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28.08.2024

Neu und nah: SHP Studium an der PH Zug

28.08.2024
Interview mit Klaus Joller Graf über die neue Ausbildungsmöglichkeit zur schulischen Heilpädagogin, zum Heilpädagogen an der PH Zug.
KJG
Bild Legende:

Ein SHP-Studium, das Flexibilität bietet und es ermöglicht, neben dem Studium eine Familie zu haben oder erwerbstätig zu sein. Dies bietet die PH Zug seit einem Jahr an. Der Lehrgangsleiter, Klaus Joller-Graf, gibt Auskunft.

Seit einem Jahr bietet die PH die Ausbildung zur schulischen Heilpädagogin, zum Heilpädagogen an. Wie ist der Masterlehrgang gestartet?
Das Angebot hat mit 54 Anmeldungen unsere Erwartungen für die erste Durchführung deutlich übertroffen. Besonders freut uns natürlich, dass erste Evaluationen eine sehr hohe Zufriedenheit der Studierenden zeigen. Für die zweite Durchführung sind 60 Anmeldungen eingegangen. Das werten wir ebenfalls als gutes Zeichen.

Auch in Luzern und Zürich wird eine Masterausbildung für Heilpädagoginnen und Heilpädagogen angeboten. Inwiefern unterscheidet sich das Angebot in Zug? 
Der Abschluss ist an allen drei Orten derselbe. Er ist von der EDK schweizerisch anerkannt und befähigt, als Schulische Heilpädagogin oder Schulischer Heilpädagoge (SHP) auf allen Stufen und in allen Settings (integrative Förderung, integrative Sonderschulung und separative Sonderschulung) tätig zu sein. In Luzern und Zürich sind das recht grosse Studiengänge, die für viele Interessierte gut funktionieren. Gleichzeitig bin ich immer wieder auf Studierende getroffen, für welche die angebotenen Strukturen neben Familie, Erwerbsarbeit und Studium zu wenig flexibel waren. Ein Masterstudium ist im Grunde auf eine jüngere Altersgruppe ausgerichtet. Wir brauchen aber dringend heilpädagogische Expertinnen und Experten und sollten interessierte und fähige Leute nicht verlieren, nur weil sich deren Leben nicht an den Studienplan hält. Als kleine PH wollen wir unsere Stärke genau da ausspielen. Inhaltlich können und wollen wir keine Abstriche machen. Von den Anforderungen her kriegt man auch bei uns nichts geschenkt. Aber wir bieten Rahmenbedingungen an, die es möglich machen, die Intensität des Studiums bei Bedarf etwas anzupassen. Das führt dann halt gegebenenfalls dazu, dass das Studium ein oder zwei Semester länger dauert. Aber was zählt das schon, wenn ich so zu einem Abschluss komme und dabei gesund bleibe.

Wie gelang es, mit Start des Lehrgangs qualitativ auf Augenhöhe mit den bestehenden Angeboten zu kommen?
Ich als Programmleiter und Prof. Roger Dettling als Studiengangleiter bringen viel Leitungserfahrung in der Ausbildung von SHP bzw. IF-Lehrpersonen mit. Wir kennen die Anforderungen an eine Masterausbildung auf Hochschulniveau wie auch die Erwartungen der Praxis sehr gut. In der Konzeptphase wurden immer wieder Rückmeldungen eingeholt, zum Beispiel von SHP oder Schulleitungen. Hinzu kommt, dass wir ein sehr gutes Team zusammenstellen konnten. Alle unsere Modulverantwortlichen verfügen über einen Abschluss und Berufserfahrung als SHP wie auch über einen universitären Abschluss. Das beurteile ich als Glücksfall und es wertet die Qualität unserer Ausbildung ganz bestimmt auf.

Werfen wir einen Blick auf die Studentinnen und Studenten. Wie setzen sie sich zusammen, woher kommen sie, was bringen sie mit?
Der grösste Teil der Studierenden arbeitete bereits vor dem Studium in der Funktion als SHP. Es gibt aber auch Studierende, die zeitgleich mit dem Studium ihre erste Stelle als SHP antreten und ganz wenige starten mit dem Studium, um sich damit eine Basis für eine berufliche Neuorientierung innerhalb des Schulfelds zu schaffen. Sie arbeiten bei Studienstart noch als Klassen- oder Fachlehrpersonen. Der grösste Teil der Studierenden arbeitet auf der Primarstufe. SHP in integrativen Settings sind deutlich stärker vertreten als SHP an heilpädagogischen Schulen. Wenig erstaunlich ist auch die Geschlechterverteilung. Im ersten Jahrgang zählen wir acht männliche Studierende. Viele der Studierenden haben Familie, teilweise ist das Studium sogar verbunden mit einem Wiedereinstieg oder einem Ausbau des Pensums. Der Schwerpunkt unseres Einzugsgebiets liegt klar im Kanton Zug und den umliegenden Regionen. Vereinzelt nutzen aber auch Studierende aus Bern, dem Thurgau oder dem Kanton Obwalden unser Studienangebot. Bei den Anmeldungen für die zweite Durchführung sehen wir eine leichte Erweiterung des Einzugsgebiets. So haben sich beispielsweise Studierende aus dem Kanton Glarus angemeldet, welche die PH Zug bereits von ihrer Bachelorausbildung her kennen.

Bei den Infos zum Lehrgang findet sich der Hinweis, dass Erfahrung als Lehrperson sehr empfohlen wird, aber keine Voraussetzung ist. Welche Erfahrung bringen die Studierenden tatsächlich mit?
Wir müssen die Möglichkeit gewährleisten, mit dem Bachelorabschluss direkt auf die Masterstufe zu wechseln. Fast alle Studierenden bringen aber Erfahrung als Klassenlehrperson mit. Unsere Empfehlung wird also sehr gut akzeptiert. In der zweiten Kohorte startet nun eine Studentin, die direkt als SHP angestellt wurde. In einem solchen Fall erachte ich es als sinnvoll, dass sie das Studium berufsbegleitend absolviert. In der Ausbildung bekommt sie die Grundlagen vermittelt und studiert zusammen mit erfahrenen Lehrpersonen. Das wird für sie bestimmt ein Gewinn sein.

Ungünstig wäre es in meinen Augen, wenn jemand vor der Belastung als Klassenlehrperson in die Spezialfunktion Heilpädagogin flüchten würde. Kommt das vor?
Ich beobachte das so direkt nicht. Aber ich habe in meiner Berufskarriere Studierende angetroffen, die für sich festgestellt haben, dass sie sich in der individuellen Unterstützung, in der Förderung von Gruppen und in der Beratung von Lehrpersonen stärker einschätzen als im Führen einer Klasse. Oder dass ihnen das leichter fällt. Letztlich geht es im beruflichen Kontext immer darum, sich zu fragen, wo man seine Stärken hat und was einem interessiert. Wer vor der Belastung als Klassenlehrperson „flüchtet“, wird relativ rasch feststellen, dass dieser Fluchtplan nicht aufgeht. SHP ist ganz sicher eine anspruchsvolle Funktion - die Belastungen sind einfach andere.

Viel diskutiert wird das Spannungsfeld zwischen Inklusion und Separation. Welche Ausrichtung hat der Masterstudiengang diesbezüglich?
Der Kerngedanke der Inklusion, sich nämlich auf allen Ebenen für eine tragfähige Schule einzusetzen, ist absolut richtig. Dazu hat sich die Schweiz politisch klar bekannt und ich sehe in der Praxis sehr viele Beispiele, wo enorm gute Arbeit geleistet wird und verschiedenste Kinder und Jugendliche gemeinsam lernen können. Und dann gibt es Situationen, wo Systeme nicht oder noch nicht genug tragfähig sind. Dort müssen wir mit hoher Fachlichkeit und integrativen Massnahmen gezielt und wirkungsvoll unterstützen. Schliesslich gibt es Situationen, wo eine integrative Beschulung nicht gewährleistet werden kann. Wo es auch Ressourcen braucht, die nur dezentral angeboten werden. Unsere Aufgabe ist, Fachpersonen auszubilden, die in herausfordernden Situationen tragfähige Lösungen umsetzen können – in allen Settings. Wir bauen sonderpädagogische Expertise auf, die in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden kann. Der Kontext, ob inklusiv, integrativ oder separativ, den legen aber nicht wir fest.

Der Zuger Kantonsrat hat beschlossen, dass die Gemeinden für den Umgang mit Problemverhalten ergänzend zu integrativen Unterstützungsmassnahmen neu auch ein Angebot zur kurz- und mittelfristigen Separation führen müssen. An welchen Qualitätskriterien könnten diese Angebote aus Ihrer Sicht gemessen werden?
Eine grosse Hoffnung ist zuerst einmal, dass ein solches Angebot nicht zu Lasten der Regelschule geht. Wir sollten nicht die Rahmenbedingungen in den Regelklassen generell verschlechtern, nur um ein separatives Angebot aufbauen zu können. Denn das würde unweigerlich dazu führen, dass die Regelklassen stärker belastet werden – und schliesslich zusätzlicher Druck zu noch mehr Separation entsteht. Für die Umsetzung braucht es Transparenz allen Beteiligten gegenüber: Wegen welcher diagnostischen Annahmen erfolgen welche separativen Massnahmen? Mit welchen Zielen und in welchem Zeitrahmen? Die Massnahmen sollten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und bewährten Praktiken basieren. Es ist wichtig, dass überprüft wird, ob diese Massnahmen wirkungsvoll sind. Wir sollten uns nicht von Meinungen leiten lassen. Es muss um Wirkung gehen. Und nicht zuletzt würde ich darauf achten, dass die Schule selbst immer wieder dazulernt. Was genau hat die Situation verbessert? Welche Anteile könnte man auch zum Wohl der Klassen insgesamt umsetzen? Was wären wirkungsvolle präventive Massnahmen?

Der Mangel an Heilpädagoginnen und Heilpädagogen ist im Kanton Zug geringer als anderswo, aber es gibt ihn auch bei uns. Wie hilft der neue Studiengang dagegen?
Das Interesse an der Arbeit als SHP ist bei einem Teil der Lehrpersonen durchaus gross und wird als berufliche Weiterentwicklungsmöglichkeit gesehen. Wir können als Studiengang eine gewisse Flexibilität anbieten, indem Module erstreckt oder verschoben werden können. Ganz im Sinn des lebenslangen Lernens! Und wir können uns immer wieder bemühen, dass die Inhalte auf die jeweilige Praxis angewendet werden können und man so einen Qualitätsgewinn für die eigene Arbeit hat. Für beides soll unser Studiengang stehen: Flexibilität und ein möglichst guter Bezug zwischen den Inhalten und der praktischen Tätigkeit. Gleichzeitig will ich aber festhalten: Die Flexibilisierung und die Ausrichtung auf die praktische Tätigkeit muss von den Studierenden mit hoher Selbstverantwortung geleistet werden. Wer es einfach haben will und die Verantwortung für das eigene Lernen lieber delegiert, ist mit einem stark strukturierten Studium, wo man wöchentliche Veranstaltungen hat und dazwischen seine Hausaufgaben erledigt, besser bedient.

Was würde sonst noch dagegen helfen?
Wenn ich darauf die ultimative Antwort hätte, würde ich bei all’ den Schulen anheuern, die verzweifelt nach Fachkräften suchen. Ich habe vor einiger Zeit eine dieser generativen KIs dazu befragt. Als eine erste Massnahme wurde «Zeitgemässe Ausbildung» genannt. Das hat mich natürlich gefreut. Damit sind wir auf dem richtigen Weg. Dann war die Mitarbeitendenzufriedenheit und -bindung sehr wichtig. Es wurden flexible Arbeitszeiten und attraktive Arbeitsbedingungen erwähnt. Es hilft, wenn wir es schaffen, dass Lehrberufe und sonderpädagogische Funktionen ganz allgemein ein positives Image haben. Weiter wurde erwähnt, dass man sich dafür einsetzen soll, dass wenig anspruchsvolle Aufgaben digitalisiert oder automatisiert werden, damit sich die Fachkräfte auf die spannenden Prozesse konzentrieren können. Und schliesslich wurde noch der Punkt «Talentförderung» genannt. Gerne ergänze ich hier einen eigenen Gedanken: Neu im Gesundheitsbereich oder schon länger in grösseren Firmen gibt es bezahlte Aus- und Weiterbildungen. Mit Blick auf unsere Studierende, wie ich sie oben beschrieben habe, würde das die Schwelle zur Ausbildung massiv senken. Ökonomisch gedacht wären das auch keine Kosten, sondern Investitionen, von denen wir gesellschaftlich sehr profitieren würden. Zusammenfassend könnte man also sagen: Ein positives Bild sonderpädagogischer Lehrberufe aufbauen, entsprechende Talente fördern, ihnen den Zugang zur Weiterqualifikation so einfach wie möglich machen und schliesslich gut zu ihnen schauen. Das müsste eigentlich zu einem nachhaltig positiven Effekt führen.


Klaus Joller-Graf ist ausgebildeter Primarlehrer und hat nach einigen Jahren Berufstätigkeit an der Schule Stans an der Universität Zürich Pädagogik, Sonderpädagogik und Allgemeine Didaktik studiert. Als Schulischer Heilpädagoge (SHP) war er an der Schule Stansstad-Kehrsiten tätig und hat dann an der Universität Zürich zur Didaktik des integrativen Unterrichts promoviert. Joller-Graf ist seit zwanzig Jahren in der Ausbildung von Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen tätig, davon war er die meiste Zeit Leiter der Berufsstudien im Master SHP der PH Luzern. Nach einem Masterabschluss an der Universität Hamburg in Higher Education (Hochschuldidaktik, Hochschulentwicklung und Hochschulforschung) hat er zusammen mit einem Team den Masterstudiengang Sonderpädagogik (Vertiefungsrichtung Schulische Heilpädagogik) an der PH Zug konzipiert und hat dort die Funktion der Programmleitung inne.

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