Navigieren auf Schulinfo Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation
05.12.2022

Zwischen Meisterleistung und Fiasko / Teil II

05.12.2022
Integration: zwischen pädagogischer Meisterleistung und menschlichem Fiasko. Von Beat Kissling.
BK
Bild Legende:

Die Integration ist die grösste Schulreform der letzten dreissig Jahre. Noch immer wird sie leidenschaftlich diskutiert. Stattdessen sollten wir stärker fragen, was Kinder benötigen, um unbeschwert lernen zu können. In seinem zweiteiligen Beitrag (Link: Teil 1 erschien im November 2022) geht der Autor den Antworten auf diese Frage vertieft nach. Im Lichte dieser Auslegeordnung kann betrachtet werden, wie Integration gelingen kann und wo es Grenzen gibt.

Von Beat Kissling*

John Hattie: «Auf die Lehrer kommt es an»
Der Name des berühmten neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie ist seit einigen Jahren den meisten Lehrpersonen ein Begriff. Ihm ist zu verdanken, dass mehrere tausend Studien zur Wirksamkeit von Unterricht im angelsächsischen Raum und die vergleichenden Ergebnisse in Form von Metastudien ausgewertet werden konnten. Diese Studien erbrachten eine klare empirische Evidenz, wovon erfolgreicher Unterricht primär abhängt: Es sind die Lehrpersonen. Gemäss Hattie, der sein Engagement aus guten Gründen insbesondere in die Lehrerbildung steckt, müssen die Lehrernovizen v. a. eines besonders zuverlässig lernen, und zwar ihren eigenen Unterricht durch die Augen ihrer Schülerinnen und Schüler sehen zu können – die perfektionierte Form des lernenden Dialogs oder, wie Hattie sagt, des «Feedbacks». Hatties Zürcher Kollege, der Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Erziehungswissenschaften, Roland Reichenbach, hat ganz in diesem Sinne in einer eigenen Formel das Geheimnis, was gute Lehrpersonen auszeichnet, auf den Punkt gebracht, indem er sagt:

»Es gibt keine guten Schulen ohne gute Lehrpersonen. Und diese Lehrpersonen müssen den Schülerinnen und Schüler klar machen:
Erstens: Was du hier lernst, ist wirklich wichtig.
Zweitens: Mir ist es ein Anliegen, dass du das lernst.
Drittens: Ich glaube fest daran, dass du das schaffst.
Viertens: Ich werde dir dabei helfen und dich unterstützen.
Schüler, die solche Lehrer haben, sind glücklich zu schätzen».[1]

Die besondere Bedeutung des gemeinsamen Unterrichts
Ein weiteres zentrales Element im Unterricht und in der Schule, welches das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler ganz wesentlich prägt, ist die Atmosphäre und die Kooperationsfähigkeit innerhalb einer Schulklasse und sogar einer ganzen Schule. Wer diese Aussage überprüfen möchte, kann dies im Gespräch mit schulpflichtigen Kindern oder Jugendlichen ohne weiteres in Erfahrung bringen. Umso fragwürdiger erscheint es, dass in der heutigen Lehrerbildung sowie in der Schulentwicklung insgesamt die sogenannte Individualisierung des Unterrichts zusammen mit der Methode des «selbstorganisierten» Unterrichts (SOL) – möglicherweise noch verknüpft mit «selbstentdeckendem» Lernen – ausserordentlich stark forciert wird. Der Schüler wird auf sich selbst zurückgeworfen, statt auf den Austausch mit Klasse und Lehrperson hingeführt. Hinzu kommt die forcierte Digitalisierung des Unterrichts. Auch sie akzentuiert die individualisierte Form des schulischen Lernens. Lehrpersonen, die heutzutage dennoch einem gemeinsamen Unterricht in ihrer Schulklasse den Vorzug geben, die den Lernprozess der Klasse führen, anleiten, die Zusammenarbeit unter den Schülerinnen und Schülern aktiv fördern und Dynamiken innerhalb des Klassenverbands konstruktiv lenken, die also einen sogenannten «lehrerzentrierten» Unterricht gestalten, haftet per se das undifferenzierte Negativ-Etikett «Frontalunterricht» an. Heute erfahren die Studierenden in der Lehrerbildung, dass eine Lehrperson nicht mehr lehren solle. Lehren, heisst es, sei antiquiert, sozusagen eine Macke älterer Lehrpersonen, die nicht loslassen könnten. Die Verantwortung fürs Lernen sollte den Schülern möglichst vollständig übergeben werden. Die Lehrperson habe nur noch die Rolle eines Coachs oder Lernbegleiters zu übernehmen. Dass es aber gerade der gemeinsame Unterricht ist, der eine besondere, stützende integrative Wirkung hat, scheint darüber vollkommen in Vergessenheit geraten zu sein.

Interessanterweise wird in der angelsächsischen Welt seit einigen Jahren der «dialogische Unterricht» als besonders nachhaltiges, erfolgreiches schulisches Lernen unter Wissenschaftlerinnen diskutiert und als geeigneter Weg zur «Sozialisierung der Intelligenz» beschrieben. Gemeinsames Lernen und der lehrerzentrierte Unterricht wird damit sozusagen wieder neu entdeckt. Wer als Primarlehrperson über Jahre beobachten konnte, was den schwächeren Schülerinnen und Schülern besonders hilft, dem Unterrichtsverlauf gut folgen zu können, weiss, wie wichtig es für sie ist, gemeinsam in der Klasse unter Anleitung und Führung der Lehrperson, eine grössere Anzahl Aufgaben zu lösen. Die viferen Schülerinnen und Schüler können in einer solchen Situation zeigen, dass sie den Stoff schon begriffen haben, während die unsicheren, rasch abgelenkten Kolleginnen und Kollegen enorm froh sind, wenn sie die Lösungswege von mehreren ihrer Kameradinnen und Kameraden nachvollziehen und abschauen können, bevor sie dann alleine vor der neuen Aufgabe stehen. Gelingt es der engagierten Lehrperson, in der gemeinsamen Auseinandersetzung über ein Thema Freude an der Sache zu vermitteln, durch eigene Begeisterung und angemessene Anforderungen verbunden mit einem respektvollen Umgang eine eifrige Lernstimmung zu stimulieren, das Interesse der Schülerinnen und Schüler aneinander und die Hilfsbereitschaft untereinander zu wecken, kann den Selbstzweifeln bei den Unsicheren erfolgreich entgegengewirkt werden und Konkurrenzverhalten grundsätzlich entschärft werden. Auf diese Weise lösen sich viele Disziplinarprobleme sozusagen von selbst und praktisch alle Anwesenden sind in der Regel voll dabei, zumal für alle die Chance bestehen bleibt, mitgenommen zu werden. Die Methode, wie dies ohne ein besonderes Engagement der Lehrperson (lehrerzentriert) geschehen sollte, muss wohl noch erfunden werden. Sie würde nämlich voraussetzen, dass der gesamte pädagogische Gehalt des Unterrichts aus den Schülerinnen und Schülern selbst strömen müsste.

In seinem höchst lesenswerten Buch «Für die Schule lernen wir. Plädoyer für eine gewöhnliche Institution» unterstreicht Roland Reichenbach diese gemeinschaftliche Grundorientierung des Unterrichts, wenn er die Stellung der Schule «als Repräsentantin der Kultur und ihre besondere konstitutive Bedeutung für die moderne Gesellschaft» in Erinnerung ruft. Entgegen dem aktuellen Trend eines konstruktivistischen Credos, es gehe im Unterricht um den Aufbau individueller «eigener Welten» –  Reichenbach spricht hier von solchen Lernenden als «Individualkunden» – geht es in der Schule um «die Befähigung, an einer gemeinsamen Welt zu partizipieren und darin Sinn zu finden».[2] Die pädagogische Funktion der Schule ist es gerade, den Sinn für das Gemeinsame, das Geteilte, also den Gemeinsinn zu fördern, «eine Fähigkeit, die entwickelt, geübt und erworben werden muss, durch das Denken und Nachdenken selber».[3] Ohne Zweifel kann dies nicht vorwiegend im SOL geschehen.

Integrativer Anschauungsunterricht
Wer einmal einem höchst erfolgreichen Unterricht mit der Integration verschiedener Schülerinnen und Schüler folgen möchte (ohne Unterstützung durch eine schulische Heipädagogin), bei denen manche in einer Schweizer Volksschule heutzutage die bekannten Diagnosen ADHS, ADS, Formen des Autismus usw. verpasst erhielten und deren Funktionieren (Stillsitzen und Konzentrieren) medikamentös garantiert würde, sei der französische dokumentarische Film «Etre et Avoir» (2002) empfohlen. Er zeigt einen Lehrer, der in den Avennen Bauernkinder im Alter zwischen ca. 6 und 14/15 Jahren gemeinsam unterrichtet. Der Regisseur, der lange nach einem beispielhaften Unterricht gesucht hatte, begleitete diese Schulklasse mit seinem Filmteam während eines halben Jahres. So hat man als Zuschauer das Privileg, einem authentischen Geschehen im spontanen Alltag einer Schulklasse Schritt für Schritt folgen zu können. Für jeden Beobachter, jede Beobachterin sind die wesentlichen Elemente, worauf der Erfolg des Lehrers beruht, intuitiv ersichtlich:

  • die väterlich-herzliche und zugleich Sicherheit und Orientierung vermittelnde Haltung den einzelnen Schülerinnen und Schüler sowie der Klasse gegenüber;
  • das unermüdliche Engagement und die individuelle, fördernde sowie fordernde Fürsorge um jedes Kind gemäss seinen Bedürfnissen; dabei die besondere Fähigkeit, nie ein Kind aus den Augen zu verlieren und eine echte Verbindlichkeit für alle herzustellen;
  • die Geduld und zugleich das beharrliche Einfordern der angemessenen Lernerwartungen;
  • die Fähigkeit, in der Klasse eine ernsthafte, zugleich aber freundschaftlich-kooperative Stimmung zu schaffen;
  • das angewendete Modell für die zwischenmenschliche Beziehung, welches auf Respekt, Wertschätzung, Verständnis und Interesse füreinander beruht;
  • die Gleichwertigkeit, die den Schützlingen entgegengebracht wird, ohne die Rolle als verantwortlicher Pädagoge aufzugeben;
  • die Glaubwürdigkeit und Authentizität.

Konklusion mit einer Bemerkung zur Inklusion
Das Beispiel aus dem Film «Etre et Avoir» sowie die früheren Erfahrungen mit erfolgreicher Integration auf dem Land zeigen, dass der ethische Anspruch dieser Unterrichtsweise durchaus funktionieren kann – sogar ohne spezielle heilpädagogische Unterstützung. Dies setzt allerdings zwingend voraus, dass sich alle Kinder in einer solchen Klasse wohlfühlen und unbeschwert lernen können, sodass sie gerne in die Schule gehen und für ihre gesamte Persönlichkeitsentwicklung (kognitiv, sozial und emotional) gut profitieren können. Damit diese Bedingungen erfüllt sind, ist wiederum erforderlich, dass jedes Kind dem Unterricht – mit der individuell notwendigen Unterstützung – folgen und auch aktiv mittun kann. Dies setzt im spontanen gemeinsamen Lernen Verständnis, Wohlwollen, gegenseitige Hilfe, Toleranz und Kooperationsfreudigkeit als soziale Grundwerte in der Klasse voraus. Für kognitiv beeinträchtigte Kinder und Jugendliche besteht diese Grundvoraussetzung des gleichwertigen Mitwirken-Könnens im Unterricht nicht. Sie sind überfordert. Deshalb kann die echte Integration solcher Kinder und Jugendlicher nicht gelingen. Vielmehr wird bei ihrer Integration in eine Regelklasse eine künstliche, pädagogisch äusserst unglückliche Situation geschaffen. Diese Kinder bleiben notgedrungen in einer Regelklasse letztendlich immer isoliert, in jeder Hinsicht unterlegen, zumeist hilflos und unfähig, im spontanen Schulleben und -lernen mitzuwirken. Erfahrene Heilpädagogen sprechen hier vom «Exoten» in einer Schulklasse. Für alle Beteiligten führt eine solche Situation nur zu einer äusserst unbefriedigenden Überforderungssituation und dient zuallerletzt den geistig behinderten Schülern bzw. Schülerinnen. Sie können keine stärkenden Erfahrungen machen. Auch das Beispiel, das Roger von Wartburg in seinem Beitrag angeführt hat [4], zeigt dies klar auf.

In diesem Zusammenhang noch einige wenige Worte zur Inklusion, die sich in der Schweiz bisher glücklicherweise (noch) nicht durchgesetzt hat. Denn Inklusion hat noch viel weitreichendere Konsequenzen als die Integration. Die Promotoren der Inklusion sprechen von einer notwendigen grundsätzlichen Revolutionierung der Schule überhaupt. Als Institution soll diese völlig umgestaltet werden – ohne jegliche Gliederung der Schulklassen nach Leistung. Sämtliche möglichen Niveaus sollen nach dieser Vorstellung miteinander im selben Setting lernen. Heterogenität bzw. Diversität und Vielfalt an Unterschiedlichkeit der beschulten Schülerinnen und Schüler kann laut Theorie der Inklusion nicht gross genug sein. Sie ist hocherwünscht. Gemeinsamer Klassenunterricht kann entsprechend natürlich nicht stattfinden. Jeder Schüler, jede Schülerin wird vielmehr in die eigene Lernblase entlassen, nur phasenweise von zahlreichen, professionellen und weniger professionellen Erwachsenen begleitet. Laut Inklusionsideal lernen Gymnasiastinnen und Gymnasiasten neben geistig behinderten Kolleginnen und Kollegen teils gar neben Kindern und Jugendlichen, die körperlicher Pflege bedürfen (z. B. Windeln wechseln usw.). Evidenterweise entspricht dieses Ideal genau den Vorstellungen einer vollkommen individualisierten Schule und man fragt sich, wie auf diese Weise so etwas wie Gemeinsinn entwickelt werden könnte. Hört man deutschen Sonderpädagoginnen und -pädagogen von solchen Inklusionsschulen, die dort längst eingeführt sind, zu, fällt es schwer und macht betroffen, sich die geschilderten Zustände an den eigenen Schulen auszumalen. Gerade jene Lehrpersonen in Deutschland, die sich professionell den besonders schwachen und bedürftigen Kindern und Jugendlichen annehmen sollten, haben inzwischen lediglich die undankbare Aufgabe, in völlig chaotischen Schulklassen, vollkommen entgleiste Dynamiken aufzufangen und zu beruhigen. Im Namen unserer Kinder ist sehr zu hoffen, dass uns solche verheerenden schulischen Bedingungen erspart bleiben.


*Dr. phil. Beat Kissling ist Erziehungswissenschaftler, Psychotherapeut und Hochschuldozent. Mit seinem 2021 erschienen Buch «Sind Inklusion und Integration in der Schule gescheitert? Eine kritische Auseinandersetzung» hat er den Versuch unternommen, der stagnierten Debatte über Integration/Inklusion eine versachlichte Reflexion durch einen eigenständigen praktischen sowie theoretischen Zugang gegenüberzustellen. Eine Buchvorstellung findet sich nach dem Quellenverzeichnis.


Quellen
[1] Reichenbach, R. (2015, 26. Juni). Kein Mensch ist bildungsfern (Interview). SRF. Verfügbar unter https://www.srf.ch/wissen/lernen-gewusst-wie/kein-mensch-ist-bildungsfern.

[2] Reichenbach, R. (2013). Für die Schule lernen wir. Plädoyer für eine gewöhnliche Institution. Klett Kallmayer, Seelze, S. 17

[3] dito S.31

[4] lvb inform. Zeitschrift des Lehrerinnen-​ und Lehrervereins Baselland, Schuljahr 20/23, Nummer 01, September 2022, S. 8 ff. (siehe "Zwischen Meisterleistung und Fiasko / Teil I")


Buchvorstellung

BBK
Bild Legende:

red. Wir blicken in der Schweiz mittlerweile auf 30 Jahre Erfahrung mit Integration zurück und müssen konstatieren, dass die Standpunkte zu dieser Reform nach wie vor äusserst polarisiert sind, nämlich zwischen Ablehnung und euphorische Zustimmung.

Beat Kissling hat als Erziehungswissenschaftler, Psychologe mit klinischem und anthropologischem Hintergrund, langjährige Erfahrung als Volksschullehrer und in der Lehrerbildung mit seiner Publikation (2021) «Sind Inklusion und Integration in der Schule gescheitert? Eine kritische Auseinandersetzung» den Versuch unternommen, der stagnierten Debatte über Integration/Inklusion eine versachlichte Reflexion durch einen eigenständigen praktischen sowie theoretischen Zugang gegenüberzustellen. Zwei Prämissen stehen zu Beginn: zum einen der Hinweis darauf, dass es v.a. die verhaltensauffälligen und sozial beeinträchtigen Schülerinnen und Schüler sind, deren Integration für gewöhnlich die Lehrerschaft pädagogisch besonders herausfordern. Zum anderen wird auf die Tatsache hingewiesen, dass Kinder und Jugendliche mit und solche ohne Behinderung hinsichtlich ihrer grundlegenden Bedürfnisse in der Schule sich nicht gross unterscheiden.

Die Leser des Buches erhalten zunächst anhand unterschiedlicher Fallbeispiele einen phänomenologischen Zugang zur Integrations-/Inklusionsthematik, wodurch Erfolg und die Gefahr von Misserfolg fürs Erste fassbar werden. Das folgende Überblickskapitel nimmt eine Bestandesaufnahme der Einstellungen, Motivationen und Gesichtspunkte (für Deutschland und die Schweiz) vor, wie sie sich seit dem 2. Weltkrieg für die Betreuung und schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung/Einschränkung/Handikap entwickelt haben. Im ausführlichen dritten Kapitel zu Fragen der anthropologischen Voraussetzungen des Lernens fasst Kissling im ersten Schritt Aussagen einiger seiner ehemaligen Maturandinnen und Maturanden zusammen, die er im Interview darüber hat nachdenken lassen, was in ihrer schulischen Karriere jeweils förderlich bzw. hinderlich war. Danach unternimmt er einen sehr ausführlichen, aber gut verständlichen Exkurs in relevante Forschungszweige der anthropologischen Wissenschaften, der die Eigenschaften von uns Menschen aufzeigt, die mit Lernen allgemein und mit schulischem Lernen im Besonderen wesentlich sind. Der Autor verbindet also subjektive Betrachtungen und Reflexionen junger Studentinnen und Studenten in ihrer Rückschau mit den neusten wissenschaftlichen Einsichten zum Verständnis des menschlichen Lernens und Strebens und konstatiert sehr viel Übereinstimmung.

Ein weiteres umfassendes Kapitel befasst sich mit der Erörterung grundlegender erziehungswissenschaftlicher Perspektiven sowie gut dokumentierter praktischer Fallbeispiele zur schulischen Lernsituation, teils nachlesbar in gewissen Werken der Weltliteratur sowie in ausführlichen Fallberichten, die dem praktischen Erfahrungsschatz aus Heilpädagogik, Pädagogik und Psychologie entnommen sind. Dabei wird der Fokus auch auf die vorwiegend angelsächsische Neuentdeckung des «dialogischen Lernens» gelegt, das ein differenzierendes Licht auf die Frage der Unterrichtsgestaltung legt. Im Unterschied zur aktuell sehr stark geförderten Individualisierung des Unterrichts weist Kissling damit auf die besondere pädagogische und sozio-kulturelle Bedeutung gemeinsamen Lernens im Klassenkollektiv und dessen unterschätztes Potential hin. Im Schlusskapitel kommt der Buchautor nochmals sorgfältig differenzierend zu seinen begründeten Schlussfolgerungen hinsichtlich der Forschungsfrage, welche Voraussetzungen gesichert sein müssen, damit Integration ohne grössere Risiken für die Schulklassen und die einzelnen Schülerinnen und Schüler, insbesondere die integrierten Kinder und Jugendlichen, vorgenommen werden kann. Die Stärke dieser Publikation ist die vom Autor gut verständliche sowie überzeugend dargestellte Verbindung von Theorie und Praxis bei der Auseinandersetzung mit den sich allgemein stellenden Fragen zu Integration und Inklusion.

Kissling, Beat (2021): «Sind Inklusion und Integration in der Schule gescheitert? Eine kritische Auseinandersetzung», Hofgrefe AG. Link für die Bestellung.

Weitere Informationen

hidden placeholder

behoerden

Fusszeile