Schule digital: VR im Unterricht
Eine neue Dimension des Lernens

Der Einsatz von Virtual Reality (VR) im Unterricht eröffnet völlig neue Lernwelten und bietet innovative Ansätze, um komplexe Themen anschaulich zu vermitteln. In der Sekundarschule Hünenberg nutzen Schülerinnen und Schüler bereits seit einigen Jahren VR-Brillen, um geografische, historische und naturwissenschaftliche Inhalte auf eine interaktive Weise zu erleben.
Von Yves Steinmann*
Die Klasse S3b in Hünenberg hat sich einen Traum erfüllt! Eine Reise zum Grand Canyon mit anschliessender Besichtigung des Antelope Canyons klingt nach einem Abenteuer, das viele Entdeckerinnen und Entdecker reizt. Doch für die Schülerinnen und Schüler der 3. Sek wurde diese Erfahrung dank „Virtueller Realität“ tatsächlich wahr. Seit vier Jahren setzen wir im Unterricht teilweise die VR-Brillen „Oculus Quest“ ein und haben wertvolle Erkenntnisse über deren Einsatz gewonnen.
Natürlich darf und sollte der Einsatz digitaler Geräte, gerade in einer Zeit, in der viele Schulen Handyverbote verhängen, kritisch hinterfragt werden. Doch ein bewusster, gezielter Einsatz dieser Technologie in ausgewählten Fächern bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Dieser Artikel zielt nicht darauf ab, die Risiken der digitalen Welt zu analysieren, sondern die vielfältigen Möglichkeiten und Chancen zu beleuchten, die diese Technik bietet – ein Hoch auf die Innovation!
Der Einsatz von Virtual Reality im Unterricht kann zudem vielseitig in den Lehrplan 21 für Medien und Informatik integriert werden. Schülerinnen und Schüler lernen, die Wechselwirkungen zwischen der physischen und virtuellen Welt zu erkennen und ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Zusätzlich sollen sie mit diesem Medium experimentieren, sich darüber austauschen und kreativ mit den digitalen Möglichkeiten umgehen.
Als ICT-Animator begleite ich die Lehrpersonen beim Einsatz der VR-Brillen und zeige ihnen die Möglichkeiten sowie auch die Grenzen auf.

Geografie und Geschichte neu entdecken
Wie eingangs erwähnt, bietet der RZG-Unterricht (Räume, Zeiten und Gesellschaften) ein besonders spannendes Einsatzfeld für VR-Brillen. Durch virtuelle Reisen können Schülerinnen und Schüler kostengünstig und in Sekundenschnelle zu den faszinierendsten Orten der Welt reisen. Sei es die Erkundung des Grand Canyons, eine Wanderung über Gletscher oder der Aufstieg zu Vulkanen – die immersive 360 Grad Erfahrung ermöglicht es, Geografie hautnah zu erleben, was das Verständnis für topografische Zusammenhänge fördert. Zudem werden durch die Erfahrung das Interesse und die Motivation der Lernenden gesteigert, da komplexe Themen greifbarer und interaktiver vermittelt werden. Lern-Apps wie „Brink Traveller“ eröffnen hierbei völlig neue Lernräume, die weit über das klassische Lehrbuch hinausgehen.

Auch geschichtliche Ereignisse sind nun zum Greifen nah. So konnten schon etliche Schulklassen virtuell in das Versteck von Anne Frank eintauchen, es erkunden und dabei eine emotionale Verbindung zu dieser tragischen Geschichte aufbauen. Die Möglichkeit, Räume zu begehen, Gegenstände zu untersuchen und gleichzeitig wichtige historische Ereignisse zu erleben, fördert ein tiefes Verständnis der Geschehnisse. Die Lernenden fühlen sich, als wären sie Teil der Vergangenheit, während Ausschnitte aus dem Tagebuch Anne Franks vorgelesen werden – eine eindrucksvolle, lehrreiche Reise in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs.
Rätsel lösen und kreative Fähigkeiten stärken
Ein weiteres Highlight ist der virtuelle Escape Room „The Room VR – A Dark Matter“. Hier tauchen die Schülerinnen und Schüler in eine mysteriöse Welt ein, in der sie durch das Lösen von Rätseln ihre Kreativität, Logik und Kombinationsfähigkeit schulen. Gleichzeitig werden Lesekompetenzen und Hörverstehen spielerisch gefördert.

Durch die Herausforderung, Zahlenkombinationen zu entschlüsseln, Briefe zu interpretieren und versteckte Hinweise zu entdecken, wird die Neugier geweckt und der Lernprozess auf eine spannende Weise bereichert.

Der menschliche Körper zum Greifen nah: Natur und Technik Unterricht mit VR-Anatomie-Apps
Der Einsatz von VR-Anatomie-Apps im Fach Natur und Technik (NT) eröffnet den Lernenden eine faszinierende Möglichkeit, den menschlichen Körper auf völlig neue Weise zu erkunden. Sie können Organe in 3D betrachten, interaktive Schichten des Körpers freilegen und den Blutkreislauf oder die Funktionen von Muskeln hautnah erleben. Diese Erfahrung fördert das Verständnis komplexer biologischer Zusammenhänge und macht es einfacher, abstrakte Konzepte zu visualisieren. Besonders der Einsatz von Apps wie „Human Anatomy VR“ ermöglicht es, schwierige Themen wie die Funktionsweise des Herzens oder des Gehirns greifbarer und verständlicher darzustellen.
Virtuelle Abenteuer ohne Risiko
Neben dem ernsthaften Einsatz in verschiedenen Fächern, darf der Spass nicht zu kurz kommen. So können Schülerinnen und Schüler durch die VR-Brillen auch einmal spektakuläre Abenteuer erleben, die in der Realität nicht ohne Risiko möglich wären: Sie können sich in einen Wingsuit stürzen, schweisstreibende Boxkämpfe bestreiten (siehe Foto in der Turnhalle) oder sogar als „Iron Man“ durch eine virtuelle Stadt fliegen.
Nach vier Jahren intensiver Nutzung ist der VR-Zauber keineswegs verflogen. Im Gegenteil: Der gezielte Einsatz in verschiedenen Unterrichtsfächern zeigt, dass die virtuelle Realität teilweise wertvolle pädagogische Impulse setzen kann. Die Möglichkeiten scheinen grenzenlos.
*Yves Steinmann ist Klassenlehrer Sekundarstufe I und ICT-Animator an den Schulen Hünenberg – und offen für Fragen zu Virtual Reality im Unterricht (Yves.Steinmann@schulen-huenenberg.ch).