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25.04.2023

Sexualität und Schule: Opfer beraten

25.04.2023
Beispiel Zuger Opferberatung
KG
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Das Erleben von Gewalt wirkt sich beim Opfer negativ auf das Selbstbewusstsein aus. Wenn Kinder und Jugendliche von Gewalt bedroht oder betroffen sind, gilt es angemessen zu reagieren. Dies gilt auch bei Vorfällen von sexualisierter Gewalt.

Von Kathrin Gruber*

Was aber bedeutet «angemessen reagieren»? Am folgenden Beispiel zeigen wir Handlungsansätze aus Sicht der Opferberatung und erklären, weshalb diese eine wichtige erste Anlaufstelle ist. Dabei erklären wir den Auftrag der Opferberatung und weisen auf Trauma spezifische Überlegungen in der Beratung betroffener Menschen hin. 

Ein Anruf bei der Opferberatung
Am Montagnachmittag meldet sich die 15 Jahre alte Rebekka bei der Opferberatung von eff – zett das fachzentrum. Sie sagt am Telefon, dass sie die 2. Oberstufe besuche und vor wenigen Wochen im sexualpädagogischen Unterricht gewesen sei. Die Kursleiterin habe damals darauf hingewiesen, dass sich die Schülerinnen und Schüler sich bei Fragen und Anliegen jederzeit melden dürften. Ihre Freundin Mia habe vor Kurzem einen zwei Jahre älteren Jungen kennen gelernt und sei jetzt mit ihm zusammen. Sie sei sehr verliebt. Das Problem sei, dass er von Mia sexuelle Handlungen fordere, zu denen sie sich noch nicht bereit fühle. Aktuell wolle er, dass sie ihm ein Nacktfoto von sich sende. Mia sei deswegen hin- und hergerissen. Insbesondere weil er ihr gesagt habe, dass er Schluss machen würde, wenn sie sich weigere. Er wolle keine langweilige Freundin. Im sexualpädagogischen Unterricht hätten sie gehört, dass jede Person frei über ihren Körper und die eigene Sexualität entscheiden dürfe. Auch Nacktbilder zu versenden sei gefährlich und in gewissen Fällen sogar verboten. Bisher habe sie Mia davon abhalten können, aber die Zeit dränge und sie wisse nicht wie weiter. Mia fühle sich nicht gut und habe zunehmend Angst vor den Konsequenzen ihrer Entscheidung. Auf keinen Fall wolle sie sich ihren Eltern oder einer erwachsenen Person in der Schule anvertrauen. Sie sei damit einverstanden, dass sie (Rebekka) sich bei der Opferberatung meldet.

eff-zett
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Unterstützung für die Opfer von Straftaten und Gewalt
Im Fall Mia handelt es sich um ein fiktives Beispiel. Fälle dieser Art werden so oder ähnlich an die Opferberatung herangetragen. Diese hat den Auftrag, Menschen, die Opfer von Straftaten und Gewalt geworden sind - oder im Begriff sind, Opfer zu werden - zu unterstützen. An dieser Stelle sei erwähnt, der Begriff «Opfer» ist ein juristischer und mag in manchen Ohren befremdliche Assoziationen auslösen. Umso wichtiger zu wissen ist, dass das Opferhilfegesetz erst seit 1993 in Kraft ist – im Gegensatz zum Strafgesetz, das in der heutigen Form seit 1937 angewendet wird. Davor gab es von staatlicher Seite keine Unterstützung für Menschen, die Opfer von Gewalt wurden.

Der Leistungskatalog der Opferhilfe ist abhängig von der Straftat und reicht von Beratung bis zur finanziellen Unterstützung. Das Beratungsangebot soll niederschwellig und unkompliziert erfolgen. Bei Jugendlichen ist dies besonders wichtig. Ist die Kontaktaufnahme an ein striktes Vorgehen geknüpft oder er erfolgt nicht zeitnah, brechen Betroffene diesen häufig wieder ab. Dies ist deshalb der Fall, weil Menschen, die Opfer von Gewalt wurden verunsichert und besonders verletzlich sind. Das Wissen, dass die Opferberaterin nichts unternimmt, was das Opfer nicht möchte, ist grundlegend für das Vertrauen zwischen Opfer und Beraterin. Die Schweigepflicht hat oberste Priorität. Dies ist gilt auch für minderjährige Klientinnen und Klienten. Im Fall von Mia würde die Opferberaterin die verschiedenen Beratungsmöglichkeiten zur Wahl stellen. Soll ein Gespräch vor Ort, telefonisch, online oder allenfalls eine Mailberatung stattfinden? Möchte Mia ihre Freundin Rebekka dabeihaben? Sobald Mia zu einem Gespräch bereit ist, wird ein zeitnaher Termin vereinbart. 

Sexualität und Schule, Foto Michel Gilgen
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Grundsätze für den Umgang mit Opfern von Gewalt
Losgelöst von der jeweiligen Problemstellung, die an die Opferberatungsstelle herangetragen wird, gibt es wichtige Beratungsgrundsätze im Umgang mit Menschen, die Gewalt erlebt haben. Diese sollen hier nochmals erwähnt werden:

  • Zuhören, ohne die Reaktion des Opfers zu bewerten.
  • Fragen stellen, ohne zu hinterfragen oder genaueres wissen zu wollen.

Bei anderen Fragestellungen erhöht sich das Risiko einer Retraumatisierung. Häufig lösen Gewaltvorfälle Erinnerungslücken im Zusammenhang mit dem Vorfall aus oder der zeitliche Ablauf gerät durcheinander. Deshalb ist es umso wichtiger, dass betroffenen Personen Zeit und Raum haben - es hilft zu erfassen, was passiert ist. Es ist die Aufgabe der Opferberaterin, die Problematik der Situation und das Verhalten der betroffenen Person so einzuschätzen, dass nachfolgende Handlungen nicht zu weiterem Schaden führen. Diese Aufgabe erfordert Empathie, Fachwissen und Erfahrung.

Bei sexualisierter Gewalt fehlen häufig die Worte
Geht es um sexualisierte Gewalt, fällt es jugendlichen Opfern häufig schwerer über den Inhalt zu sprechen als dies bei erwachsenen Personen der Fall ist. Häufig fehlen die Worte und eine angemessene Sprache für sexuelle Handlungen. Schuld- und Schamgefühle sind oft übermächtig. In Opferberatungsgesprächen wird nicht nach Details gefragt. Dafür ist die Polizei zuständig. Es ist grundlegend wichtig, dass Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht von erwachsenen Personen zu einem Vorfall befragt werden, bevor es zu einer Anzeige bei der Polizei kommt. Hierfür gelten gesetzlich verankerte Verfahrensschritte. Wichtiger ist es, dass betroffene Jugendliche verstehen, weshalb sie Unterstützung annehmen dürfen und weshalb es schwierig ist, erlebte oder drohende Gewalt still und heimlich zu ertragen. In den meisten Fällen löst erlebte Gewalt Krisen aus, die im Normalfall von akuten Stressreaktionen begleitet werden. Häufig leiden Opfer unter Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen oder anderen diffusen Symptomen. Diese können so vielfältig und unterschiedlich sein, wie die Menschen selbst. Problematisches Verhalten kann insbesondere dann entstehen, wenn die Gewalt wiederkehrend ist oder das Opfer keine Möglichkeit hat, sich jemandem anzuvertrauen. Sich die Schuld am eigenen Verhalten zu geben und damit einen Einfluss auf die Gefühle zu haben, ist häufig einfacher, als sich der Ohnmacht hinzugeben. Kontrollverlust ist das, was Opfer während eines Vorfalls erleben. Psychoedukation hilft in solchen Momenten, die eigenen Reaktionen zu verstehen. Nicht zuletzt geht es darum, die Zuversicht zu wecken, das Erlebte gelingend zu verarbeiten und den Weg in ein normales Leben zurückzufinden.

Grenzen wahren
Opfer von Gewalt zu werden, kommt einem Ausnahmezustand gleich und kann eine persönliche Krise auslösen. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, können Akute Stressreaktionen, von Flash-Backs, über Schlaflosigkeit und Konzentrationsstörungen, bis hin zur Selbstverletzung des eigenen Körpers, Folgen des Erlebten sein. Eine zugewandte und traumainformierte Gesprächsführung kann helfen, die Symptome zu mildern. Die Wahrung der persönlichen Grenzen des Opfers steht nach einem traumatischen Erlebnis im Vordergrund. Daher ist es zentral, die Grenzen im Kontakt mit dem Opfer zu wahren. Das heisst konkret: Weiterführende Handlungen werden mit der betroffenen Person abgesprochen und nicht über deren Kopf hinweg entschieden.


*Kathrin Gruber ist Opferberaterin beim eff – zett das fachzentrum, eff – zett Opferberatung

Opferberatung
Wer Gewalt erfährt oder in einen Unfall verwickelt war, dessen Leben verändert sich meist radikal. Gefühle wie Ohnmacht, Trauer, Schuld, Wut oder Angst bestimmen fortan den Alltag. Die Opferberatung hilft, das Erlebte zu verarbeiten. Sie informieren und berät  professionell und vertraulich und ist auch für Fragen von Lehrpersonen zur Opferberatung jederzeit offen.

041 725 26 50, https://www.eff-zett.ch/angebot/opferberatung.

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