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11.01.2023

Aus der Schule – Für die Schule

11.01.2023
Ein herausfordernder Begleitungsauftrag: Berufswahlbegleitung auf der Sekundarstufe I

Ein herausfordernder Begleitungsauftrag: Berufswahlbegleitung auf der Sekundarstufe I

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Die Berufswahlbegleitung auf der Sekundarstufe I erfüllt und erschöpft zugleich. Vernetzung und andere Massnahmen schützen die Lehrpersonen und tragen zu einer guten Lösungsfindung bei.

Von Martin Senn*

In den letzten Jahren haben sich die Anforderungen für die Begleitung der Schülerinnen und Schüler bei der Berufswahl stark verändert. Die Klassenlehrpersonen der Oberstufenklassen sind zunehmend mit den unterschiedlichsten Erwartungen von Jugendlichen, Eltern, Schule, Lehrplan und Lehrmeistern konfrontiert, die immer schwieriger zu erfüllen sind. Hinzu kommt das Ziel des eigenen Berufsethos, mit allen Jugendlichen die bestpassende Anschlusslösung zu finden. Die im Lehrplan 21 unter «Beruflicher Orientierung» aufgelisteten Kompetenzen, die es mit allen zu erreichen gilt, legen die Anforderungsvorgaben auf ein hohes Niveau, wie der (Link:) Blick in die Vorgaben zeigt. Die dort beschriebene Rolle der Lehrperson kommt dem Anforderungsprofil professioneller Berufs- und Laufbahnberatung sehr nahe.

Eine der wirklich sinnvollen und lebensnahen Aufgaben der Schule ist aus meiner Sicht mit der wachsenden Gefahr von ausuferndem Aufwand, Überforderung in wiederkehrenden Fällen, oft verfehlter Zielerreichung und belasteten Beziehungen verbunden.

Überwiegend positive Erfahrungen der Lehrkräfte bei der Begleitung vieler Jugendlichen gehen zeitgleich einher mit extrem herausfordernden Situationen und Überforderung. Dabei sind es nicht vorwiegend Mängel bei den schulischen Leistungen, welche eine zielgerichtete und erfolgreiche Berufswahl erschweren, sondern die fehlenden Kompetenzen in sozialen und überfachlichen Bereichen. Besonders schwierig wird der Berufswahlprozess bei Jugendlichen mit herausforderndem Verhalten, Verwahrlosung oder extremem Aussenseitertum. Auch stark divergierende Sichtweisen, Haltungen und Erwartungen der Beteiligten (Jugendliche, Eltern, Lehrpersonen) erschweren oder verunmöglichen eine konstruktive Begleitung.

Michel Gilgen
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Foto: Michel Gilgen

Als wiederkehrende Herausforderung im Berufswahlprozess ist die Unsicherheit bezüglich der Wahl zwischen einer Berufslehre und einer weiterführenden Schule. Oft sehen Eltern mit anderem kulturellen Hintergrund oder mit akademischen Berufen zukunftsorientierte Ausbildungen ihrer Kinder nur durch ein universitäres Studium und den vorausgehenden gymnasialen Weg erfüllt. Wenn die kognitiven Voraussetzungen der Jugendlichen ungenügend oder nur teilweise vorhanden sind, wird die angestrebte Maturität ein steiniger, emotional belastender und konfliktanfälliger Weg mit grossem Abbruchrisiko. Die Rolle der Lehrpersonen, welche durch ihre Beurteilung einen gymnasialen Weg ermöglichen oder verhindern, ist ähnlich problembeladen wie beim Übertritt in die Oberstufe. Eine prognostische Beurteilung der Performanz der Jugendlichen im Gymnasium ist bei Grenzfällen äusserst schwierig.

Um die ernst zu nehmende Gefährdung der Gesundheit von Lehrpersonen zu verringern, sehe ich folgende Lösungsansätze:

Die Zuständigkeit für eine Klasse bei der Berufswahl darf nicht die alleinige Aufgabe der Klassenlehrpersonen sein, wie dies im Lehrplan 21 vorgesehen ist. Vielmehr muss die Begleitung der Schülerinnen und Schüler innerhalb eines Jahrgangsteams aufgeteilt werden. Eine gute und tragende Beziehung zwischen Lehrperson und Jugendlichen ist neben anderen ein zentrales Kriterium für die Zuteilung. Diese Aufteilung reduziert die zeitliche Belastung und ermöglicht ein Dranbleiben und eine Kontinuität, ohne die es in vielen Fällen nicht mehr geht. Die punktuell auftretenden heissen Phasen der Berufswahl können so vom Team gemeistert werden, der Aufwand (Gespräche, Interventionen, Coaching) wird fairer auf vorhandene Ressourcen verteilt.

Michel Gilgen
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Foto: Michel Gilgen

Einen weiteren Ansatz zur Entlastung sehe ich im Coachen statt im Führen. Für Jugendliche mit fehlender Berufswahlreife braucht es eine Begleitung mit viel Ermunterung und Unterstützung bei kleinen Schritten. Motivation und verlässliche Entscheide lassen sich nicht herbeizwingen. Wenn Begleiter gegen Ende des 3. Oberstufenjahres aus verständlichen Gründen drängen und den Berufswahlprozess beschleunigen wollen, führt dies oft zu schlechten Lösungen und erhöht neben anderen Gründen auch die Zahl von späteren Lehrabbrüchen. Ein freiwilliges 10. Schuljahr (verschiedene Brückenangebote des Kantons) bietet hier eine wichtige Hilfe.

Unterschiedliche Sichtweisen und Erwartungen bei der Planung der beruflichen Zukunft können selten mit Argumenten oder Einwänden aus der Sichtweise der Schule beseitigt werden. Selbstgemachte Erfahrungen aus Schnupperlehren, Gespräche der Eltern oder der Jugendlichen mit Berufsleuten, Lehrlingen und Ausbildnern vermögen subjektive Einschätzungen wirkungsvoller zu verändern. Der Einbezug möglichst vieler Bezugspersonen in den Berufswahlprozess ist bei Schwierigkeiten hilfreich und oft unerlässlich.

Liegen die schulischen Leistungen im Grenzbereich der Zulassungsvorgaben weiterführender Schulen, ist ein intensiver Austausch mit den Jugendlichen, den Eltern und Bezugspersonen angezeigt. Der oft geforderte Plan B bekommt den nötigen Stellenwert. Damit verbessert sich die persönliche Motivation der Jugendlichen, den Berufswahlprozess mit Berufserkundungen und Schnupperlehren zu durchlaufen.

Schülerinnen und Schüler der Oberstufe bei der Berufswahl bestmöglich zu begleiten und zu unterstützen, wird eine immer wichtigere Aufgabe der Schule. Es soll aber festgehalten werden, dass die Verantwortung für Entscheidungen und den eingeschlagenen Weg immer noch bei den Jugendlichen und deren Eltern liegt. Das ist gut so und soll so bleiben.


* Martin Senn ist Heilpädagoge an der Oberstufe Walchwil und aktiv im Lehrerinnen-​ und Lehrerverein des Kantons Zug, martin.senn@schule-​walchwil.ch.

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