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01.12.2020

Erfüllte oder ausgefüllte Zeit?

01.12.2020
Beitrag von Pfarrerin Barbara Baumann, Zug, zum Advent
BB
Bild Legende:

Zauberhafte Weihnachten und magische Momente, erfülltes Zusammensein mit der Familie... Bilder und Sätze, die uns auf Weihnachten einstimmen sollen oder besser gesagt, uns zum Einkaufen für Weihnachten motivieren sollen. Ausgefüllte Weihnachten kennen wir alle. Der Weg zu erfüllten Weihnachten führt durch den Advent.

Von Barbara Baumann*

Scheinbar verkauft es sich leichter, wenn uns in der Werbung Magisches und Zauberhaftes versprochen wird. Unsere alltägliche Wirklichkeit sieht oft anders aus. Es ist wohl gerade ein Kennzeichen unserer Welt, dass in ihr das Magische und Zauberhafte fehlt. Wir planen unsere Zeit bis in die Freizeit hinein. Das ist auch nötig, schliesslich müssen wir immer schneller liefern. Unsere Arbeit muss pünktlich fertig sein. Es bleibt kaum Zeit für Pausen. Schon gar nicht für Fehler.

Spätestens im November spricht die Werbung ganz besondere Gefühle in uns an. Sie zeigt uns: glückliche Familien, die in grosser Harmonie Weihnachten feiern; Kinder helfen dem Schneemonster; Opa überlistet seine Familie, um mit ihm zu feiern und niemand wird böse. Dies nur eine kleine Auswahl der Werbungen, die unsere Sehnsucht nach gelingenden Beziehungen, nach Aufgehoben sein und Geborgenheit ansprechen.

Diese Sehnsucht beschreibt der Soziologe Hartmut Rosa mit dem Begriff der Resonanz. Er stammt ursprünglich aus der Physik und meint eine schwingende Beziehung zweiter Objekte, die sich gegenseitig anregen.

In Resonanz sind wir zum Beispiel mit einer anderen Person, wenn Beziehung gelingt. Wenn jedes den anderen wahrnimmt. Wenn etwas in Bewegung kommt zwischen zwei Menschen. Das kann sich in einer nahen Beziehung, oder auch in einer kurzen Begegnung auf der Strasse ereignen. Hartmut Rosa nennt dieses In-Beziehung-kommen zwischen Menschen die horizontale Resonanzachse.

Die diagonale Resonanzachse ist diejenigen zu Dingen. Am einfachsten ist dies wohl mit Naturerlebnissen zu beschreiben: Der Anblick einer Landschaft, der uns bis tief in die Seele berührt. Rosa nennt noch eine Dritte Resonanzachse, die vertikale. Es ist die Resonanz mit Gott. Mit dem Göttlichen. Mit dem Sein.

Weihnachten
Bild Legende:

Resonanz braucht Zeit. Das erleben wir vielleicht nach einer vollen Arbeitswoche. Am Wochenende möchten wir etwas erfahren. Wir besuchen ein Konzert, machen einen Ausflug in die Natur oder gehen in die Wellnessoase. Und machen dabei die Erfahrung, dass alles an uns vorbeizieht. Es ist, wie wenn wir nicht beteiligt wären. Solche Erfahrungen lösen Frustration aus und das Gefühl von Leere. Wir kamen nicht in Resonanz. Das Gegenüber war zwar da, aber es entstand keine Schwingung, keine Beziehung. Wir selber schwangen nicht mit. Unser «Empfänger» war nicht auf Empfang. Die Fähigkeit, in Resonanz zu kommen, wird in unserer schnellen Zeit mit vielen Inputs und Push Nachrichten in den Hintergrund gedrängt. Sie geht sozusagen auf Standby.

Auf unser Gegenüber haben wir nur beschränkten Einfluss, auf unsere eigene Empfänglichkeit durchaus mehr. Religion braucht Zeit. Nicht umsonst ist Weihnachten der Advent vorgeordnet. Weihnachten ist ein Fest der Innerlichkeit. Es ist nicht möglich, am Mittag des 24. Dezember von Zerstreuung und Äusserlichkeit auf Innerlichkeit umzustellen. Von Leistung und Produzieren auf Empfang. Von Geschwindigkeit auf Zeit-Haben.

Wer die Sehnsucht nach Resonanz kennt – sei es zu den Mitmenschen oder auch zum Göttlichen – wird nicht umhinkommen, dieser Resonanz Zeit und Raum zu geben. Sich darauf einzulassen. Erfüllte Zeit ist nicht billiger zu haben. Ausgefüllte schon.


* Barbara Baumann ist reformierte Pfarrerin und seit 2002 im Bezirk Zug-Menzingen-Walchwil tätig.

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