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04.12.2024

Immer mehr Bürokratie im Bildungswesen

04.12.2024
Mathias Binswanger über "Excellence by Nonsense" in der Bildung.
MB
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Mittlerweile hat fast ein Viertel der Beschäftigten an Fachhochschulen nichts mit Lehre und Forschung aber auch nichts mit technischen Diensten oder der Bibliothek zu tun. Die Gefahr besteht, dass sie den Forscherinnen und Forschern die Freude verderben. Querbezüge zu allen anderen Schulstufen sind erlaubt.

Von Mathias Binswanger*

Bildungsinstitutionen wie Universitäten oder Fachhochschulen werden seit Jahrzehnten immer bürokratischer. Vor allem das Aufkommen des New Public Managements (NPM) führte zu einem entscheidenden Bürokratieschub. Das NPM, welches in den 1990er Jahren zunehmend populär wurde, ging davon aus, dass Hochschulen, wie auch andere öffentliche Organisationen, nur dann effizient managen lassen, wenn sie wie private Unternehmen mit Zielvorgaben und Kennzahlen geführt werden. Im Bestreben danach, Universitäten aber auch Fachhochschulen immer «exzellenter», «wettbewerbsfähiger» und «besser» zu machen, wurden in grossem Stil Daten über Publikationen und Zitationen, Absolventen, eingeworbene Drittmittel oder Rankings gesammelt, was zur Schaffung vieler zusätzlichen Stellen führte.

Dieses Phänomen wurde von Michael Power schon 1997 in seinem Buch «The Audit Society» anschaulich beschrieben. Controlling-Anstrengungen werden immer mehr zum Selbstläufer. Auditoren prüfen Dokumente, die nur dafür produziert wurden, von Auditoren geprüft zu werden. Es kommt zu einer arbeitsintensiven Überprüfung einer Scheinwirklichkeit, die unabhängig von der tatsächlichen akademischen Tätigkeit an einer Hochschule existiert. Diese müssen Aufwand betreiben, um all die Indikatoren zu erheben und dann kontinuierlich dafür zu sorgen, dass man bei den Rankings immer besser abschneidet. Aber dieser ganze Prozess ist ein Nullsummenspiel. Nicht alle können besser sein als alle andern. Folglich steckt man immer mehr Aufwand in einen Prozess, der sich als Rattenrennen entpuppt. Da alle mehr messbaren Output (Publikationen, Forschungsprojekte) produzieren, verbessert sich die Situation insgesamt nicht. Die meisten Institutionen sind weiterhin zweitklassig, da es an der Spitze nur Platz für ein paar wenige Eliteinstitutionen gibt. Der Unterschied liegt aber darin, dass im Vergleich zu vorher viel mehr messbarer Output produziert wird, die Bürokratie weiter ansteigt und immer weniger Zeit für eigentliche Forschung zur Verfügung steht. Ein Phänomen, dass ich einmal als «Excellence by Nonsense» bezeichnet habe.

Um die Qualität zu sichern, wurden zusätzlich Akkreditierungen zum Standard, Im Bestreben sich gegenüber der Konkurrenz abzuheben, versuchen Universitäten und Hochschulen sich mit prestigeträchtigen internationalen Akkreditierungen zu schmücken. Diese Akkreditierungen sind meist als kontinuierliche Prozesse konzipiert, so dass im Verlauf der Zeit weitere Re-Akkreditierungen notwendig werden. Ist man erst einmal Teil der Akkreditierungsmaschinerie, wird diese zum Dauerbestandteil der Hochschulbürokratie. Für Business Schools heissen die bekanntesten Akkreditierungsagenturen EQUIS, AACSB und AMBA. Diese werden inzwischen als eine Art «Muss» betrachtet, wenn man als Business School ernst genommen werden will. Darüber hinaus gibt es zusätzlich die nationalen, institutionellen Akkreditierungen, die mittlerweile in den meisten Ländern für Universitäten, Fachhochschulen oder Pädagogische Hochschulen vorgeschrieben sind.

Schwamm by Michel Gilgen
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Seit 2013 liegen für die Schweiz auch Zahlen vom Bundesamt für Statistik vor, die aufzeigen, dass ein immer grösserer Anteil der Beschäftigten in Hochschulen nichts mehr direkt mit Ausbildung oder Forschung zu tun hat, sondern Teil der Bürokratie geworden ist. In der Statistik wird die Kategorie «administratives Personal» erfasst, Bei dieser Kategorie sind das technische Personal aber auch die Mitarbeiter in den Bibliotheken nicht miterfasst. Es geht also um Jobs, die eindeutig bürokratischer Natur sind.  Dabei zeigt es sich, dass der Anteil des administrativen Personals am gesamten Personal an Schweizer Universitäten von 2013 auf 2020 von 17.7% auf 19.2 angestiegen ist. Und bei Fachhochschulen hat sich der entsprechende Anteil von 21.9% auf 23.7 Prozent erhöht. Will heissen: mittlerweile hat fast ein Viertel der Beschäftigten an Fachhochschulen nichts mit Lehre und Forschung aber auch nichts mit technischen Diensten oder der Bibliothek zu tun.

Wenn deshalb von Bildungskosten die Rede ist, sollte man in Zukunft verstärkt die Frage stellen, woher diese Kosten tatsächlich kommen. Ein erheblicher Anteil ist einer steigenden Controlling-Bürokratie geschuldet, die auch an Hochschulen aber auch an Schulen immer mehr um sich greift. Gegen diese wird aber nicht vorgegangen. Ganz im Gegenteil! Das Controlling wird immer weiter ausgebaut, was nicht nur die Kosten in die Höhe treibt, sondern den tatsächlich in Forschung und Lehre tätigen Menschen die Freude an ihrem Beruf zunehmend zerstört. Darunter leidet wiederum die Qualität der Bildung. Denn nur ein Lehrer, Professor, oder Forscher, der auch Freude an seiner Tätigkeit hat, ist letztlich ein guter Lehrer, Professor oder Forscher.  


*Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen. Binswangers Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Makroökonomie, Finanzmarkttheorie, Umweltökonomie sowie in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Glück und Einkommen. Er ist Autor der Bestseller "Die Tretmühlen des Glücks" (2006) und "Sinnlose Wettbewerbe" (2010). Zu seinem Profil bei der FHNW geht es mit diesem Link.

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