Pflanzen sind keine Vegetarier – und bleiben dadurch gesund
Seit der grünen Revolution dominiert die Annahme, dass Pflanzen nur anorganische, im Bodenwasser lösliche Nährstoffe wie Nitrate oder Phosphate über ihre Wurzeln aufnehmen. Doch neuere Forschung zeigt klar: Pflanzenwurzeln nehmen auch grosse organische Moleküle auf – und schlucken sogar ganze Mikroorganismen. Wie das?
Das Aufnehmen und Verdauen von Mikroben durch Pflanzen wird im sogenannten Rhizophagie-Zyklus beschrieben. Die Rhizophagie – aus dem Griechischen: «fressende Wurzel» - bezeichnet einen Prozess, bei dem Pflanzen Nährstoffe von symbiotischen, nicht krankmachenden Mikroorganismen erhalten. Diese werden Endophyten genannt.
Der Rhizophagie-Zyklus funktioniert wie folgt: Endophyten, meist Bakterien, wachsen zunächst in einer Zone ausserhalb der Wurzelspitze, wo die Pflanze über ihre Wurzeln Kohlenhydrate und andere Nährstoffe absondert, um diese Mikroben zu vermehren. Die Mikroben nehmen Nährstoffe aus dem Boden auf und dringen anschliessend in die Wurzelzellen ein. Dort verlieren sie ihre Zellwände und werden zersetzt, wodurch die Pflanze von den freigesetzten Nährstoffen profitiert. Nicht alle der aufgenommenen Mikroben werden komplett verdaut, einige gelangen über die Wurzelhaare zurück in den Boden, erneuern dort ihre Zellwand und der Kreislauf beginnt von vorn.
Endophyten sind der Pflanze angeboren und werden über die Samen von Generation zu Generation weitergegeben. Sie tragen wesentlich zur Pflanzengesundheit bei, indem sie den Stoffwechsel bzw. die chemische Zusammensetzung ihrer Wirtspflanze modifizieren. Konkret verbessern sie die Stresstoleranz ihrer Wirtspflanze, versorgen sie mit Nährstoffen, fördern ihr Wachstum und wirken auf krankmachende Keime ein.
Ein gesunder Boden mit einem lebendigen und vielfältigen Zusammenspiel von Pflanzen, Mikroorganismen und organischem Bodenmaterial fördert den Rhizophagie-Prozess. Dagegen führen chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel wie auch Züchtungsprozesse zum Verlust von nützlichen Mikroben. Da am Rhizophagie-Zyklus viele Saatgutmikroben beteiligt sind, ist ein biodiverses und intaktes Mikrobiom auf dem Samen entscheidend. Deshalb sollte auf sterilisiertes oder antimikrobiell behandeltes Saatgut sowie auf das Entfernen der äussersten Samenschichten verzichtet werden.
Ein ausführlicherer Beitrag zum Thema findet sich hier.