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12.12.2023

Auf dem Zuger Weg ans Langzeitgymnasium

12.12.2023
Bildungsrat: Projektinitialisierung für ein ergänzendes Prüfungselement für den direkten Übertritt ans Langzeitgymnasium.
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Immer mehr Schülerinnen und Schüler gehen ans Langzeitgymnasium. Immer weniger Jugendliche machen eine Berufslehre. Die Politik verlangt Gegensteuer. Der Bildungsrat entwickelt eine Lösung mit der Sek im Fokus.

Von Lukas Fürrer*

Immer mehr Zuger Schülerinnen und Schüler werden nach der Primarschule direkt ans Langzeitgymnasium zugewiesen. Immer weniger Zuger Jugendliche machen eine Berufslehre. Diese Entwicklung hat die Politik auf den Plan gerufen. Für sie ist klar: starke Sekschülerinnen und -schüler sind das Rückgrat für starke Bildungswege.

Der für das Übertrittsverfahren zuständige Bildungsrat entwickelt darum ein Verfahren mit einem ergänzenden Prüfungselement für den direkten Eintritt ins Langzeitgymnasium. Dieser Zuger Weg zielt nicht auf die Schwächung des Gymnasiums, sondern auf die Stärkung der Sekundarschule. Am Ende der Sekundarschule bleibt der Übertritt wie bisher prüfungsfrei. Eine starke Sek ist politisch gewünscht und pädagogisch wertvoll. Sie stärkt alle Bildungswege. Und neben einer starken Sek hat es auch Platz für ein Langzeitgymnasium.

Im Folgenden werden die Beweggründe des Bildungsrats und seine Setzungen für den Zuger Weg vorgestellt. Am Schluss des Beitrags wird das zusammengefasst, was am Anfang stand: politisches Unbehagen gegenüber der Entwicklung.

Falls möglich, dann ans Gymnasium
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Hochemotional
Mittels Experiment hat die Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung aufgezeigt, dass viele Eltern ihre Kinder selbst dann ans Gymnasium schicken würden, wenn die Chance klein wäre, dieses zu bestehen. Der Übertritt ist vielerorts eine hochemotionale Angelegenheit. Darum reichen Appelle oder weiche Steuerungsmassnahmen nicht aus, um den Drang ans Gymnasium zu dämpfen. Weil immer mehr Eltern eine klare Vorstellung haben: wenn möglich ans Langzeitgymnasium. Massnahmen zur Attraktivierung der Schulen der gemeindlichen Oberstufe (Leistungszüge, Sek I plus) verpuffen.

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Zuger Weg
Wege und Übertritte in der Schweiz gibt es fast so viele, wie es Kantone gibt. Viele Kantone kennen keine Übertrittsprüfungen mehr, östlich der Reuss gehören sie fast in allen Kantonen zum Standard. Es gibt Kantone mit sehr vielen Schülerinnen und Schülern im Gymnasium und umgekehrt. An der gymnasialen Spitze liegen die Kantone Genf und Tessin, wo auch die Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch ist. Doch die Verhältnisse unterscheiden sich. Der Blick in andere Kantone hilft nur beschränkt. Daher war für den Bildungsrat früh klar, dass er einen eigenständigen Zuger Weg entwickeln will, um insbesondere die Sek resp. die gemeindlichen Schulen der Oberstufe zu stärken. Wie soll im Kanton Zug gesteuert werden?

Der Bildungsrat will beim Langzeitgymnasium ansetzen und dort steuern. Weil das Langzeitgymnasium eine sehr frühe Weichenstellung ist. Schülerinnen und Schüler, die nach der Primarschule direkt ans Langzeitgymnasium wechseln wollen, sollen künftig zusätzlich zur Vornote und zum Lehrpersonenurteil ein Prüfungselement absolvieren. Am Ende der Sekundarschule soll der Übertritt aber wie bisher prüfungsfrei bleiben. Der Zuger Weg ist also zweigeteilt: fürs Langzeitgymnasium neu mit ergänzendem Prüfungselement – nach der Sek weiterhin prüfungsfrei.

Sek stärken
Damit ist klar, dass der Bildungsrat nicht das Gymnasium schwächen, sondern die Sek stärken will. So stellen wir sicher, dass sich Wirtschaft und Gewerbe auch in Zukunft leistungsstarken Schülerinnen und Schülern vorstellen können. Und auch für die Anschlussschulen an die Sek ist Steuerung beim Langzeitgymnasium wichtig. Wirtschaftsmittelschule, Fachmittelschule, Kurzzeitgymnasium und Berufsmaturitätsschulen: auch sie haben hohe Ansprüche an ihre Schülerinnen und Schüler und sind auf eine starke Sek angewiesen. Wo gesteuert wird, hat es auch Platz für ein Langzeitgymnasium. Nämlich als Ort für die Förderung der zu diesem Zeitpunkt leistungsstärksten Schülerinnen und Schüler.

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Kurven und Knicke
Im Bild oben die Übertrittskurven mit den Zuweisungsquoten jeder Schulart (ohne Wegzüge und Schülerinnen und Schüler, welche weiterhin eine Privatschule besuchen). In violetter Farbe die Kurve Langzeitgymnasium. Ist der Knick dieses Jahr ein Beweis, dass der Trend gebrochen ist? Der Knick könnte aber auch Ausdruck der politisch heftigen Debatte vom Vorjahr sein. Das wäre ein Anzeichen, dass es dem heutigen Verfahren an einem zusätzlichen, neutralen Aussenblick fehlt. Ein Aussenblick, der für alle Anwärterinnen und Anwärter gleich ist. Was man weiter nicht sieht, ist zum Beispiel der Unterschied zwischen vergleichbaren Gemeinden wie Baar und Zug. 2023 wurden in Baar 23,5 % der Schülerinnen und Schüler ans Langzeitgymnasium zugewiesen, in der Stadt Zug 35,5 %.

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Anteile und Hintergründe
Betrachtet man die Anteile der Schularten im Zeitverlauf, zeigt sich, dass das Band des Langzeitgymnasiums breiter wird, das Sek-Band gleich bleibt, das Real-Band abnimmt und die Werkschule verschwindet. Das kann ein Hinweis sein, dass die Zuger Schülerinnen und Schüler in den letzten zehn Jahren kontinuierlich besser wurden. Zumindest schweizweit gibt es aber keine Hinweise auf eine solche Entwicklung. Es ist auch nicht die Rückmeldung, welche die Bildungsdirektion aus Zuger Wirtschaft und Gewerbe erhält, welche aus Sek und Real rekrutieren. Die Bänder können darum auch ein Hinweis sein, dass die Wahrnehmung zutrifft, dass die starke Sekschülerin, der starke Zuger Sekschüler von früher heute eine Kantischülerin resp. ein Kantischüler ist.

Ein Hinweis, dass ein prüfungsfreies Verfahren eine solche Entwicklung begünstigen kann, findet sich auch im (Link:) Bildungsbericht Schweiz 2018 auf S. 150: «Aufgrund der Kompetenzdefinitionen beim PISA-Test kann davon ausgegangen werden, dass angehende Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in den PISA-Tests mindestens das Kompetenzniveau 4 erreichen müssten. Während nun in Kantonen mit einer Abschluss- oder Aufnahmeprüfung weniger als 5 % der Schülerinnen und Schüler sowohl in Lesen wie in Mathematik unterhalb der Kompetenzstufe 4 ins Gymnasium übergetreten sind, sind es in den Kantonen ohne Prüfung über 25 %.»
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Berufsbildung mit schwerem Stand
Hingegen sinkt im Kanton Zug der Anteil Jugendlicher mit einer Berufslehre kontinuierlich. Bei den jungen Frauen (schwarze Kurve) sank die Quote innert weniger Jahre um 10 %. Das ist auch deswegen keine gute Entwicklung, weil der Weg über die Berufsbildung und Fachhochschulen ein wichtiger Weg im Kampf gegen den Fachkräftemangel darstellt. Berufsbildung und Fachhochschulen tragen auch massgeblich dazu bei, dass die Einkommensmobilität in der Schweiz vergleichsweise hoch ist. Bei Zuger Jugendlichen ist die Berufsbildung auf dem Rückzug.

Setzungen Bildungsrat: Fairness, Leistung, Lehrplan 21
Der Bildungsrat hat sich sehr behutsam ans Werk gemacht und für die Überarbeitung des Übertrittsverfahrens die folgenden Setzungen gemacht:

  1. Fokus Langzeitgymnasium: dort liegt einerseits der primäre Grund für das politische Unbehagen. Und andererseits beeinflusst eine stärkere Steuerung an diesem Punkt auch die Qualität der anderen Bildungswege.
  2. Mehrperspektivisch: ein Prüfungselement als Ergänzung zum Lehrpersonenurteil und den Vornoten. Mit dem Prüfungselement wird der Übertritt fairer, weil eine unabhängige Perspektive dazukommt.
  3. Keine Quoten, sondern eine Leistungshürde: es wird keine fixe Quote für das Langzeitgymnasium definiert, sondern eine Leistungshürde (Kompetenzlevel) gesetzt.
  4. Geprüft werden Kompetenzen entsprechend dem Lehrplan 21 – und nicht künftige Anforderungen. Weil Deutsch und Mathematik basale Kompetenzen für den Erfolg im Langzeitgymnasium sind, werden diese beiden Fächer geprüft.
  5. Flankierende Massnahmen: Namentlich sind dies öffentliche Vorbereitungsnachmittage für Schülerinnen und Schüler, die sich für das Langzeitgymnasium interessieren. Mit solchen Kursen kann der Nachhilfeindustrie zuverlässig vorgebeugt werden.
  6. Offene Kommunikation: diese ist dem Bildungsrat wichtig. Fast alle Anspruchsgruppen wurden direkt über die Stossrichtung des Bildungsrats informiert.  Auf www.schulinfozug.ch kann das Projekt von einer breiten Öffentlichkeit mitverfolgt werden. Zur Offenheit gehört auch Offenheit bezüglich Prozess.
OS Sennweid Foto Andreas Busslinger
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Prozess
Der Prozess wird zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Berichterstattung im Kantonsrat, welche im 2. Quartal 2025 fällig ist.

  1. Entscheid Kantonsrat, Teilerheblicherklärung Postulat der Kantonsräte Balmer / Wiederkehr et. al.: Sommer 2022 [siehe auch Abschnitt Politik unten];
  2. Vorarbeiten, Analyse der Möglichkeiten in der Bildungsdirektion: 3. / 4. Quartal 2022;
  3. Vorarbeiten, Analyse der Möglichkeiten im Bildungsrat: 1. Quartal 2023;
  4. Beschluss Projektinitialisierungsauftrag (Ziele, Handlungsrichtlinien, Prozess, Kommunikation): 2. Quartal 2023;
  5. Vorentscheid Variante: 4. Quartal 2023;
  6. Erste Lesung Bericht und Antrag revidiertes Reglement betreffend das Übertrittsverfahren (BGS 412.114): 1. / 2. Quartal 2024;
  7. Externe Vernehmlassung: 2. / 3. Quartal 2024;
  8. Zweite Lesung: 4. Quartal 2024;
  9. Regierungsratsbeschluss zu den Kostenfolgen: 1.Quartal 2025;
  10. Bericht zuhanden Kantonsrat: 2. Quartal 2025.

Gelegenheit für einen breiten Austausch über die Problemlösung des Bildungsrats und Vorbringen besteht im Rahmen der externen Vernehmlassung voraussichtlich im 2. / 3. Quartal 2024.

Sek
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Das Bildungssystem bekommt Schnupfen
Der beabsichtigte Zuger Weg, mit Prüfungselement ans Langzeitgymnasium, weiterhin prüfungsfrei nach der Sek, ist ein eigenständiger Weg. Die Sek ist der Schlüssel zur Bildungsvielfalt. Die Pfeile zeigen es: Nirgends gibt es mehr Anschlussmöglichkeiten. Wenn die Sek niest, bekommt das ganze Bildungssystem Schnupfen. Mit dem Fokus Langzeitgymnasium wird die Sek gestärkt. Weil wieder mehr starke Schülerinnen und Schüler die Sek besuchen. Es wird aber auch die Berufsbildung gestärkt, weil wieder mehr Schülerinnen und Schüler den Berufswahlunterricht durchlaufen – und sich Gewerbe und Wirtschaft zeigen können. Mit diesem Fokus werden auch alle Anschlussschulen an die Sek gestärkt, inkl. Kurzzeitgymnasium. Eine starke Sek ist politisch gewünscht und pädagogisch wertvoll. Und neben einer starken Sek hat es auch Platz für ein profiliertes Langzeitgymnasium.

Politik
Die politische Vorgeschichte bis zur Motion der Mitte-Kantonsräte Kurt Balmer und Roger Wiederkehr et al. betreffend Steuerungsmassnahmen für eine Gymnasialhöchstquote kann dem (Link:) Bericht und Antrag des Regierungsrats zu diesem Vorstoss entnommen werden. Dort finden sich auch weitere Verweise auf Quellen zum Thema. An dieser Stelle sei nur wiederholt, dass die Entwicklung der Übertrittszahlen insbesondere ans Langzeitgymnasium schon früher zu Vorstössen im Kantonsrat geführt hatte, die sich mit der Abschaffung des Langzeitgymnasiums oder auch der Stärkung von Sek und Kurzzeitgymnasium befassten. Neu an der Motion Balmer war, dass sie mit 13 Mitunterzeichnenden breite, überparteiliche Unterstützung fand.

Ende 2020 eingereicht, wurde die Motion im Juli 2022 im Kantonsrat behandelt. Der Antrag des Regierungsrats auf eine Einführung einer Übertrittsprüfung scheiterte mit 30:36 Stimmen knapp. Während die Mehrheit des Kantonsrats gegenüber einer Übertrittsprüfung skeptisch war, war man sich einig, dass a) die steigende Eintrittsquote beim Langzeitgymnasium aufgehalten werden muss, b) die Sekundarschule der Königsweg im Anschluss an die Primarschule ist und c) das duale Bildungssystem im Kanton Zug nicht gefährdet werden darf.

Statt vollerheblich wurde der Vorstoss teilerheblich erklärt, verbunden mit der Aufforderung, nochmals eine breite Auslegeordnung zu machen und weitere Instrumente zu prüfen. Diese Auslegeordnung hat zunächst die Bildungsdirektion vorgenommen und sich dazu auch mit den Motionärinnen und Motionären am Rande einer Kantonsratssitzung ausgetauscht. Im Frühjahr 2023 beschloss der Bildungsrat, seine gesetzmässige Zuständigkeit für das Übertrittsverfahren wahrzunehmen.

Der Bildungsrat hat seine Auslegeordnung gemacht und beschlossen, einen Zuger Weg wie oben aufgezeigt zu entwickeln. Dieser Weg ist fair und stärkt mit der Sek das Rückgrat der Schweizer Bildungsvielfalt. Eine starke Sek ist pädagogisch super wertvoll. Dazu braucht die Sek auch in Zukunft leistungsstarke Schülerinnen und Schüler.


*Lukas Fürrer ist Generalsekretär der Zuger Bildungsdirektion und Sekretär des Bildungsrats.

Weitere Informationen

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