Navigieren auf Schulinfo Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation
  • Fokus
  • Gute Schule — Wissen wir, was wir wollen?
09.10.2014

Gute Schule — Wissen wir, was wir wollen?

09.10.2014
Schulreformen haben zurzeit Konjunktur. Kaum ein Kanton, der nicht dabei ist, seine Schulen zu erneuern und mit Projekten verschiedenster Art einzudecken. Dabei ist viel guter Wille im Spiel. Aber ...
Bild Legende:

Schulreformen haben zurzeit Konjunktur. Kaum ein Kanton, der nicht dabei ist, seine Schulen zu erneuern und mit Projekten verschiedenster Art einzudecken. Dabei ist viel guter Wille im Spiel. Aber der gute Wille beruht nicht immer auf guten Ideen. 

Von Walter Herzog

Was auffällt, ist insbesondere, dass die vielen Reformen wenig koordiniert sind, kaum aus einer Gesamtbetrachtung hervorgehen und vorwiegend formale Aspekte der Schule betreffen. Erneuert werden die schulischen Strukturen, die Organisation von Schule, die Steuerung des Bildungssystems, die Anforderungen an die Lehrpläne und vieles mehr, während über Ziele und Inhalte von Schule und Unterricht kaum eine Diskussion stattfindet. Und findet sie trotzdem statt, dann verbeisst man sich in Details, wie im Falle des Frühfranzösisch. Im Übereifer, mit dem wir unsere Schule institutionell reformieren, lassen wir die zentrale Frage, was wir mit unserer Schule wollen, unbeantwortet.

Ich sehe darin eine problematische Entwicklung, die es den direkt Betroffenen (wie insbes. den Lehrpersonen) nicht nur schwer macht zu erkennen, wo der Sinn der Reformen liegt, sondern in der breiten Öffentlichkeit auch zunehmend auf Widerstand stösst, da Steuergelder für Reformen verschwendet werden, die nicht erkennen lassen, dass sie zu einer besseren Schule führen. Ich möchte im Folgenden begründen, weshalb ich gegenüber vielen der laufenden Schulreformen skeptisch bin. Die Kürze des Beitrags wird es mit sich bringen, dass ich etwas zugespitzt argumentiere, jedoch hoffe ich, dass meine Position dadurch umso klarer zum Ausdruck kommt. Im ersten Schritt versuche ich, eine knappe Zeitdiagnose zu formulieren, um dann im zweiten Schritt die Reformhektik an unseren Schulen einer Kritik zu unterwerfen.

Hoffnung auf ein besseres Leben
Lange Zeit hatten die Menschen den Eindruck, dass früher alles besser war. Der Massstab, nach dem sie ihr Leben beurteilten, lag in der Vergangenheit. Mythen erzählten, wie die kosmische und soziale Ordnung aus einem Anfang hervorgegangen waren, den man sich als Chaos und Gestaltlosigkeit vorstellte. Im Urzustand der Menschheit fand zwischen Himmel und Erde noch ein direkter Austausch statt. Dann aber geschah ein Unheil, eine Hybris der Menschen, die die Götter erzürnte und dem Goldenen Zeitalter ein Ende setzte. Die Schuld, die die Menschen auf sich luden, vertrieb sie aus der göttlichen Obhut und leitete einen Niedergang ein, der ihnen Unheil und Unordnung brachte. Doch die Menschen bereuten ihre Untat und glaubten, durch angemessene Sühnehandlungen ins verlorene Paradies zurückkehren zu können, wo sie das ursprüngliche Glück wiederfinden würden.

Dieses rückwärtsgewandte Denken übertrug sich auf die Religionen, die zwar – wie im Christentum – anerkennen, dass sich das Rad der Zeit nicht zurückdrehen lässt, aber damit rechnen, dass Gott wiederkehren und die ursprüngliche Ordnung wiederherrichten wird. Je grösser das Leid, desto stärker der Glaube, dass die Erlösung vom irdischen Elend kurz bevorsteht. Über Jahrhunderte lebten die Menschen in der nostalgischen Haltung, dass wieder kommen wird, was einmal war, da die bessere Alternative zur Gegenwart in der Vergangenheit liegt, die man sich aufgrund einer fatalen Selbstüberschätzung verscherzt hatte.

Die Situation änderte sich, als die Menschen aufgrund sozialer und kultureller Umwälzungen, die im 14. Jahrhundert ihren Anfang nahmen und im 17. und 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichten, ein neues Selbstverständnis ihrer Stellung im Kosmos erlangten. Nun wurde das Fliessen der Zeit nicht mehr als ein Sich-weg-Bewegen von einem ursprünglich besseren Zustand empfunden, sondern ganz im Gegenteil als ein Sich-hin-Bewegen in eine Zukunft, die besser sein wird als alles, was es jemals gegeben hat. Unterstützt von einer Philosophie, die aus dem Schatten der Theologie hervorgetreten war (wie bei Descartes, Leibniz oder Kant), entledigten sich die Menschen ihrer Schuldgefühle und trauten sich zu, in die Fussstapfen Gottes zu treten. Stilisiert zum schöpferischen Genie, wandelte sich das Bild des Menschen nicht nur in den Künsten. Politische und gesellschaftliche Utopien schossen ins Kraut, denen bald auch wissenschaftlich-technische Zukunftsvisionen folgten. An die Stelle der göttlichen Heilsgeschichte trat eine Menschheitsgeschichte, die das Paradies gleichsam vom Anfang der Geschichte an deren Ende verlegte.

Am Ende der Geschichte?
Seit einiger Zeit scheint die Erwartung, dass es in Zukunft besser sein wird als in der Vergangenheit, zu ermatten. Zu viel mussten wir erleben, als dass wir noch glauben können, dass sich die Menschen auf dem Weg in paradiesische Verhältnisse befinden. Das 20. Jahrhundert war in verschiedener Hinsicht eine Zeit des Schreckens. Auch wenn die Zeichen der Hoffnung nicht gänzlich verblasst sind, fehlt uns angesichts von weltweiten Nöten wie Krieg, Terror, Flüchtlingsströmen, Hunger, Umweltzerstörung, Zerfall von Staaten und anderen von Menschen verursachtem Krisen allmählich der Glaube, dass sich die Menschheit auf dem Weg in eine bessere Zukunft befindet. Wo das 18. Jahrhundert noch überzeugt war, dass sich das «Menschengeschlecht» perfektionieren lässt, und dabei der Erziehung eine wesentliche Rolle zudachte, da macht sich heute Ernüchterung breit. Der Blick in die Zukunft ist zum verstörten Blick geworden. Wie in einem Nebel sehen wir nur mehr verschwommen, wohin es mit uns gehen soll.

Was uns zunehmend abhanden kommt, ist die Überzeugung, dass sich unser Leben im Horizont einer kontinuierlich fliessenden Zeit abspielt. Während wir bisher glaubten, Vergangenheit und Zukunft seien dadurch an die Gegenwart gebunden, dass wir uns entweder vom Goldenen Zeitalter stetig wegbewegten oder ihm beständig annäherten, da fehlt uns heute die Überzeugung, dass dem historischen Wandel ein Sinn unterliegt. Das Netz, das wir einmal ausgeworfen haben, um die Zukunft einzufangen, weist zunehmend Risse auf. Das heisst zweifellos nicht, dass wir mit allem rechnen müssen, aber es heisst, dass die «Unprognostizierbarkeitsschwelle der Zukunft» (Luhmann) immer näher an die Gegenwart heranrückt. In dem Masse, wie sich die Zukunft der Voraussicht entzieht, erweist sie sich als offen – eine völlig neue Situation in der Geschichte der Menschheit, die sich bisher entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft sicher zu orientieren vermochte.

In einer offenen Zukunft sind die Menschen ganz auf sich gestellt, um Halt zu finden. Indem uns nicht mehr gelingt, unsere Gedanken in die Ferne schweifen zu lassen, wo sie in einer vorbildlichen Vergangenheit oder einer erstrebenswerten Zukunft zur Ruhe kommen, wird die Gegenwart aufdringlich und lässt uns immer neue Ideen generieren. Die Vielfalt an Ideen und Konzepten gilt seit Längerem als Charakteristikum unserer Zeit. Der Begriff der Postmoderne, wie er gelegentlich zur Bezeichnung unserer historischen Situation verwendet wird, bringt zum Ausdruck, dass der Pluralismus an kulturellen Stilen und Lebensformen zur Normalität geworden ist. In einem vergleichbaren Sinn meint der Begriff der multikulturellen Gesellschaft ein Gemisch an Traditionen, denen das Recht eingeräumt wird, sich gleichwertig zu behaupten. Die Einheitsvorstellungen schwinden, was es den Menschen entsprechend schwer macht, sich auf gemeinsame Inhalte zu verständigen. Das gilt inzwischen auch für das Bildungswesen.

Flucht ins Formale
Bildung und Erziehung hatten in der Geschichte der Menschheit immer auch die Aufgabe, der nachwachsenden Generation die Überzeugungen zu vermitteln, die in einer sozialen Gemeinschaft vorherrschend waren. In einer rückwärts gewandten Gesellschaft geht es darum, die Kinder und Jugendlichen an die gute alte Zeit zu erinnern und das mythische und religiöse Wissen, das von dieser Zeit zeugt, an sie weiterzugeben. In einer vorwärts gewandten Gesellschaft geht es darum, den Nachwuchs darauf vorzubereiten, dass er in den Prozess der progressiven Verbesserung der menschlichen Verhältnisse eintreten und sich an der Verbesserung der Menschheit beteiligen kann.

Was aber geschieht in einer Gesellschaft, die weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft einen Halt findet, an dem sich Bildung und Erziehung ausrichten lassen? Meine Antwort lautet: Auch hier passiert, dass wir von der Gegenwart gleichsam überrollt werden und unsere Gedanken nur noch kurzfristig orientieren können. Angesichts der schrumpfenden Zeithorizonte breitet sich Hektik aus, die Menschen verfallen in Aktionismus, und die Politik schaltet auf permanente Reform. Schulreform wird zum Dauerbrenner; sie wird institutionalisiert, was aber nur gelingen kann, wenn von den inhaltlichen Aspekten von Bildung und Erziehung abgesehen wird.

Als die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Jahre 2000 ihre erste PISA-Studie durchführte, erklärte sie, dass es bei PISA nicht darum gehe, die Einhaltung der nationalen Lehrpläne zu überprüfen, sondern – losgelöst von dem, was in den Schulen faktisch vermittelt wird – festzustellen, wie gut 15-jährige Jugendliche «auf die Herausforderungen der heutigen Wissensgesellschaft vorbereitet sind» (OECD 2001, S. 14). Im Grundlagenpapier der OECD (1999) zu den PISA-Studien heisst es, mit den Tests in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften solle erfasst werden, in welchem Ausmass junge Menschen über das Wissen und Können verfügen, das sie im Erwachsenenleben benötigen. Kein Bildungskonzept herkömmlicher Art, kein Bildungskanon und kein Ideal der Persönlichkeitsbildung begründen die Zielsetzung der PISA-Studien, sondern der krude Hinweis darauf, was in der heutigen Gesellschaft von den Schulabgängerinnen und Schulabgängern erwartet wird. Den Tests wird aufgetragen, zu messen, ob 15-Jährige über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, «die für das tägliche Leben relevant [sind]» (OECD 2001, S. 18). Massstab ist keine Vergangenheit, die es wert wäre, tradiert zu werden, und keine Zukunft, für die es sich lohnen würde, darauf vorbereitet zu werden, sondern eine Gegenwart, die im Wesentlichen über die vermuteten Bedürfnisse der Wirtschaft definiert wird.

Im gleichen Kontext steht der Kompetenzbegriff. Was unter Kompetenz zu verstehen ist, lässt sich zwar schwer eindeutig sagen, jedoch wird der Begriff zumeist so definiert, dass Wissen und Können in irgendeiner Form miteinander verbunden sind. Die Schule hat in bestimmten Bereichen – wie Lesen, Schreiben, Rechnen etc. – schon immer ein Können vermittelt, in anderen Bereichen – wie Sozialkunde, Geografie, Geschichte etc. – aber vor allem ein Wissen. Künftig soll sich gemäss Lehrplan 21 jedes schulisch vermittelte Wissen als ein Können ausweisen lassen. Dies in der Erwartung, das schulisch Gelernte könne dadurch leichter im späteren Leben angewandt werden. Doch das ist absurd. Denn Kompetenzen haben mit Erfahrung zu tun, die man nur in Ernstsituationen machen kann. Zum kompetenten Bergführer, Arzt oder Finanzberater wird man nicht aufgrund einer guten Ausbildung, auch wenn dies Voraussetzung dazu ist, sondern aufgrund einer beruflichen Erfahrung, die sich nicht schulisch vermitteln lässt.

Wie bei PISA dominiert beim Lehrplan 21 die Rhetorik über die Realität. Da wir aufgrund unserer Unkenntnis der Zukunft immer weniger sagen können, welche Inhalte an unsere Schülerinnen und Schüler zu vermitteln sind, schieben wir formale Ziele vor. Kompetenzen wie Lernkompetenz, Informationskompetenz, Erschliessungskompetenz, Methodenkompetenz oder Reflexionskompetenz (die Liste ist fast beliebig erweiterbar) lassen sich an irgendwelchen Inhalten erwerben, also werden die Inhalte gleich entsorgt. Wissen ist nur mehr zugelassen, sofern es sich einem Können unterordnet. Indem der Unterricht an formalen Fertigkeiten ausgerichtet wird, bläut man uns ein, die Schülerinnen und Schüler würden besser aufs Erwachsenenleben vorbereitet, obwohl wir immer weniger in der Lage sind zu sagen, wie ein Leben als Erwachsener in zehn oder fünfzehn Jahren aussehen wird.

Zum Formalismus passt der Detaillierungsgrad des Lehrplans 21, der verspricht, genauer und verbindlichen festzulegen, was von den Schülerinnen und Schülern erwartet wird. Ein kompetenzorientierter Unterricht zeichne sich dadurch aus, dass «klar und deutlich erkennbar sei, was gelernt werden soll», heisst es im Grundlagenpapier zum Lehrplan 21. Dies ermöglicht es, die Kompetenzen psychometrisch zu überprüfen. Wie im Falle der PISA-Studien soll mittels Tests periodisch kontrolliert werden, ob die Schülerinnen und Schüler tatsächlich lernen, was ihnen zu lernen aufgetragen ist. Während die Erwachsenen immer weniger zu sagen vermögen, was ihnen die Zukunft bringen wird, legen sie für ihre Kinder und Jugendlichen genauer und verbindlicher als je zuvor fest, was diese in der Schule zu lernen haben. Die Standardisierung der Schule führt zu standardisierten Kindern, was in einer Gesellschaft, die vor einer Zukunft steht, die immer weniger standardisiert ist, seltsam anmutet.

Nichts Neues unter der Sonne?
Die PISA-Tests und der Lehrplan 21 sind typisch für viele Bildungsreformen, die in der Schweiz zurzeit laufen. Da uns die Vergangenheit und die Zukunft keine verbindlichen Hinweise mehr zu geben scheinen, woraufhin wir unsere Schule ausrichten sollen, flüchten wir ins Formale. Auch beim HarmoS-Projekt und beim schweizerischen Bildungsmonitoring spielen Inhalte keine nennenswerte Rolle. Im Vordergrund steht der formale Anspruch auf Vereinheitlichung, Vergleichbarmachung und Standardisierung der kantonalen Schulsysteme. Auch bei anderen Reformen stehen Äusserlichkeiten im Vordergrund: Angleichung des Schuleintrittsalters, Verlängerung der obligatorischen Schulzeit (im Rahmen von HarmoS), einheitliche Dauer des Gymnasiums, Zusammenlegung des Kindergartens mit den ersten Primarschuljahren (im Rahmen einer Basis- oder Grundstufe), gleicher Zeitpunkt des Übertritts von der Primar- in die Sekundarstufe, Umsetzung des integrativen Unterrichts (im Rahmen des Sonderpädagogik-Konkordats), Vereinheitlichung der Studienordnung an den Hochschulen (im Rahmen des Bologna-Systems), Anerkennung von Bildungsabschlüssen etc. Ein gutes Beispiel gibt auch die Einrichtung von Tagesschulen. Eine Tagesschule wäre eigentlich eine besondere Art von Schule, die nach pädagogischen Kriterien gestaltet ist, ihre Eigenart daher nur dann umsetzen kann, wenn alle Schülerinnen und Schüler daran beteiligt sind. Stattdessen sind in den vergangenen Jahren in verschiedenen Kantonen Tagesschulen eingerichtet worden, die den Namen nicht verdienen, weil es sich faktisch um Betreuungsangebote handelt, die nach Bedarf der Eltern genutzt werden können. Nicht dass diese Reformen keinen Sinn machen, aber es fehlt ihnen eine pädagogische Begründung, was sie dementsprechend beliebig macht.

Der Formalismus der Reformen erklärt, weshalb die einen von einem Paradigmenwechsel sprechen können (wie in Bezug auf den Lehrplan 21), während die anderen (wiederum in Bezug auf den Lehrplan 21) behaupten, dass alles beim Alten bleibt. Beides stimmt in gewisser Weise. Da kaum eine Diskussion darüber stattfindet, was wir mit unserer Schule wollen, bleibt in der Tat alles beim Alten, da wir aber keine Hemmungen haben, die Schule in ihren Strukturen fast beliebig umzugestalten, bleibt nichts wie es einmal war.

Dass wir es dabei in der Tat mit einer Flucht zu tun haben, zeigt sich spätestens dann, wenn sich die Inhalte trotzdem zu Wort melden. Zum Beispiel bei der Frage, ob im Kindergarten Mundart oder Schriftsprache gesprochen werden soll, bei der Frage, ob Fremdsprachen bereits in die Primarschule gehören und welche es dann sein sollen, beim Sexualkundeunterricht, beim Stellenwert der Naturwissenschaften im Lehrplan, bei der politischen Bildung, beim Musikunterricht etc. Hier besteht keine Möglichkeit, sich aufs Formale zurückzuziehen. Doch bezeichnenderweise finden die Inhalte immer nur isoliert Aufmerksamkeit, nicht eingebettet in eine Gesamtbetrachtung der Schule, was heftige Auseinandersetzungen ermöglicht, die aber selten zu einem befriedigenden Ergebnis führen.

Bilanz
Somit scheint sich meine These zu bestätigen. In dem Masse, wie uns die Vergangenheit und die Zukunft als Orientierungspunkte für die Bestimmung des Auftrags unserer Schule abhanden kommen, flüchten wir in einen Aktionismus, der sich auf die formale Umgestaltung der Schule beschränkt, dabei aber fast beliebig viele Reformen auslösen kann. Jede Reformidee scheint gut genug zu sein, solange sie die schwierige Frage der inhaltlichen Gestaltung unserer Schule unangetastet lässt. Das Ergebnis ist oft unbefriedigend, da man letztlich an der Konzeptlosigkeit, die mit formalen Reformen verbunden ist, scheitert. Enttäuschung macht sich breit, aber auch Verärgerung über die verpassten Gelegenheiten, über falsche Versprechungen und vergeudete Steuergelder, die besser investiert werden könnten, wenn man sich auf eine substantielle Diskussion über unsere Schulen einlassen würde. Die für unsere Gesellschaft wichtige Frage, was wir mit unserer Schule angesichts einer offenen Zukunft wollen, bleibt unbeantwortet, indem sie unter einen dicken Teppich an formalen Reformen gewischt wird.

Walter Herzog ist Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Bern und dort Direktor der Abteilung Pädagogische Psychologie. walter.herzog@edu.unibe.ch.

 

 

Weitere Informationen

hidden placeholder

behoerden

Fusszeile