesuchs dar (Erw. II.6.1). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gebietet jedoch, die vorsorgliche Erteilung der Aufenthaltsbewilligung mit Bedingungen und Auflagen zu verknüpfen (Erw. II.6.3).

Aus dem Sachverhalt:

A.  B. B., geb. (…), Staatsangehörige der Philippinen, lebt derzeit in M. (Philippinen) und besucht dort eine High School (Grade 11). Am 20. März 2024 reichte sie bei der schweizerischen Botschaft in Manila persönlich ein Gesuch um Erteilung eines Visums für den langfristigen Aufenthalt in der Schweiz (Visum D) zwecks Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Schulbesuchs bei der in Z. ansässigen X. ein. Sie begründete ihr Gesuch damit, dass sie mit einem Schulbesuch der X. (Grade 11 und 12) die Möglichkeit hätte, am renommierten Schulsystem der Schweiz zu partizipieren sowie verschiedene Kulturen und Menschen kennenzulernen. Sie sehe darin eine einmalige Chance und einen Weg zu ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung. Ausserdem hätte sie durch die vorgesehene Unterbringung bei ihrer Tante T. R. in Z. die Gelegenheit, mit ihrer Familie zusammen zu sein. Der schweizerische Botschafter übermittelte das Gesuch am 2. April 2024 an das Amt für Migration des Kantons Zug (AFM).

B.  Am 15. April 2024 teilte das AFM den Eltern von B. B. mit, dass es beabsichtige, das Gesuch ihrer Tochter abzulehnen und erteilte ihnen dazu das rechtliche Gehör. Am 25. April 2024 nahmen B. B. und ihre Eltern dazu Stellung und reichten zusätzliche Unterlagen ein. Mit Verfügung vom 1. Mai 2024 lehnte das AFM das Gesuch von B. B. um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Schülerin ab. Es begründete dies damit, dass B. B. nicht dargelegt habe, aus welchen Gründen der Besuch der X. erforderlich sei und welche akademischen Ziele sie damit verfolge. Es deute alles darauf hin, dass ihr Hauptziel die Wohnsitznahme bei ihrer Tante T. R. sei. Namentlich beabsichtige sie, während ihres Aufenthalts in der Schweiz die Betreuung ihrer 4-jährigen Cousine zu übernehmen und sich um den Haushalt zu kümmern. Somit diene der Besuch der X. lediglich dazu, die Vorschriften über die Zulassung und den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern zu umgehen.

C. Gegen diese Verfügung erhob B. B. (nachfolgend: Beschwerdeführerin), vertreten durch ihre Eltern (…), diese vertreten durch Rechtsanwalt C. D. und Rechtsanwältin E. F. (…), mit Eingabe vom 21. Mai 2024 beim Regierungsrat des Kantons Zug Verwaltungsbeschwerde. Sie beantragte, die Verfügung des AFM vom 1. Mai 2024 sei aufzuheben und es sei ihr eine Aufenthaltsbewilligung als Schülerin zu erteilen. Eventualiter sei die Verfügung aufzuheben und das Verfahren zur Neuentscheidung im Sinne der Erwägungen an das AFM zurückzuweisen. Zudem sei ihr die Aufenthaltsbewilligung als Schülerin vorsorglich zu erteilen. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des AFM, in Bezug auf die Parteientschädigung zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer. Ferner stellte die Beschwerdeführerin die prozessualen Anträge, es seien die Akten des vorinstanzlichen Verfahrens beizuziehen und es sei ihr, falls der Entscheid vom Vorliegen einer Verpflichtungserklärung abhängig gemacht werde, eine Frist zur Einreichung der entsprechenden Erklärung anzusetzen.

(…)

Aus den Erwägungen:

(…)

 1. Die Behörde kann zur Erhaltung des Zustands oder zur Sicherung bedrohter rechtlicher Interessen vorsorgliche Massnahmen treffen (§ 17 VRG). Zum einen muss die Anordnung der Massnahme dringlich sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Endentscheid nicht sofort gefällt werden kann, aber bestimmte Vorkehrungen nötig sind, um gefährdete Interessen zu schützen. Ferner muss die Massnahme der Erreichung eines legitimen Ziels dienen. Dies bedeutet, dass die Massnahme daraus ausgerichtet sein muss, wichtige öffentliche oder private Interessen vor schweren, nicht wiedergutzumachenden Nachteilen zu schützen. Schliesslich muss die Massnahme verhältnismässig sein. Sie muss sich zur Abwehr eines drohenden oder bereits eingetretenen Nachteils eignen und darf nicht darüber hinausgehen, was zur Wahrung der gefährdeten Interessen erforderlich ist (vgl. Regina Kiener, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl. 2014, N. 16 zu § 6).

2.1 Die Beschwerdeführerin stützt ihren Antrag auf vorsorgliche Erteilung der Aufenthaltsbewilligung auf Art. 17 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration vom 16. Dezember 2005 (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20), wonach die zuständige kantonale Behörde den Aufenthalt während eines laufen­den Bewilligungsverfahrens gestatten kann. Sie bringt zur Begründung ihres Antrags auf vorsorgliche Erteilung der Aufenthaltsbewilligung vor, dass sie die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfülle. Es liege eine Bestätigung der Schulleitung vor, wonach die Ausbildung aufgenommen werden könne. Auch stehe eine bedarfsgerechte Unterkunft zur Verfügung. Die notwendigen finanziellen Mittel seien vorhanden. Die persönlichen und bildungsmässigen Voraussetzungen für die Aus- bzw. Weiterbildung seien gegeben. Zudem sei ihre Betreuung sichergestellt. Damit sie mit ihrem Ausbildungsaufenthalt in der Schweiz beginnen könne und nicht noch mehr vom Schulstoff sowie vom (ab dem 1. Mai 2024 geplanten) Akklimatisationsprogramm verpasse, sei ihr die beantragte Aufenthaltsbewilligung vorsorglich zuzusprechen. Die vorsorgliche Bewilligungserteilung könne im Sinne der Verhältnismässigkeit mit der Bedingung verbunden werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle deren späteren Nichterteilung wieder aus der Schweiz ausreisen müsse.

2.2 Das AFM äussert sich zum Antrag auf die vorsorgliche Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Schülerin dahingehend, dass der Beschwerdeführerin ein prozeduraler Aufenthalt im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AIG nur gewährt werden könnte, wenn sie sich bereits in der Schweiz aufhalten würde. Für die Einreise in die Schweiz würde sie ein Visum benötigen. Nach Ansicht des AFM erfülle die Beschwerdeführerin die Bedingungen zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks Schulbesuchs nicht. Daher sei es auch nicht angezeigt, die schweizerische Botschaft in Manila zu ermächtigen, der Beschwerdeführerin ein Visum zur Einreise in die Schweiz auszustellen.

3.1 Gemäss Art. 5 Abs. 1 AIG müssen Ausländerinnen und Ausländer, die in die Schweiz einreisen wollen, insbesondere über ein für den Grenzübertritt anerkanntes Ausweispapier und über ein Visum verfügen, sofern dieses erforderlich ist (Bst a). Zudem benötigen Ausländerinnen und Ausländer für einen Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit von mehr als drei Monaten eine Bewilligung (Art. 10 Abs. 1 Satz 1 AIG). Angehörige von visumpflichtigen Staaten brauchen für ihre Einreise in die Schweiz für einen bewilligungspflichtigen Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit von mehr als drei Monaten, insbesondere als Rentnerinnen und Rentner, als Studierende oder für medizinische Behandlungen, ein nationales Visum der Kategorie D (vgl. Staatssekretariat für Migration SEM, Weisungen AIG vom Oktober 2013 [Stand am 1. Juni 2024], Ziff. 2.3.3.2). Das Visum wird im Auftrag der zuständigen Behörde des Bundes oder der Kantone von der schweizerischen Vertretung im Ausland oder von einer anderen durch den Bundesrat bestimmten Behörde ausgestellt (Art. 6 Abs. 1 AIG). Wird ein Visum D beantragt, sendet die Auslandvertretung das Gesuch zur Überprüfung an das kantonale Migrationsamt weiter. Das kantonale Migrationsamt entscheidet über die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (vgl. SEM, FAQ – Einreise;
https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/themen/einreise/faq.html#-1220344683, besucht am 19. Juni 2024).

3.2 Gestützt auf Art. 27 Abs. 1 AIG können Ausländerinnen und Ausländer für eine Aus- oder Weiterbildung zugelassen werden, wenn die Schulleitung bestätigt, dass die Aus- oder Weiterbildung aufgenommen werden kann (Bst. a), eine bedarfsgerechte Unterkunft zur Verfügung steht (Bst. b), die notwendigen finanziellen Mittel vorhanden sind (Bst. c) und sie die persönlichen und bildungsmässigen Voraussetzungen für die vorgesehene Aus- oder Weiterbildung erfüllen (Bst. d). Bei Minderjährigen muss die Betreuung sichergestellt sein (Art. 27 Abs. 2 AIG). Die notwendigen finanziellen Mittel für eine Aus- und Weiterbildung können namentlich belegt werden durch eine Verpflichtungserklärung sowie einen Einkommens- und Vermögensnachweis einer zahlungsfähigen Person mit Wohnsitz in der Schweiz; Ausländerinnen und Ausländer müssen eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzen (Art. 23 Abs. 1 Bst. a der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 [VZAE; SR 142.201]). Die persönlichen Voraussetzungen (Art. 27 Abs. 1 Bst. d AIG) sind namentlich erfüllt, wenn keine früheren Aufenthalte und Gesuchsverfahren oder keine anderen Umstände darauf hinweisen, dass die angestrebte Aus- oder Weiterbildung lediglich dazu dient, die allgemeinen Vorschriften über die Zulassung und den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern zu umgehen (Art. 23 Abs. 2 VZAE).

4. Die Beschwerdeführerin plant, ihre derzeitige Ausbildung, die sie an einer High School in ihrem Heimatland Philippinen absolviert (Grade 11), an der X. in Z. fortzusetzen und abzuschliessen (Grade 11 und 12). Sie hat eine Aufnahmebestätigung der X. vom 8. März 2024 für das Schuljahr 2023/24 ins Recht gelegt. In diesem Rahmen war ein Akklimatisationsprogramm vom 1. Mai bis zum 19. Juni 2024 vorgesehen (vgl. Schreiben der X. vom 23. April 2024). Zudem hat sie eine Bestätigung der X. über die Bezahlung der Einschreibegebühr und der Kosten für das Schuljahr 2023/2024 (ab März 2024) eingereicht. Während ihres Aufenthalts in der Schweiz beabsichtigt die Beschwerdeführerin bei ihrer Tante T. R. zu wohnen. T. R. ist philippinische Staatsangehörige und verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung B (Entsendung, vorerst befristet auf 32 Monate; gültig ab 27. September 2023). Sie ist bei der S. AG als Marketing Manager angestellt, hat ein Jahreseinkommen von rund 138 000 Franken und erhält zusätzlich ein monatliches Wohngeld von 2320 Franken. Zusammen mit ihrem Ehemann O. R. und der gemeinsamen Tochter S. R. (geb. …) bewohnt sie eine 4-Zimmer-Wohnung in Z. zu einem Brutto-Mietzins von 2450 Franken. T. R. hat mit Schreiben vom 15. März 2024 und vom 18. Mai 2024 bestätigt, dass die Beschwerdeführerin in einem eigenen Zimmer in dieser Mietwohnung leben werde und dass deren Betreuung durch sie und ihren Ehemann sichergestellt sei. Zudem hat sie zugesichert, dass sie für die ungedeckten Kosten ihrer Nichte (Lebensunterhalt, Versicherungen, Unfall- und Krankheitskosten, Transportkosten etc.) während deren Aufenthalt in der Schweiz aufkommen werde. Ebenso werde sie die Kosten für die Rückreise tragen und dafür besorgt sein, dass die Beschwerdeführerin die Schweiz vor Ablauf ihres Visums verlassen werde. Bestandteil des Gesuchs der Beschwerdeführerin ist ferner eine Bestätigung ihrer Tante M. B., worin diese zusichert, die volle Verantwortung für die Ausgaben im Zusammenhang mit dem Aufenthalt der Beschwerdeführerin in der Schweiz (samt Schulkosten) zu übernehmen. M. B. ist ebenfalls philippinische Staatsangehörige, für die Vereinten Nationen tätig und erzielt bei ihrer aktuellen Tätigkeit (UN-Mission im Südsudan) ein Jahreseinkommen von USD 138 000.

5. Es ist unbestritten, dass eine Bestätigung der Schulleitung der X. vorliegt, wonach die Beschwerdeführerin die Ausbildung aufnehmen kann (Art. 27 Abs. 1 Bst. a AIG) und mit einem eigenen Zimmer in der 4-Zimmer-Mietwohnung von T. R. und deren Ehemann eine bedarfsgerechte Unterkunft zur Verfügung steht (Art. 27 Abs. 1 Bst. b AIG). Mit der Wohnsitznahme bei ihrer Tante und ihrem Onkel ist auch die Betreuung der Beschwerdeführerin gewährleistet (Art. 27 Abs. 2 AIG). Es liegt zudem eine Bestätigung der in der Schweiz aufenthaltsberechtigten T. R. samt Übersicht über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse vor. Gestützt darauf kann davon ausgegangen werden, dass die notwendigen finanziellen Mittel für die Ausbildung der Beschwerdeführerin vorhanden sind. Die Beschwerdeführerin hat zudem angeboten, eine Verpflichtungserklärung von T. R. betreffend die Übernahme der in Zusammenhang mit dem Aufenthalt der Beschwerdeführerin anfallenden Kosten einzureichen. Überdies hat mit M. B. eine weitere Tante der Beschwerdeführerin eine Zusicherung zur Übernahme der anfallenden Kosten abgegeben. Auch die Voraussetzung von Art. 27 Abs. 1 Bst. c AIG dürfte somit erfüllt sein. Mit der Aufnahmebestätigung der X. ist nachgewiesen, dass die Beschwerdeführerin die bildungsmässigen Voraussetzungen für die vorgesehene Ausbildung mitbringt. Es sind sodann keine Umstände ersichtlich, die darauf hinweisen würden, dass die angestrebte Ausbildung lediglich dazu dient, die allgemeinen Vorschriften über die Zulassung und den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern zu umgehen. Die Annahme des AFM, dass die Beschwer­deführerin hauptsächlich bezwecken dürfte, bei ihrer Tante Wohnsitz zu nehmen und dabei für die Betreuung ihrer vierjährigen Cousine S. R. und die Haushaltführung zu sorgen, ist nicht nachvollziehbar. Dafür finden sich in den vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich ausgeführt, dass ihre Cousine an drei Tagen pro Woche eine Kindertagesstätte besuche und ihr Onkel derzeit nicht erwerbstätig sei sowie die Kinderbetreuung übernehme. Nachdem sowohl die Einschreibegebühr wie auch die Schulkosten für das Schuljahr 2023/24 bezahlt wurden, ist glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin die Ausbildung an der X. tatsächlich anstrebt. Ferner sehen die Stundenpläne für die Klassen 11 und 12 täglich von 8.30 bis 16.30 Uhr Unterricht (bzw. von 15.30 bis 16.30 Uhr ausserschulische Aktivitäten) vor. Damit wird die Beschwerdeführerin über keine zeitliche Kapazität verfügen, um die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung und die Haushaltführung zu übernehmen. Die Erwägung des AFM, dass es nicht einleuchte, weshalb die Beschwerdeführerin ihre sekundäre Ausbildung in ihrem Heimatland abbrechen und stattdessen vor ihrem Abschluss an der X. ein Schuljahr wiederholen wolle, ist ebenfalls nicht einschlägig. Die Beschwerdeführerin hat ihre Motivation für den Schulbesuch an der X. und die sich daraus eröffnenden Chancen für ihre akademische und berufliche Zukunft in ihrem Gesuch glaubhaft dargelegt. Schliesslich ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Wohnsitznahme der Beschwerdeführerin bei ihrer Tante während des Besuchs der X. zu einer Umgehung des Migrationsrechts führen sollte. Ausserdem haben die Beschwerdeführerin selber wie auch ihre Eltern und T. R. zugesichert, dass die Beschwerdeführerin nach Abschluss ihrer Ausbildung am 19. Juni 2026 die Schweiz wieder verlassen werde. Zusammenfassend ist demnach im Rahmen der vorliegenden summarischen Prüfung entgegen der Auffassung des AFM davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen gemäss Art. 27 AIG erfüllt und ihr eine Aufenthaltsbewilligung zu Ausbildungszwecken erteilt werden kann.

6.1 Die Beschwerdeführerin hat in erster Linie um die vorsorgliche Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ersucht, um am vorgesehenen Akklimatisationsprogramm (1. Mai bis 19. Juni 2024) teilnehmen zu können. Diesbezüglich besteht durch den Zeitablauf inzwischen keine Dringlichkeit mehr. Dennoch ist die zeitliche Dringlichkeit insofern gegeben, als der Schriftenwechsel in der Hauptsache noch nicht abgeschlossen ist und bis zum Beginn des Schuljahres 2024/25 am 22. August 2024 kein rechtskräftiger Entscheid über die Verwaltungsbeschwerde vorliegen wird. Um rechtzeitig mit dem Unterricht im Schuljahr 2024/25 starten zu können, ist die Beschwerdeführerin somit auf die vorsorgliche Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung angewiesen. Die vorsorgliche Massnahme dient dem legitimen Ziel, der Beschwerdeführerin den rechtzeitigen Schulstart zu ermöglichen. Die Beschwerdeführerin hat ein gewichtiges privates Interesse an der vorsorglichen Erteilung der Aufenthaltsbewilligung und es sind keine entgegenstehenden öffentlichen Interessen ersichtlich. Ebenso ist die ersuchte vorsorgliche Massnahme geeignet und erforderlich, damit die Beschwerdeführerin mit der angestrebten Ausbildung an der X. beginnen kann. Das Gesuch um vorsorgliche Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ist somit gutzuheissen.

6.2     Gemäss Art. 17 Abs. 2 AIG kann die zuständige kantonale Behörde den Aufenthalt während des Verfahrens gestatten, wenn die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt sind (sog. prozeduraler Aufenthalt). Diese Regelung bezieht sich auf Ausländerinnen und Ausländer, die für einen vorübergehenden Aufenthalt rechtmässig eingereist sind, nachträglich eine Bewilligung für einen dauerhaften Aufenthalt beantragen und den Entscheid grundsätzlich im Ausland abwarten müssten (Art. 17 Abs. 1 AIG). Es handelt sich dabei um eine spezialgesetzliche vorsorgliche Massnahme, die im vorliegenden Fall jedoch nicht greift, da die Beschwerdeführerin noch nicht eingereist ist und dies nur kann, wenn sie über ein Visum D samt Aufenthaltsbewilligung zwecks Schulbesuchs verfügt. Es besteht indessen auch ohne spezialgesetzliche Regelung eine gesetzliche Grundlage für eine vorsorgliche Massnahme in der materiell-rechtlichen Norm, deren Durchsetzung die vorsorgliche Massnahme bezweckt (vgl. Kiener, a.a.O., N. 9 zu § 6). Der Beschwerdeführerin kann somit gestützt auf Art. 27 AIG vorsorglich eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden.

 

6.3 Das AFM ist somit anzuweisen, die schweizerische Botschaft in Manila zu ermächtigen, der Beschwerdeführerin ein Visum D für die Einreise in die Schweiz auszustellen und ihr vorsorglich eine Aufenthaltsbewilligung zwecks Schulbesuchs im Sinne von Art. 27 AIG zu erteilen. Diese vorsorgliche Massnahme ist jedoch mit Nebenbestimmungen zu verbinden. Die Bewilligungserteilung ist an die Bedingung zu knüpfen, dass die Beschwerdeführerin dem AFM eine Bestätigung der X. für die Aufnahme der Beschwerdeführerin ins Schuljahr 2024/25 und die Bezahlung der Schulkosten für das Schuljahr 2024/25 einzureichen hat. Ferner ist für die Bewilligungserteilung vorauszusetzen, dass die Beschwerdeführerin dem AFM die bereits von ihr angebotene Verpflichtungserklärung von T. R. einreicht (Merkblatt zur Verpflichtungserklärung: https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/themen/einreise/merkblatt_einreise.html, besucht am 19. Juni 2024). Zudem ist dieser Entscheid mit folgenden Auflagen zu verbinden: Zum einen hat die Beschwerdeführerin dem AFM ab Schulbeginn eine monatliche Bestätigung der X. abzugeben, wonach sie den Unterricht gemäss Stundenplan besucht. Auch ist der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, dass sie im Falle einer Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung nach Eintritt derer Rechtskraft umgehend aus der Schweiz ausreisen muss.

Beschluss des Regierungsrats vom 2. Juli 2024

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