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03.11.2021

Elternrechte – die Königsaufgabe

03.11.2021
Beitrag Rechtsdienst Bildungsdirektion Zug zu den Elternrechten bei Prüfungen
RD
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Bildung und Erziehung ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Wo Lehrpersonen transparent und zeitnah informieren, wird eine wichtige Gelingensbedingung erfüllt. Ein persönliches Praxisbeispiel.

Von Alexander Lioris*

Als meine Tochter die zweite Klasse der Primarstufe besuchte, kam sie eines Tages ganz aufgelöst nach Hause. Sie hatten eine Leistungskontrolle und sie konnte eine Aufgabe nicht lösen. Da half kein Trösten, kein Zureden und keine Ablenkung. Sie war enttäuscht. Enttäuscht von sich selbst. Die Einwände meinerseits, dass es zum einen nicht schlimm sei, wenn man eine Aufgabe nicht lösen könne oder dass allenfalls auch die Aufgabe nicht sehr clever gestellt gewesen sei, liess sie nicht gelten. Den ersten wohl aufgrund ihres Pflichtbewusstseins. Den zweiten - was sie mir mit grossen Augen klar gemacht hatte -, weil es nicht sein könne, dass die Schule eine Aufgabe stelle, die keinen Sinn mache. Das sei die Schule, mit Lehrpersonen, die ihnen das beibringen würden. Die würden keine Fehler machen bzw. unsinnige Aufgaben stellen. Es müsse an ihr liegen.

Das sind die Momente, in denen mein Beruf und mein Papi-sein hart aufeinander treffen. Vor meinem inneren Auge ziehen Textbausteine vorbei. Ich möchte ihr sagen, dass gemäss § 3 Abs. 1 des Schulgesetzes vom 27.September 1990 (BGS 412.11) die Schule, in Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten und den Kirchen, der Bildung und Erziehung der Kinder diene. § 3 sei im Schulgesetz unter den «Allgemeinen Bestimmungen» aufgeführt. Nicht nur aufgrund der Systematik, sondern in den Materialien auch ausdrücklich so ausgeführt, ein für das gesamte Schulgesetz grundlegender, programmatischer Paragraph. Es komme deshalb sehr wohl auch darauf an, was ich bzw. die Eltern zu dem Ganzen sagen würden.

Näheres zu diesen sogenannten Elternrechten findet sich in § 20 des Schulgesetzes. Gemäss § 20 Abs. 2 Bst. a dieses Gesetzes haben die Eltern insbesondere Anspruch darauf, von der Schule alle Informationen zu erhalten, die zur Erfüllung ihrer elterlichen Rechte und Pflichten notwendig sind. Nach zwei Tagen lag die Lernkontrolle denn auch zur Unterschrift bei mir zu Hause auf dem Tisch. Und da war sie: Die Königsaufgabe (Königsaufgabe, da die Note 6 auch erreicht werden kann, wenn sie nicht gelöst wird bzw. gelöst werden kann).

«In einem Restaurant werden heute 5 Eisbecher verkauft. 3 Eisbecher kosten 4 Fr., 1 Eisbecher kostet 5 Fr., 2 Eisbecher kosten 6 Fr. und ein Eisbecher kostet 9 Fr. Wieviel Geld ist neu in der Kasse?»

Ich bleibe dabei: Diese Aufgabe kann man nicht lösen (zumindest konnte es niemand in meinem Bekanntenkreis und da hat es – im Gegensatz zu mir – einige sehr gute «Rechnerinnen und Rechner» dabei). Umso dankbarer bin ich der Lehrperson, dass sie, wie im Kanton Zug seit der gestaffelten Einführung von Beurteilen und Fördern B&F ab den 1990er-Jahren üblich, die summativen und zeugnisrelevanten Prüfungsarbeiten nach Korrektur und Bewertung zur Einsicht nach Hause gibt. Damit wird ein entscheidender Beitrag zur Transparenz im Beurteilungsprozess geleistet. Aber eben nicht nur. Wir konnten das Ganze dadurch einordnen. Meine Tochter hat noch immer die gleich hohe Meinung von der Schule und den Lehrpersonen, weiss nun aber auch, dass niemand – die Schule nicht und selbstverständlich auch der Papi nicht (das weiss sie allerdings schon lange...) – unfehlbar ist.

Weshalb erzähle ich Ihnen diese Geschichte? Grund dafür ist, dass sich dahinter eine unter Juristinnen und Juristen sowie Pädagoginnen und Pädagogen immer wieder umstrittene Frage verbirgt. Soll man Leistungsbewertungen anfechten können und wenn ja, wann und welche? Meine Position ist diesbezüglich klar. Das «Wann?» betreffend so schnell wie möglich. Dafür sprechen unter anderem plausible, praktische Gründe (der Sachverhalt ist noch gut rekonstruierbar, die Materie noch in den Köpfen, was sicher auch einen pädagogischen Mehrwert nach sich zieht etc.). Auch betreffend das «Welche?», habe ich eine klare Position: Spätestens mit Inkrafttreten der Rechtsweggarantie im Jahr 2007 und dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die Kantone am 1. Januar 2009 hat jede Person bei «Rechtsstreitigkeiten» Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Damit kann grundsätzlich jede Leistungsbewertung im Bildungsbereich zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden, auch unabhängig davon, ob die Leistungsbewertung genügend oder ungenügend ausfällt. Entscheidend ist einzig, dass eine Rechtsverletzung gerügt wird. Mögliche Rügen sind dabei, dass die Notensetzung willkürlich erfolgt oder dass die Bewertung unter Verletzung von Vorschriften des Verfahrensrechts zustande gekommen sei. Das heisst aber im Umkehrschluss auch – und da ist meine Position ebenso klar –,dass bei einer nachvollziehbaren Begründung und bei Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorschriften seitens Schule nicht zu befürchten ist, dass Leistungsbewertungen von Rechtsmittelinstanzen umgestossen bzw. «korrigiert» werden (vgl. Sie dazu denn auch § 85 Abs. 2 des Schulgesetzes: «Die Schülerbeurteilung wird nur in Bezug auf Verfahrensfehler und Willkür überprüft.»). Im Kanton Zug ist denn auch seit Inkrafttreten der Rechtsweggarantie kein Anstieg von Beschwerden in diesem Bereich feststellbar, welcher auf diese zurückzuführen wäre.

Elternrechte machen die Schule stark
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Anwältinnen und Anwälte, welche die Schulen vor Gericht vertreten, führen in diesem Zusammenhang aus, dass Eltern, welche gegen die Schule vorgehen würden, in 99 Prozent der Fälle, das Wohl ihrer Kinder im Sinne hätten. Grund für Konflikte seien immer enttäuschte Erwartungen. Oft auch, weil es Lehrpersonen verpassen würden, die Eltern rechtzeitig zu informieren, wie es wirklich um den Sohn oder die Tochter stehe. Transparenz und Einbindung seien entscheidend. Gemäss meiner Erfahrung ist die zeitnahe Abgabe der Lernkontrollen eine sehr gute Gelegenheit, um Dinge einzuordnen (wenn sie noch aktuell sind), transparent zu machen  – und für mich gleichzeitig oft das einzige Fenster in den Schulalltag meiner Töchter, welches mir zudem die Möglichkeit eröffnet, sie in diesem zu begleiten und bei Bedarf zu unterstützen. Bei der Frage, ob und wann eine Leistungskontrolle angefochten werden kann bzw. nach Hause gegeben werden soll, geht es somit meines Erachtens in erster Linie nicht, oder zumindest nicht nur, um den Zugang zu einem allfälligen Rechtsweg. Im Zentrum stehen für mich viel mehr die Elternrechte. Nicht im engeren Sinne von allfälligen Anfechtungsmöglichkeiten, sondern im weiteren Sinne von § 3 unseres Schulgesetzes. Im Sinne von Zusammenarbeit und Transparenz bzw. der damit einhergehenden Möglichkeit, die Elternrechte und -pflichten bei Bedarf auch tatsächlich wahrnehmen und die Dinge einordnen zu können.


* Alexander Lioris ist Jurist und leitet den Rechtsdienst der Direktion für Bildung und Kultur des Kantons Zug.

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