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10.06.2014

Bedarf an Lehrpersonen und ihre Rekrutierung

10.06.2014
Zentrale Aussagen im Bildungsbericht Schweiz 2014 — Die meisten Kantone werden noch bis 2017 mit einem erhöhten Bedarf an Lehrpersonen auf der Primarstufe zu rechnen haben. Auf der Sekundarstufe I ...
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Zentrale Aussagen im Bildungsbericht Schweiz 2014 — Die meisten Kantone werden noch bis 2017 mit einem erhöhten Bedarf an Lehrpersonen auf der Primarstufe zu rechnen haben. Auf der Sekundarstufe I wird der Bedarf in den meisten Kantonen ebenfalls ansteigen, allerdings erst nach 2017 und deutlich moderater als dies für die Primarstufe prognostiziert wird. Zurückzuführen ist der Mehrbedarf an Lehrpersonen namentlich darauf, dass – aufgrund der Altersstruktur im Lehrkörper – mehr Lehrpersonen in Pension gehen werden und die Schülerzahlen ansteigen. Diese Entwicklungen werden regional und kantonal sehr unterschiedlich ausfallen. Es gibt auch Kantone, für die ein abnehmender Rekrutierungsbedarf prognostiziert wird.

Von Stefan Denzler

Lehrerinnen und Lehrer der obligatorischen Schule werden heute fast ausschliesslich an pädagogischen Hochschulen (PH) ausgebildet. Damit haben diese faktisch ein Monopol als Anbieter von Ausbildungen für Berufe des Unterrichtswesens. Umgekehrt sind die kantonalen Bildungsbehörden praktisch die alleinigen Arbeitgeber von Lehrpersonen. Diese Situation führt dazu, dass die Kantone als Schulträger, anders als bei den Universitäten oder Fachhochschulen, ein besonderes Interesse an den pädagogischen Hochschulen haben, sind diese doch ausschliesslich für die Ausbildung des Unterrichtspersonals zuständig. Dabei geht es den Kantonen zum einen um die Sicherung des Nachwuchses im Lehrkörper und zum anderen um dessen Qualifizierung und Weiterbildung, denn von diesen beiden Faktoren hängt ab, ob die Kantone genügend qualifizierte neue Lehrpersonen rekrutieren und die Schulqualität sichern können. Im Folgenden soll vor dem Hintergrund des neuen Bildungsberichts der quantitative Aspekt der Nachwuchssicherung diskutiert werden. Es geht also um Fragen des Bedarfs an neuen Lehrpersonen und um ihre Rekrutierung.

Bedarf an Lehrkräften für die obligatorische Schule

Prognosen zum künftigen Personalbedarf im Schulsystem stützen sich auf die prognostizierte Entwicklung der Schülerzahlen sowie auf strukturelle Merkmale des Lehrkörpers wie Altersstruktur, Anstellungsgrad und Fluktuationsraten. Da viele dieser Parameter nicht exakt bekannt sind, wird von verschiedenen Szenarien ausgegangen, die auf bestimmten Annahmen beruhen. Die folgenden Ausführungen basieren auf dem BFS-Szenario «Referenz».

Auf der Primarstufe wird für die Jahre 2013 bis 2022 eine Zunahme der Schülerzahlen von insgesamt etwa 9 % erwartet. Diese wird sich ab 2018 auch auf der Sekundarstufe I auswirken mit einem Wachstum von etwa 7 % in den Jahren 2018 bis 2022 (vgl. BFS 2013). Hinzu kommt, dass der Anteil von Lehrkräften über 55 Jahre in den letzten Jahren kontinuierlich auf mehr als ein Drittel der aktiven Lehrerschaft angestiegen ist. Das bedeutet, dass in den nächsten Jahren mit vermehrten altersbedingten Abgängen zu rechnen ist. Laut Prognosen des BFS wird die Zahl der jährlichen Pensionierungen von Lehrkräften der obligatorischen Schule bis 2016/2017 weiter steigen und dann langsam wieder abnehmen (BFS 2013).

Insgesamt ist auf der Primarstufe während der nächsten fünf Jahre aufgrund der zu erwartenden Zunahme der Schülerzahl und der vermehrten Pensionierungen bis 2017 schweizweit mit einem Anstieg des Rekrutierungsbedarfs um durchschnittlich etwa 20 % (d. h. etwa 4 % pro Jahr) zu rechnen; mittelfristig, d. h. von 2018 bis 2022, sollte der Bedarf dann aber nicht weiter steigen. Auf der Sekundarstufe I wird sich der Anstieg entsprechend verzögert zeigen. Man kann also davon ausgehen, dass hier der Rekrutierungsbedarf in den nächsten Jahren noch unverändert bleiben und erst mittelfristig, d. h. von 2018 bis 2022, um etwa 10 % steigen wird.

Grafik 1 (beide Grafiken sind in der Galerie vergrössert abrufbar, siehe unten):

Diese Entwicklungen werden regional sehr unterschiedlich ausfallen, wie die beiden Grafiken veranschaulichen, welche den kurzfristigen Bedarf im Verhältnis zum mittelfristigen Bedarf darstellen. Die horizontale Achse zeigt den Bedarf an neu einzustellenden Lehrpersonen während der Jahre 2013 bis 2017 im Vergleich zur Fünfjahresperiode von 2008 bis 2012. Die vertikale Achse gibt die mittelfristige Entwicklung des Lehrkräftebedarfs an, also die Veränderung im Zeitraum 2018 bis 2022 im Vergleich zu den Jahren 2013 bis 2017.

So wird sich konkret etwa der Kanton Bern in den kommenden fünf Jahren voraussichtlich auf eine Zunahme von 27 % einstellen müssen (s. horizontale Achse in Grafik 1). Das entspricht einem Mehrbedarf von schätzungsweise 1000 Lehrpersonen während der kommenden fünf Jahre. In der mittleren Frist ist im Kanton Bern hingegen nur noch mit einer leichten Zunahme von knapp 3 % auf fünf Jahre zu rechnen. Die Situation im Kanton Bern entspricht dann etwa dem schweizerischen Durchschnitt. Die Kantone Wallis, Jura oder Tessin werden in den fünf Jahren bis 2017 nahezu 40 % mehr Primarlehrpersonen einstellen müssen; für die Jahre danach geht man hingegen von einem Rückgang bei den Rekrutierungen aus. Ganz anders gestaltet sich die Situation etwa im Kanton Graubünden, wo bis 2017 nur mit einem leichten Anstieg des Rekrutierungsbedarfs (um etwa 9 %) zu rechnen ist, dafür aber mit einer starken Zunahme von mehr als 30 % ab 2018 (vgl. Grafik 1). D. h. Graubünden und Appenzell Innerrhoden werden im Gegensatz zur Mehrheit der Kantone vermutlich erst mittelfristig eine angespannte Situation bei den Rekrutierungen erfahren.

Die Achsen (rote Linien im Diagramm) stellen die jeweiligen schweizerischen Mittelwerte dar und ermöglichen einen interkantonalen Vergleich: Kantone in der rechten Diagrammhälfte erfahren in der kurzen Frist (d. h. im Zeitraum 2013–2017) einen im schweizerischen Vergleich überdurchschnittlichen Anstieg ihres Rekrutierungsbedarfs, Kantone in der linken Hälfte hingegen einen unterdurchschnittlichen. Die obere Hälfte wiederum vereint Kantone, welche erst mittelfristig (d. h. im Zeitraum 2018–2022) einen überdurchschnittlichen Anstieg des Rekrutierungsbedarfs erfahren werden, und in der unteren Hälfte ist es umgekehrt. Die Quadranten repräsentieren also unterschiedliche Muster. Im ersten Quadranten finden sich Kantone wie Aargau, Solothurn, Bern oder Luzern, welche kurz- und mittelfristig einen überdurchschnittlichen Rekrutierungsbedarf aufweisen werden, während etwa die Westschweizer Kantone Neuenburg, Genf, Waadt, aber auch Zürich oder Basel-Stadt, einen unterdurchschnittlichen oder gar abnehmenden Bedarf an neuen Lehrkräften auf der Primarstufe verzeichnen (vgl. Grafik 1).

Grafik 2:

Auf der Sekundarstufe I präsentiert sich der Rekrutierungsbedarf weniger ausgeprägt und gegenüber der Primarstufe zeitlich verschoben. Das heisst, der Bedarf wird sich auf dieser Stufe vermutlich erst mittelfristig zeigen, also in den Jahren nach 2017, und er dürfte mit durchschnittlich 10 % auf fünf Jahre auch geringer ausfallen. Dennoch werden die meisten Kantone für die Sekundarstufe im Zeitraum nach 2018 eine Zunahme ihres Rekrutierungsbedarfs erfahren (in der Grafik zeigt sich das daran, dass praktisch alle Kantone über der Diagonale liegen). Der prognostizierte Anstieg dürfte dabei allerdings in der Regel moderat ausfallen. Ausnahmen stellen die Kantone Appenzell Innerrhoden, Luzern oder Glarus dar (vgl. Grafik 2). Im Vergleich zur Primarstufe fällt der Rekrutierungsbedarf auf der Sekundarstufe I insgesamt deutlich schwächer aus.

Rekrutierungsbedarf und Rekrutierungsmassnahmen

Wie bereits eingangs erwähnt, unterliegen die vom BFS prognostizierten Zahlen zum künftigen Rekrutierungsbedarf verschiedenen Annahmen und Hypothesen. Ausserdem können die definitiven Austritte nicht von den vorübergehenden Austritten oder von Kantons- und Stufenwechseln unterschieden werden. Die für die geschätzten Austritte benötigten Eintritte resp. Rekrutierungen müssen folglich nicht ausschliesslich durch neu ausgebildete Lehrkräfte abgedeckt werden, sondern es finden sich darunter auch Lehrerinnen und Lehrer, welche die Schule wechseln, in einen anderen Kanton gezogen sind oder nach einer Pause wieder in den Beruf einsteigen. Die modernisierte Lehrkräftestatistik ab 2010 wird mittels der AHV-Nummer die individuellen Karriereverläufe der Lehrpersonen besser abbilden können. Eine entsprechende Publikation des BFS mit weiterführenden Auswertungen zur beruflichen und geografischen Mobilität von Lehrpersonen ist im März erschienen (siehe hier).

Insgesamt entspricht der prognostizierte Bedarf (Kantons- und Stufenwechsler etc. eingerechnet) in absoluten Zahlen durchschnittlich etwa 4000 bis 5000 Lehrpersonen, die in der Schweiz in den nächsten Jahren jährlich sowohl für die Primar- als auch für die Sekundarstufe I rekrutiert werden müssen.

Einen Teil des Rekrutierungsbedarfs werden die Kantone mit den Abgängerinnen und Abgängern der pädagogischen Hochschulen decken können. Um den geschätzten Rekrutierungsbedarf abzudecken, müssen aber weitere Anstrengungen unternommen werden. Dazu zählt auch das Einrichten spezieller Ausbildungsprogramme für Quereinsteiger. Vor allem wegen ihrer kürzeren Dauer sind diese Programme für Berufsleute attraktiv. Wenn diese Angebote allerdings nur punktuell bei akutem Lehrermangel angeboten und nicht als regulärer zweiter Bildungsweg geführt werden, ist die Gefahr gross, dass sie politisch und konjunkturell gesteuert werden und damit Rekrutierung, Selektion und Qualifizierung des Lehrpersonals je nach geltenden Studienanforderungen stark schwanken. Der starke Zulauf, den diese Programme zurzeit erfahren, unterstreicht jedenfalls die Attraktivität des Lehrberufs und solcher verkürzter Ausbildungsgänge.

Weiter kann versucht werden, ausländische Lehrpersonen anzuwerben. Angesichts der etwa 500 ausländischen Lehrdiplome pro Jahr, die in jüngster Zeit durch die EDK anerkannt wurden, fällt eine solche Massnahme jedoch nicht stark ins Gewicht. Wesentlich effektiver wären hingegen Pensenerhöhungen bei den Teilzeit arbeitenden Lehrpersonen. Im Vergleich zu anderen Sektoren sind Teilzeitpensen im Unterrichtswesen nämlich verbreiteter und im Vergleich zu anderen Studienabschlüssen ist der Anteil von Teilzeitarbeitenden bei den PH-Absolventinnen und PH-Absolventen am höchsten. Der Anteil von kleinen Teilzeitpensen ist nicht allein mit dem hohen Frauenanteil im Lehrberuf erklärbar. Die Varianz zwischen den Kantonen legt nahe, dass es eher institutionelle Erklärungen dafür gibt. Während Genf keine Pensen unter 50 % zulässt, macht in den Kantonen Bern oder Aargau etwa jede dritte Anstellung auf der obligatorischen Schulstufe weniger als 50 % eines ganzen Pensums aus (vgl. Grafik 212, S. 230 im Bildungsbericht 2014).

Dr. sc. pol. Stefan Denzler, wissenschaftlicher Mitarbeiter Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung, SBKF.

Literatur

BFS (2011). Bildungsperspektiven. Szenarien 2011–2020 für die obligatorische Schule. Neuenburg: Bundesamt für Statistik.
BFS (2013). Bildungsperspektiven. Szenarien 2013–2022 für das Bildungssystem. Neuenburg: Bundesamt für Statistik.


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