Forscherin für Wohlbefinden in der Schule

Bildung beginnt mit gesunden, glücklichen und sicheren Schülerinnen und Schülern, schreibt die UNESCO auf ihrer Homepage. Frau Mori, stimmt das mit Ihren Forschungsergebnissen überein?
Ja, absolut. Qualitativ hochwertiger Unterricht erfordert aber auch gesunde, zufriedene und engagierte Lehrpersonen. Wohlbefinden ist ein Gemeinschaftsprojekt. Aus der Forschung wissen wir, dass das Wohlbefinden der Lehrkräfte und das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler eng miteinander verknüpft sind.
Sie haben dazu umfassende Forschungsergebnisse vorgelegt. Gestatten Sie mir trotzdem die stark verkürzende Frage, wie es ganz generell ums Wohlbefinden unserer Schülerinnen und Schüler steht?
Es gibt Licht und Schatten: Viele Schülerinnen und Schüler in der Schweiz fühlen sich grundsätzlich wohl. Rund 85 % schätzen ihre Gesundheit als gut ein, doch das psychische Wohlbefinden ist bei Mädchen deutlich tiefer als bei Jungen und nimmt mit dem Alter ab. Seit 2018 hat sich dieser Trend deutlich verschärft. Schulstress betrifft rund ein Drittel der Jugendlichen, vor allem in der Sekundarstufe I.
Mit dem Projekt verfolgen Sie auch einen schulpraktischen Ansatz. Wo fangen wir am einfachsten an, wenn wir das Wohlbefinden in der Schule fördern wollen?
Bei der Beziehungsqualität. Eine wertschätzende Haltung, echtes Interesse und kleine Rituale – etwa ein „Dankbarer Mittwoch“ oder freundliche Taten im Schulalltag – wirken oft stärker als grosse Programme. Ein gutes Klassenklima wird begünstigt, wenn Lehrpersonen Vertrauen, Wärme und Empathie ausstrahlen sowie über die Fähigkeit verfügen, positive soziale Beziehungen aufzubauen.
Widerstände und Probleme fordern uns heraus und bringen uns weiter. Eine Schule mit hohem Wohlbefinden verzichtet nicht darauf, ihre Schülerinnen und Schüler auch in Grenzsituationen zu führen. Einverstanden?
Ja, denn Wohlbefinden bedeutet nicht, Herausforderungen zu vermeiden, sondern ihnen mit einer positiven Haltung zu begegnen. Schulen mit hohem Wohlbefinden schaffen eine warme und freundliche Lernumgebung, fördern Vertrauen und stärken soziale Beziehungen – so können sie auch in schwierigen Situationen Orientierung und Halt bieten. Gemeinsame Werte, klare Regeln und ein unterstützendes Miteinander helfen dabei, Belastungen zu bewältigen und als Lerngelegenheiten zu nutzen – für Schülerinnen und Schüler ebenso wie für Lehrpersonen.
Der letzte Satz auf der Schlussfolie zu Ihrem Referat am 2. Mai 2025 in Zug, im Rahmen unserer Arbeit an den Entwicklungslinien für die Zuger Volksschulen, ist mir besonders gut in Erinnerung geblieben. Da steht nämlich: «Be the reason someone smiles today». Ist das vielleicht das Geheimnis für Wohlbefinden in der Schule?
Manchmal sind es gerade die kleinen Gesten, die den grössten Unterschied machen. Ein echtes Lächeln, ein freundliches Wort – solche Momente schaffen Verbindung, stärken das Wir-Gefühl und machen Schule zu einem Ort, an dem sich Menschen gesehen und wertgeschätzt fühlen. In einer Schule, in der solche Momente möglich sind, gedeiht nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch das Lernen.
Well-being in School in Switzerland (WESIR), 2021–2025 |
*PD Dr. Julia Mori ist u. a. in der Abteilung Schul- und Unterrichtsforschung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Bern sowie am Institut für Verhalten, sozio-emotionale und psychomotorische Entwicklungsförderung der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik tätig. Seit Oktober 2021 leitet sie das SNF-Projekt «Wohlbefinden in der Schule in der Schweiz» (WESIR, 2021–2025) an der Universität Bern. Link zur Person.