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27.02.2023

Schulwahrheiten – 7 Fragen an Silke Schreiber

27.02.2023
7 Fragen an Silke Schreiber. Leiterin der Schulentwicklung im Kanton Zug.
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Um die Defizite vieler Schülerinnen und Schüler in den Kulturtechniken zu beheben, empfiehlt die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) in Deutschland die "Erhöhung der Quantität und Qualität der aktiven Lernzeit für den Erwerb sprachlicher und mathematischer Kompetenzen" (1). In Altsprache übersetzt: Übung macht die Meisterin. Musste es 2022 werden für diese Einsicht?

Silke Schreiber: Üben, trainieren, wiederholen, reflektieren sind einige Tätigkeiten die Kompetenzen entwickeln und vertiefen können. Üben ist etwas Wichtiges sowie etwas Individuelles und wird an unseren Schulen auf verschiedenste Art praktiziert. Auch die Erziehungswissenschaft zeigt mindestens seit den 90er-Jahren den Effekt von Üben in empirischen Studien auf. Diese Einsicht ist alles andere als neu. Im Kontext von Politik (die SWK ist ein politisches Gremium) beschreibt man scheinbar zunehmende Defizite in regelmässigen Abständen und behauptet, dass man endlich einen Missstand angehen würde. Diese Art von «Klagen» über fehlende Kompetenzen, insbesondere wenn es um sprachliche und mathematische Fähigkeiten der Jugendlichen (Folgegeneration) geht, ist uralt und wurde schon bei den Römern festgehalten und in unserer Kulturgeschichte immer wieder kommuniziert.

Entscheidend in der Aussage der SWK ist der Begriff der aktiven Lernzeit. Mit aktiver Lernzeit sind alle Formen, in welchen die Schülerinnen und Schüler sich selbst aktiv mit dem Lernstoff auseinandersetzen, gemeint (vgl. Helmke 2015, Reusser 2012, u.a.m.). Üben ist eine Kategorie dieser Formen. Und apropos Üben: Unsere Schülerinnen und Schüler lernen viel – nachweislich mehr als früher. Durch die stetige Anpassung der Unterrichtsziele an gesellschaftliche Anforderungen über Jahrhunderte, stieg auch die Anforderung an das Üben. Intelligentes Üben zeichnet sich dadurch aus, dass Kompetenzen geübt werden, nicht einfach nur sture Prozeduren oder eine Anhäufung von nicht anwendbarem Wissen. Beispielsweise hilft das Auswendiglernen von Ortsnamen, Hauptstädten und Postleitzahlen heute und zukünftig kaum jemanden in seiner Kompetenzentwicklung. Auch das auswendig gelernte 1x1 hilft wenig beim Lösen von Textaufgaben. Intelligentes Üben muss zu transferierbaren Kompetenzen führen. Kurz gesagt:
Üben muss kompetenzorientiert und individualisiert sein. Für das Entstehen eines nachhaltigen Effektes wird anwendbares, transferierbares Wissen trainiert.

In der Rubrik «7 Fragen an» stellen sich Menschen rund um die Zuger Schulen den Fragen von www.schulinfozug.ch. Einige Fragen sind individuell oder funktionsbezogen, einige Fragen sind in allen Interviews dieselben. Diesmal mit Silke Schreiber. Sie ist seit Sommer 2022 neue Leiterin der Abteilung Schulentwicklung im Amt für gemeindliche Schulen.

Seit Mitte August 2022 leitest Du die Abteilung Schulentwicklung im Amt für gemeindliche Schulen. Wie hast Du Deine ersten hundert Tage erlebt?

Es war ein intensiver und lehrreicher Start mit den Weiterbildungen zu den überfachlichen Kompetenzen in einem wohlwollenden und interessierten Umfeld. Ich erlebe die Zusammenarbeit auf allen Ebenen als offen, konstruktiv und mit einem hohen Interesse an pädagogischen Fragestellungen, bei denen der Lernprozess der Schülerinnen und Schüler das Zentrum bildet.

Welche Begriffe beschreiben Dich am besten?

Die Fragestellung habe ich selbstverständlich empirisch, mittels einer qualitativen Erhebung, untersucht.

  1. Mein Mann meint: Angelernte Schweizerin mit berlinerischem Schalk und dänischem Designflair.
  2. Meine Tochter wählte: bewundernswerte Zielstrebigkeit; ehrliche und transparente Kommunikation; kreativ, liebenswert und immer auf Achse – vor allem auf Jagd nach nordischen Designobjekten. 
  3. Meine geschätzten Schulleitungs-Kolleginnen beschrieben mich als «disziplinierte und dynamische Schnelldenkerin und mit Hang zu gut durchdachten Entwicklungsprojekten».
  4. Die Rückmeldungen der Lehrerinnen und Lehrer lauten: rückendeckende Schulleiterin mit speditiver Arbeitsweise und gesellige Geniesserin (hier ist das Feierabendbier am Freitag gemeint).

Ich selbst würde es folgendermassen zusammenfassen: disziplinierte, zügig-denkende, wertschätzende Steinbockfrau mit kreativer- und entwicklungsorientierter Ader, humorvoller und geselliger Art, sowie ausgeprägter Liebe zum nordischen Design.

Was war als Kind Dein Traumberuf?

Was für eine Frage? Ich hatte als Kind den Kopf voller Ideen: Pilotin, Schiffsbauingenieurin, Weltumseglerin, Richterin, Dampferkapitänin auf der Havel (aber nur auf der Moby-Dick) oder Kioskbesitzerin an der Bushaltstelle mit Unmengen von Süssigkeiten. Architektin, Lehrerin und Erziehungswissenschafterin waren nicht dabei.

Mit wem würdest Du gerne einmal einen Monat lang tauschen?

Ich wäre gerne einmal Donald Trump. Die Vorstellung, einfach behaupten zu können und (fast) alle glauben einem – oder Angela Merkel mit Raute in den Händen vor dem sitzenden Barak Obama stehend; das Bild vom G8 Gipfel 2007 in Heiligendamm gefällt mir immer noch. Eine Alternative wäre Marge Simpson. Mein Mann wäre dann Homer. Die blauen Haare finde ich für mich jedoch nicht ganz passend, denn meine bekommen in der Sonne einen ganz leichten orangen Farbschimmer, sie «Ver-Trumpen» gewissermassen.

An welche Lehrperson erinnerst Du Dich gerne und warum?

Ich denke, dass es ein wohlgehegter Mythos ist, dass Lehrpersonen das Leben der Schülerinnen und Schüler prägen. Vielmehr ist es die Summe aller persönlichen Begegnungen mit verschiedensten Menschen in den Phasen, in welchen man für Neues empfänglich war und ist, die auch mich zu dem formten, was ich heute bin. Klar, dass dabei auch die Schule und Lehrpersonen eine Rolle spielen. Aber selbst diesbezüglich ist es für mich nicht möglich, jemanden aus den über 23 Jahren Ausbildungszeit als besonders herauszupflücken.

Albert Einstein hat die Schule - im Gegensatz zu den exakten Wissenschaften - als Angelegenheit des lebendigen Daseins und Handelns beschrieben: "Hier genügt einmalige Erkenntnis der Wahrheit nicht; diese muss vielmehr unausgesetzt neu belebt und neu erkämpft werden, wenn sie nicht verloren gehen soll." Welche Wahrheit oder Wahrheiten könnten das aus Deiner Sicht sein?

Erkenntnis ist etwas Individuelles, situativ und durch den Moment geprägt. Entsprechend ist die Wahrheit das, was ich aktuell, geprägt durch meine Vergangenheit, als wahr erkenne. Offene und lernende Menschen entdecken und überarbeiten ihre Wahrheiten fortlaufend, denn sie erkennen, dass sich ihre Situation durch die Zeit, den Ort und die verschiedenen Beziehungen stetig verändert. Oft wird der Begriff Wahrheit als Synonym für Überzeugung und Meinung gebraucht, und im Kontext von Macht und Politik missbraucht, denken wir nur schon an die Erkenntnisse über die Form der Erde.

Und wiederum ist Wahrheit nicht gleich Wissen. Wissen hat eine andere Qualität, kann nicht allein aus mir heraus entstehen. Wissen kann nur im Verbund mit vielen Menschen, die an der Entwicklung von Wissen interessiert sind, entstehen und muss einer breiten Prüfung standhalten. Demnach wird und muss Wissen stetig hinterfragt werden. Dazu braucht es Menschen, die Wissen schaffen und hinterfragen, eben Wissenschaftler. Als Doktorin der Erziehungswissenschaften hatte ich insbesondere während meiner Doktorandenzeit einen vertieften Einblick in die Instrumente, die uns helfen, Wissen zu schaffen.

Wenn ich nun diese Gedanken auf die Schule übertrage, so ist es sehr wichtig, dass alle am Lernen Beteiligten offen und interessiert sind am Wissen - und durch das Wissen, die eigenen Wahrheiten und Überzeugungen reflektieren können.

Auch Wissen allein wird uns nicht weiterhelfen. Wir brauchen Wissen, Können und Wille um Gutes zu Tun – oder anders gesagt: Wir brauchen Kompetenzen! Als Lehrpersonen brauchen wir insbesondere Kompetenzen, die uns helfen, unser eigenes Handeln zu reflektieren.


Quelle
(1) Basale Kompetenzen vermitteln – Bildungschancen sichern. Perspektiven für die Grundschule. Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK).

*Dr. phil. Silke Schreiber leitet seit 2022 die Abteilung Schulentwicklung im Amt für gemeindliche Schulen im Kanton Zug. Die Erziehungswissenschaftlerin und diplomierte Ingenieurin Architektur wuchs in Berlin auf. Vor ihrer Anstellung in Zug war sie u. a. Schulleiterin im Kanton Luzern.

 

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