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Grundsätzliche Stellungnahmen

Aus der Praxis der Datenschutzstelle

Vorbemerkungen

Bekanntgabe der Aufenthalts- bzw. Zustelladresse von Personen, die sich in einem Heim oder in einer Anstalt befinden

Zur Datenbekanntgabe der Einwohnerkontrolle an private Pensionskassen und Verbandsausgleichskassen

Grundsätzliche Hinweise zum Einsatz von «Dashcams» durch Private

Überprüfen des Wohnsitzes bzw. des Aufenthaltsstatus von SchülerInnen beim Eintritt in eine kantonale Mittelschule

Regeste:

Um abzuklären, ob Schülerinnen und Schüler, die neu in eine kantonale Mittelschule eintreten, ein Schulgeld schulden, ist die Überprüfung des Wohnsitzes grundsätzlich zulässig. Dazu kann das Rektorat von den Erziehungsberechtigten verlangen, dass anlässlich der Anmeldung von Schülerinnen und Schülern mit einer Adresse im Kanton Zug eine Wohnsitzbestätigung beigebracht wird. Dass das Rektorat direkt und ohne Wissen der Erziehungsberechtigten den Wohnsitz überprüft, ist unzulässig. Der (ausländerrechtliche) Aufenthaltsstatus ist dagegen nicht abzuklären, da er für die Aufnahme an eine kantonale Mittelschule nicht relevant ist.

Aus dem Sachverhalt:

Für Schülerinnen und Schüler, die Wohnsitz im Kanton Zug haben, ist der Besuch einer kantonalen Mittelschule kostenlos. Ausserkantonale hingegen müssen grundsätzlich ein Schulgeld bezahlen. Es stellte sich die Frage, ob das Rektorat direkt bei der gemeindlichen Einwohnerkontrolle den Wohnsitz abklären darf. In diesem Zusammenhang fragt es sich ergänzend, wie die Rechtslage bezüglich jugendlichen «Sans-Papiers» ist, da diese nicht bei der Einwohnerkontrolle gemeldet sind.

Aus den Erwägungen:

Bei Informationen über den Wohnsitz einer Person handelt es sich um Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes (DSG, BGS 157.1).

Personendaten sind aus Gründen der Transparenz der Datenbearbeitung grundsätzlich bei der betroffenen Person selber zu beschaffen (vgl. § 4 Bst. b DSG). Muss die Schule in Anwendung von § 9 des Gesetzes über die kantonalen Schulen (Schulgesetz, BGS 414.11) abklären, ob eine Schülerin oder ein Schüler ein Schulgeld schuldet, hat sie die hierzu notwendigen Angaben über den Wohnsitz somit direkt bei den Erziehungsberechtigten einzuholen und nicht bei deren Wohnsitzgemeinde. Dieses Vorgehen ist umso mehr angezeigt, als dass die Schulen unter Umständen gar nicht wissen, welches die Wohnsitzgemeinde der Erziehungsberechtigten ist. Zusätzlich entfällt damit für die Schulen ein erheblicher Abklärungsaufwand.

Der Aufenthaltsstatus (im Sinne der Ausländergesetzgebung) einer Schülerin oder eines Schülers wird zur Abklärung der Frage, ob ein Schulgeld geschuldet ist oder nicht, grundsätzlich nicht benötigt. Die Erziehungsberechtigten müssen somit zur Klärung der Frage, ob ein Schulgeld geschuldet ist, keine Angaben zum Aufenthaltsstatus liefern.

Ergänzend

Sans-Papiers, die sich im Kanton Zug aufhalten, wird es nicht möglich sein, eine Wohnsitzbestätigung beizubringen. In solchen Fällen ist es deshalb an den erziehungsberechtigten Sans-Papiers, deren Kinder eine Zuger Mittelschule besuchen möchten, mit den Schulen das Gespräch zu suchen. Aus den folgenden Überlegungen ist der Anspruch von jugendlichen Sans-Papiers auf eine gymnasiale Ausbildung zu bejahen:

1. Mit der im Dezember 2012 vom Bundesrat beschlossenen Änderung der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) können junge schriftenlose Ausländer ab dem 1. Februar 2013 eine berufliche Grundausbildung in der Schweiz absolvieren. Gemäss der Medienmitteilung des Bundesrates vom 7. Dezember 2012 und dem erläuternden Bericht des Bundesamtes für Migration zur Anpassung der VZAE bereinigt die Änderung eine Ungleichbehandlung gegenüber jugendlichen Sans-Papiers, die heute bereits ein Gymnasium oder eine Hochschule besuchen dürfen. Der Bundesrat befürwortet somit ausdrücklich den Zugang von jugendlichen Sans-Papiers sowohl zu einer beruflichen Grundausbildung als auch zu einer gymnasialen Ausbildung. Ein grundsätzlicher Ausschluss von jugendlichen Sans-Papiers von kantonalen Mittelschulen würde dem vom Bundesrat verfolgten Ziel der Garantie einer weiterführenden Ausbildung von jugendlichen Sans-Papiers diametral entgegenstehen und wäre demnach abzulehnen.

2. Mit Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz der Erziehungsdirektoren (EDK) zur Schulung fremdsprachiger Kinder vom 24./25. Oktober 1991 (gemäss telefonischer Auskunft der EDK sind diese Empfehlungen nach wie vor gültig) wurde von der EDK der Grundsatz bekräftigt, dass alle in der Schweiz lebenden fremdsprachigen Kinder in die öffentlichen Schulen zu integrieren sind, dass jede Diskriminierung zu vermeiden ist und dass die Integration das Recht des Kindes respektiert, Sprache und Kultur des Herkunftslandes zu pflegen. In Ziffer 2 der Empfehlungen wird den Kantonen unter anderem empfohlen, neuzugereisten Schülerinnen und Schülern der Oberstufe den Übertritt in die berufliche Ausbildung oder in weiterführende Schulen durch besondere Ausbildungsangebote zu erleichtern.

Gemäss den Empfehlungen der EDK vom 28. Oktober 2011 ist es ein wichtiges bildungspolitisches Ziel, dass «alle Jugendlichen die Möglichkeit haben, einen ihren Fähigkeiten angepassten Abschluss auf der Sekundarstufe II zu erreichen.» Darin eingeschlossen sind auch Sans-Papiers-Kinder.

3. Gemäss Medienmitteilung des Bundesrates vom 15. Juni 2012 hat der Bundesrat – gestützt auf einen Bericht des Bundesamtes für Justiz – eine generelle Meldepflicht der Schulen bei Sans-Papiers Kinder ausgeschlossen.

Auch aus den Schreiben der EDK an Bundesrätin Sommaruga vom 19. Januar 2011 und an den Direktor des Bundesamtes für Migration vom 16. Februar 2012 geht klar hervor, dass die EDK sowohl eine Abklärungs- wie eine allfällige Meldepflicht der Schulen dezidiert ablehnt und als nicht rechtmässig erachtet. Die EDK erkennt zwar die Möglichkeit eines Zielkonfliktes zwischen Anspruch auf schulische Bildung und Asyl- und Ausländergesetzgebung, ist aber bezüglich einer Gewichtung der Interessen «(…) dezidiert der Meinung, dass das Kindeswohl in den Vordergrund zu stellen ist. Massnahmen gegen illegale Immigration haben dort anzusetzen, wo die Gründe dafür zu finden sind, und nicht bei den Kindern, welche eines besonderen Schutzes des Staates bedürfen. (…)».

4. Schliesslich erlauben wir uns eine Bemerkung zur Verhältnismässigkeit bzw. zur praktischen Relevanz des Besuchs von Mittelschulen im Kanton Zug durch jugendliche Sans-Papiers. Gemäss Auskunft der DBK treten jährlich etwa 250 Schülerinnen und Schüler in die erste Klasse der Kantonsschule Zug über, ca. 30 in die Wirtschaftsmittelschule, ca. 35 in die Fachmittelschule und zwischen 50 und 60 ins kantonale Gymnasium Menzingen. In den Zuger Volksschulen sind gemäss einer informellen Erhebung der DBK offenbar nur vereinzelte Fälle – wenn überhaupt – von Sans-Papiers-Kindern bekannt.
Aufgrund der hohen schulischen Anforderungen der Mittelschulen, insbesondere bezüglich Deutsch und Fremdsprachen, ist davon auszugehen, dass in der Praxis wohl überhaupt keine Sans-Papiers-Schüler oder Schülerinnen Mittelschulen besuchen. Damit ist die Frage der Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips angesprochen.

Fazit

Zwecks Abklärung der Frage, ob ein Schulgeld geschuldet ist oder nicht dürfen die kantonalen Schulen von Schülerinnen und Schülern mit Adressen im Kanton Zug bei der Anmeldung verlangen, dass die Erziehungsberechtigten eine Wohnsitzbestätigung einzureichen haben.

Ergänzend kann hier darauf hingewiesen werden, dass es zulässig wäre, dass die Erziehungsberechtigten freiwillig ihre ausdrückliche Zustimmung geben, dass das Rektorat die Wohnsitzabklärung selber vornehmen darf.

Würden die kantonalen Schulen jugendliche Sans-Papiers nicht zulassen, würden sie sich in Widerspruch zu der vom Bundesrat beschlossenen Änderung der VZAE, dem vom Bundesrat beschlossenen Verzicht auf Meldepflichten von Schulen, sowie den von der EDK erlassenen Empfehlungen setzen.

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