Navigieren auf Schulinfo Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation
  • Schule
  • Nachteilsausgleich — mit Sorgfalt und Augenmass
18.05.2015

Nachteilsausgleich — mit Sorgfalt und Augenmass

18.05.2015
Was ist ein Nachteilsausgleich? Wie soll er gehandabt werden? Das Amt für gemeindliche Schulen hat neue Richtlinien erarbeitet, die sowohl die Terminologie als auch die Anwendung des ...
Bild Legende:

Was ist ein Nachteilsausgleich? Wie soll er gehandabt werden? Das Amt für gemeindliche Schulen hat neue Richtlinien erarbeitet, die sowohl die Terminologie als auch die Anwendung des Nachteilsausgleichs in der Praxis klären.

Von Werner Bachmann und Markus Kunz*

Der Begriff «Nachteilsausgleich» ist in Mode gekommen. Er wird häufig ins Feld geführt, obwohl er oft unterschiedlich interpretiert und verstanden wird. Was genau ist darunter zu verstehen? Wer hat Anspruch darauf? Wann gelangt der Nachteilsausgleich berechtigterweise zur Anwendung und wann ist davon Abstand zu nehmen?

Rechtliche Grundlage
Die Bundesverfassung und das Behindertengleichstellungsgesetz schreiben vor, dass Massnahmen ergriffen werden müssen, um Benachteiligungen zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen. In bestimmten Fällen sind behinderte Schülerinnen und Schüler aufgrund von beeinträchtigten Körperfunktionen und/oder geschädigten Körperstrukturen von Einschränkungen betroffen, die sie davon abhalten, die Lernziele zu erreichen. Wenn solche Beeinträchtigungen vorliegen, muss geprüft werden, ob durch einen angemessenen Ausgleich dieser physiologisch oder psychisch bedingten Benachteiligung die Ziele erreicht werden könnten.


Gabi Kopp — Erstveröffentlichung in: Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, SZH

Ziel von Nachteilsausgleichsmassnahmen
Nachteilsausgleichsmassnahmen dienen grundsätzlich dazu, bei benoteten, selektionsrelevanten Leistungsnachweisen (Zeugnis, Übertritt von der Primarstufe in die Sekundarstufe I oder von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II) Einschränkungen durch Behinderungen aufzuheben oder zu verringern. Die Lehrplanziele werden dabei in qualitativer Hinsicht beibehalten, d. h. sie werden nicht nach unten angepasst. Das betroffene Kind braucht zur Lernzielerreichung jedoch eine Anpassung der Bedingungen, unter denen das Lernen und die Testsituationen bzw. die Lernkontrollen stattfinden.

Anspruch auf Nachteilsausgleich
Damit Erziehungsberechtigte Nachteilsausgleich für ihr Kind geltend machen können, muss ausgewiesen sein, dass eine Behinderung vorliegt. Diese muss in einem aktuellen Gutachten einer fachkundigen Instanz bestätigt werden. Das Gutachten darf nicht älter sein als ein Jahr. Mit Fachstellen sind folgende Personen oder Institutionen gemeint:

  • Fachärzte, Kliniken, spezialisierte Institutionen mit ärztlicher Leitung bei Sinnes-, Körper- sowie psychischen Behinderungen,
  • spezialisierte Institutionen (z. B. Kliniken, Sonderschulen) bei schweren Sprachbehinderungen,
  • SPD bei schweren Teilleistungsstörungen (LRS und Dyskalkulie).

Abgrenzung von Nachteilsausgleich zur besonderen Förderung
Nachteilsausgleichsmassnahmen unterscheiden sich markant von den Massnahmen der besonderen Förderung, die meistens Lernzielanpassungen beinhalten. Lernzielanpassungen führen zu Fördermassnahmen. Da die Lernziele beim Nachteilsausgleich nicht angepasst werden, werden auch keine Fördermassnahmen festgelegt und umgesetzt. Ist die Leistungsfähigkeit einer Schülerin oder eines Schülers in einer Weise beeinträchtigt, dass bestimmte Ziele des Lehrplans nicht erreicht werden können, sind Nachteilsausgleichsmassnahmen nicht angebracht. Besondere Vorsicht gilt in Bezug auf eine mögliche Umgehung des korrekten Verfahrens: Es gilt zu vermeiden, dass bei Kindern und Jugendlichen ungerechtfertigterweise überdauernde Lernzielanpassungen mittels Nachteilsausgleichsmassnahmen umgangen werden.

Fallbeispiele
Kurt wurde in der dritten Klasse vom SPD abgeklärt und mit ADHS diagnostiziert. Er hat Mühe mit seiner Konzentration und ist darum sehr schnell v. a. in Prüfungssituationen abgelenkt.
Fazit: Kurt hat eine Funktionsstörung/Behinderung, eine Beeinträchtigung. Das ADHS hat keinen Einfluss auf die Erreichung der Lernziele. Deshalb werden die Lernziele nicht angepasst. Kurt braucht eine Anpassung der Bedingungen, unter denen Prüfungen stattfinden. Die Nachteilsausgleichsmassnahme besteht darin, dass Kurt an Prüfungen einen Einzelplatz mit Blick an eine Wand einnehmen und Ohrstöpsel tragen oder die Prüfungsarbeiten im Gruppenraum schreiben darf.

Remo ist ein massiver Stotterer. Er hat Mühe sich in der Klasse einzubringen. Nun muss er einen Vortrag halten. Seine Behinderung ist durch eine Fachstelle ausgewiesen worden.
Fazit: Remo hat eine Funktionsstörung/Behinderung, die durch eine Fachstelle ausgewiesen wurde. Er kann die Lernziele grundsätzlich erreichen und die Prüfungen ablegen. Ein Nachteilausgleich ist angebracht für seine Sprachstörung. Aus diesem Grund bekommt er die doppelte Zeit für seinen Vortrag.

Petra besucht die vierte Klasse. Sie hat Entwicklungsverzögerungen, die bereits im Kindergarten angezeigt wurden. Aus diesem Grund wird ihr mit Therapien geholfen. Während des ersten Semesters merkt die Lehrperson, dass Petra die Lernziele in Mathematik und Deutsch langfristig nicht erreichen kann.
Fazit: Petra kann die Lernziele nicht erreichen aufgrund der Entwicklungsverzögerungen. Petra wird vom SPD abgeklärt. Das Ergebnis zeigt, dass Petra nicht über die geistigen Fähigkeiten verfügt, um dem Regelunterricht zu folgen. Es werden Lernzielanpassungen beschlossen, jedoch keine Nachteilsausgleichsmassnahmen.

Grundsätzliches
Da eine Behinderung von einer Fachstelle ausgewiesen sein muss, zudem die Lernziele erreicht werden müssen, ist von sehr wenigen Nachteilsausgleichsmassnahmen im Kanton Zug auszugehen. Das Amt für gemeindliche Schulen empfiehlt, die Thematik mit der gebotenen Zurückhaltung, mit Sorgfalt und Augenmass anzugehen.

Die «Richtlinien Nachteilsausgleich» werden auf Beginn des Schuljahres 2015/16 in Kraft gesetzt. Die diesbezüglichen Unterlagen

  • «Richtlinien Nachteilsausgleich»
  • PowerPoint-Präsentation zum Nachteilsausgleich
  • Begleitschreiben des Amts für gemeindliche Schulen
  • beschreibbare Formulare («Antrag Nachteilsausgleich», «Entscheid Nachteilausgleich» und «Vereinbarung Nachteilsausgleich»)

sind im Internet unter www.zg.ch/schulaufsicht (Kapitel «Unterricht») abrufbar.

Veranstaltungen in den Gemeinden
Die Schlüsselpersonen besondere Förderung werden an spezifischen Veranstaltungen bis spätestens zu den Sommerferien in allen Gemeinden die Inhalte der «Richtlinien Nachteilsausgleich» thematisieren. Dabei erhalten alle Lehrpersonen und Involvierten Gelegenheit, sich mit den möglichen Massnahmen, den Grundsätzen, Abläufen, Verfahren und Zuständigkeiten auseinanderzusetzen und offene Fragen zu klären.

* ist Leiter des Amts für gemeindliche Schulen. ist Leiter der Abteilung Schulaufsicht im Amt für gemeindliche Schulen.

Weitere Informationen

hidden placeholder

behoerden

Fusszeile