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30.03.2021

Aus der Schule – Für die Schule

30.03.2021
Aus der Schule – Für die Schule. Beitrag Martin Senn.

Verhaltensauffällige Kolleginnen und Kollegen

MS
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Verhaltensauffälligkeit gibt es nicht nur bei Schülerinnen und Schülern. Auch Lehrpersonen können betroffen sein. Darüber müssen wir auch reden.

Von Martin Senn*

Gemäss Wikipedia bezeichnet dieser Begriff eine unspezifische Abweichung (Störung) im Sozialverhaltens. Doch aufgepasst, hier soll es nicht um Schülerinnen oder Schüler gehen, sondern um Lehrpersonen.

Vor einiger Zeit, als man in Innenräumen von Restaurants noch essen und trinken konnte, erfuhr ich von einer Serviceangestellten folgende deprimierende Aussage. Lehrpersonen seien in Gruppen eher unbeliebte Gäste, da sie meist nur Preiswertes konsumieren und äusserst selten Trinkgeld geben würden. Die erste Beobachtung würde sich überraschend ins Gegenteil verwandeln, wenn jemand eine Runde spendiere oder die Konsumation auf irgendeine Rechnung ginge, was wiederum das Trinkgeld noch knapper ausfallen liesse. Konfrontiert mit der wenig schmeichelhaften Beobachtung versuche ich, wann immer möglich, Gegensteuer zu geben.

Erfährt mein Gegenüber, dass ich Lehrer bin und reagiert mit überraschtem Erstaunen: «Das hätte ich von Ihnen nicht gedacht», fühle ich mich merklich besser als nach der fragenden Vermutung: «Sie sind sicher Lehrer?»

Welche Attribute die Gesellschaft unserem Berufsstand zuschreibt, hängt von unserem Verhalten in und ausserhalb der Schulstube ab und ist selbst in Europa von Land zu Land unterschiedlich. Die Wahrnehmung unseres Tuns wird während neun Jahren oder länger geprägt durch die Perspektive als Schülerin oder Schüler und bei vielen - etwas später - nochmals mehrere Jahre aus der Sicht als Eltern. Glücklicherweise macht die Mehrheit in dieser Zeit Erfahrungen mit sehr unterschiedlichen Lehrpersonen und Ausgestaltungsformen des Unterrichts. Beurteilt man die Qualität dieser langjährigen Begegnungen, reicht die Skala von herausragend gut bis unverzeihlich schlecht.

By Michel Gilgen
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Ohne überheblich zu wirken, will ich hier Beobachtungen aus meiner eigenen, langen Schulkarriere in verschiedenen Kantonen, aus Gesprächen mit Eltern und anderen Lehrpersonen kritisch unter die Luppe nehmen. Es gab und gibt Schulsituationen, in welchen die Lernenden trotz ihrer Unterschiedlichkeit keine eigenen Lernwege einschlagen dürfen. Es muss genauso gelernt werden, wie es die Lehrperson mit vermeintlich bester Absicht verlangt. Zu den vorgegebenen Lerninhalten (bei denen die Lernenden praktisch nie mitbestimmen können) werden wider besseres Wissen auch Lernwege und Lernschritte vorgegeben, kontrolliert und beurteilt. Zu viele Lernende werden beschämend belehrt, respektlos gegängelt oder gefühlslos vorgeführt. Es ist erstaunlich, mit welcher Selbstbeherrschung die Heranwachsenden dies über sich ergehen lassen. Abschätzige Besserwisserei, fehlender Respekt und spürbare Arroganz bleiben als prägende Verhaltensauffälligkeiten an unserm Berufsstand hängen, obwohl sie für die meisten Lernenden nur einen geringen Teil ihrer Lernsituationen oder Lehrpersonen ausmachen. Detaillierte Erinnerungen an solche Situationen und Momente beweisen unsere Verletztheit.

Veränderungen und Verbesserungen problematischer Schulsituationen durch direktes Ansprechen oder offene Rückmeldungen sind in den seltensten Fällen möglich. Den Lernenden fehlen dazu die richtigen Worte, den Eltern und Schulleitern das explizite Wissen und den Berufskolleginnen die Legitimation. Manchmal gelingt einem engagierten Unterrichtsteam, dass es zu Verhaltensänderungen kommt. Der Stolz auf persönliches Fachwissen, auf die minutiöse Vorbereitung, auf Arbeitsblätter und Medieneinsatz und die eingestreuten Witze erschweren die Einsicht ebenso wie distanzierte Kollegialität.

Dazu fällt mir die Aussage eines Handballtrainers ein, der mehr Haifischbecken statt Goldfischteich als Umgangsform in den Lehrerzimmern forderte. Höchste Zeit, dass wir Veränderungen anpacken! Ein erster Schritt: geben Sie bei Ihrem nächsten Besuch im Restaurant ein tüchtiges Trinkgeld (das Personal wird es dann besonders nötig haben) und sagen Sie, dass Sie unterrichten.

 


*Martin Senn ist Heilpädagoge an der Oberstufe Walchwil und aktiv im Lehrerinnen- und Lehrerverein des Kantons Zug, martin.senn@schule-walchwil.ch.

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