Gras will gefressen werden – um zu überleben
Gras will gefressen werden – das klingt paradox, ist aber eine bewährte Überlebensstrategie dieser Lebensform: Indem das Gras sich als Futterpflanze anbietet, verhindert es die Verwaldung und bleibt gegenüber holzigen Pflanzen konkurrenzfähig.
Früher zogen grosse Wiederkäuer-Herden über die Graslandschaften, die weite Teile aller Landmassen bedeckten. Als Schutz vor Raubtieren hielten sie sich eng beieinander und blieben ständig in Bewegung. Sie frassen intensiv, trampelten Pflanzenreste in den Boden, düngten mit Kot und Urin, schwächten keimende Bäume und Sträucher – und zogen weiter. So blieb die Landschaft offen und artenreich.
Da die Wiesen nie vollständig abgeweidet wurden, blieb ausreichend Blattmasse für die Fotosynthese. Mit der gespeicherten Sonnenenergie bildeten die Pflanzen kräftige Wurzeln, nährten das Bodenleben und förderten den Aufbau von Humus. So entstanden einige der fruchtbarsten Böden der Welt.
Diese Erkenntnis macht sich heute die rotierende Weideführung, und in ihrer intensiven Form das «Mobgrazing», zunutze: Durch Imitieren natürlicher Herdenbewegungen werden Weideflächen gezielt regeneriert und die Bodenfruchtbarkeit erhöht.
Das Prinzip besteht darin, die Tiere in hoher Besatzdichte auf kleine Parzellen zu führen und sie noch vor vollständiger Abweidung weiterzutreiben. Frass und Ruhephasen wechseln sich gezielt ab. Das stärkt die Pflanzen, fördert tiefes Wurzelwachstum und aktiviert die Bodenbiologie. Es entsteht ein widerstandsfähiger, wasserspeichernder Boden – ein echter Klimapuffer.
Die Stone Range in Wegenstetten AG praktiziert dieses Prinzip seit vier Jahren mit Überzeugung. Rotierendes Weidemanagement ist wirtschaftlich interessant. Es steigert die Futterleistung der eigenen Flächen, senkt die Futterkosten und verbessert die Tiergesundheit.
Das extrem nasse Jahr 2024 förderte allerdings auch Risiken zu Tage: Zu spätes Einstallen führte zu Trittschäden und lückenhaften Beständen auf dem Dauergrünland. Betriebsleiter Stefan und Silvan Schreiber wollen in Zukunft schneller reagieren und die Frequenz der Umtriebe in den Dauerwiesen erhöhen bzw. die Tiere in den Stall oder auf Kunstwiesen verschieben, bevor die Schäden übermässig gross werden.
Die bisherigen Praxisbeispiele in der Schweiz zeigen, dass die Methode funktioniert – ihre konkrete Umsetzung erfordert allerdings gute Beobachtung und kontinuierliche Anpassung an die konkrete Situation.