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08.03.2016

Optimierungen bei der besonderen Förderung

Der Bildungsrat hat aufgrund der Erfahrungen in den letzten beiden Schuljahren Änderungen an den rechtlichen Grundlagen zur besonderen Förderung per Schuljahr 2016/17 beschlossen. Diese sollen zur ...
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Der Bildungsrat hat aufgrund der Erfahrungen in den letzten beiden Schuljahren Änderungen an den rechtlichen Grundlagen zur besonderen Förderung per Schuljahr 2016/17 beschlossen. Diese sollen zur Optimierung der Verfahren beitragen und Stigmatisierungen der Schülerinnen und Schüler verhindern. Die Änderungen werden von allen Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst.

Von Markus Kunz*

Auf Schuljahr 2013/14 hat der Bildungsrat erstmals Bestimmungen zur besonderen Förderung im Reglement zum Schulgesetz erlassen. Dabei wurden unter dem Titel 3a «Besondere Förderung» die Paragrafen 6a «Lernzielanpassungen», 6b «Laufbahnbestimmende Massnahmen» und 6c «Schulisches Standortgespräch» eingefügt und in Kraft gesetzt. Darauf basierend wurden vom Amt für gemeindliche Schulen die «Richtlinien besondere Förderung» per Schuljahr 2013/14 eingeführt.

Problematik
Aufgrund von Rückmeldungen aus den Gemeinden bei der Umsetzung der bildungsrätlichen Bestimmungen und aufgrund der Erkenntnisse im Zusammenhang mit der fehlentwickelten Zuweisungspraxis in die Werkschule zeigte sich, dass Optimierungen bei den kantonalen Vorgaben bzgl. der Lernzielanpassungen notwendig sind. Insbesondere in Bezug auf die quantifizierende Terminologie «in mehreren Fächern» bei laufbahnbestimmenden Massnahmen haben sich Schwierigkeiten ergeben, die behoben werden mussten. Ansonsten hätte die Gefahr bestanden, dass Kinder und Jugendliche mit laufbahnbestimmenden Massnahmen belegt würden, obwohl sie nicht lernbehindert sind. Zudem bedurfte die Definition von «laufbahnbestimmenden Massnahmen» selbst einer Optimierung und Korrektur. Ebenso erwies sich die abschliessende Aufzählung von Gründen für vorübergehende Lernzielanpassungen als einengend und wenig zweckdienlich.

Vernehmlassung
Die Vernehmlassung wurde bei der Rektorenkonferenz der gemeindlichen Schulen (REKO), dem Lehrerinnen- und Lehrerverein (LVZ) sowie der Vereinigung der Schulleiterinnen und Schulleiter (VSL) durchgeführt. Die Vernehmlassungsergebnisse zeigen eine sehr hohe Akzeptanz der vorgeschlagenen Änderungen bei allen drei Gremien. VSL und LVZ sind mit sämtlichen Änderungsvorschlägen einverstanden. Der VSL regte darüber hinaus an, die Beurteilung der Schülerinnen und Schüler der Werkschule klarer zu regeln. Die REKO brachte einen Ände-rungsvorschlag ein, der auch im Sinne des Bildungsrates war und deshalb wie vorgeschlagen beschlossen wurde.

Konkrete Änderungen

  1. Vorübergehende Lernzielanpassungen

    a) Die Lernziele konnten bis anhin als Folge eines besonderen Ereignisses vorübergehend angepasst werden. Es hat sich zwischenzeitlich erwiesen, dass mit der Terminologie im Singular «als Folge eines besonderen Ereignisses» nicht alle Möglichkeiten aufgefangen werden, die sich in diesem Bereich ergeben können, um Lernziele vorübergehend anzupassen. Die Formulierung «als Folge von besonderen Ereignissen» ist umfassender, deckt einerseits das einzelne «besondere Ereignis» wie den Todesfall eines Elternteils ab, erweitert andererseits die Möglichkeiten für vorübergehende Lernzielanpassungen bei mehreren Ereignissen. Bei der exemplarischen Auflistung von Ereignissen kann zwischen «systembezogenen Faktoren», welche sich auf das Umfeld des Kindes beziehen, bspw. auf die Eltern, Geschwister, Grosseltern (Todesfall, Trennung etc.), und «kindbezogene Faktoren» unterschieden werden, wie bspw. Krankheit und Unfall (Krebserkrankung, Hirnhautentzündung, Multiple Sklerose, Bulimie, selbstverletzendes Verhalten, posttraumatische Belastungsstörung, Depression etc.).

    b) Bis anhin konnten die Lernziele lediglich bei Vorliegen von drei bestimmten Gründen vorübergehend angepasst werden (besonderes Ereignis, ungenügende Deutschkenntnisse, fehlender Fremdsprachenunterricht vor Wohnsitznahme im Kanton Zug). Aufgrund der Rückmeldungen bzw. der Praxis in den gemeindlichen Schulen zeigte es sich, dass sich diese abschliessende Aufzählung der Voraussetzungen für vorübergehende Lernzielanpassungen einengend auswirkt. Der neue Paragraf dient deshalb als Ergänzung. Es gibt gelegentlich Schülerinnen und Schülern, bei denen sich im Moment keine eindeutige Lernbehinderung, welche überdauernde Lernzielanpassungen in mehreren Fächern zur Folge hätten, feststellen lässt, obschon ein erhebliches Schulversagen vorliegt. Der Entwicklungsverlauf dieser Schülerinnen und Schüler ist meist in einem Mass unklar, dass eine erneute Beurteilung, in der Regel nach zwei Jahren, erforderlich ist. In dieser Zeit soll der Rektor auf Antrag des SPD entscheiden können, die Lernziele in mehreren Fächern vorübergehend anzupassen.

    Mit dieser zusätzlichen Möglichkeit wird eine neue Kategorie von vorübergehenden Lernzielanpassungen geschaffen, die sich von der Art und Dimension her deutlich von den bisherigen Möglichkeiten unterscheidet. Damit nicht die Gefahr besteht, dass künftig überdauernde Lernzielanpassungen, welche sich auf die schulische Laufbahn erheblich auswirken können, mittels einer vorübergehenden Lernzielanpassung dieser Art umgangen werden können, ist vorgesehen, dass in solchen Fällen der SPD diese Massnahme beantragen muss. Damit unterscheidet sich diese Massnahme von den anderen drei Möglichkeiten der vorübergehenden Lernzielanpassungen, bei welchen der Rektor ohne Beizug des SPD entscheiden kann. An der ursprünglichen Regelung, wonach der SPD bei vorübergehenden Massnahmen nicht beigezogen werden muss, wird damit nicht mehr konsequent festgehalten. Dies begründet sich damit, dass die Ausgangslage für die bisherigen Möglichkeiten der vorübergehenden Lernzielanpassung objektiv von der Schule vor Ort beurteilt werden können, weshalb die Konsultation des SPD nicht angezeigt ist. Bei der neuen Bestimmung hingegen ist eine fachliche Beurteilung der Situation nötig, da festgestellt werden muss, ob eine Lernbehinderung vorliegt oder nicht.

  2. Überdauernde Lernzielanpassungen

    Mit dieser neuen Bestimmung soll es möglich werden, einer Schülerin, einem Schüler in der Regel in maximal zwei Fächern die Lernziele überdauernd anzupassen, auch wenn sie bzw. er nicht als lernbehindert beurteilt wird. In einem solchen Fall wirken sich diese Lernzielanpassungen nicht als laufbahnbestimmende Massnahmen aus. Kinder und Jugendliche mit überdauernden Lernzielanpassungen in maximal zwei Fächern gelten somit immer noch als Regelklassenschülerinnen bzw. -schüler, sofern feststeht, dass keine Lernbehinderung vorliegt. Die Begrenzung von überdauernden Lernzielanpassungen auf maximal zwei Fächer macht deshalb Sinn, da sonst beliebig viele Fächer lernzielangepasst werden könnten und dadurch faktisch kaum ein Unterschied mehr feststellbar wäre zu einem lernbehinderten Kind. Es gäbe in der Folge Kinder, bei welchen bspw. in vier Fächern Lernzielanpassungen vorgenommen würden, wobei das eine als lernbehindert und das andere als nicht lernbehindert eingestuft werden würde. Die Massnahme wäre in beiden Fällen dieselben, der «Status» der Kinder jedoch verschieden. Diese Unterschiedlichkeit wäre nicht nachvollziehbar und für die Abnehmerschulen sowie die Lehrbetriebe kaum verständlich zu begründen. Die Zeugnisse würden für die Abnehmer zudem schwer les- und interpretierbar.

    Einzige Ausnahme von diesem Erlass bildet die Lese-Rechtschreib-Störung. Hier kann es in bestimmten und sehr seltenen Fällen, nämlich bei Vorliegen einer schweren Lese-Rechtschreib-Störung und sofern keine Lernbehinderung feststellbar ist, sinnvoll sein, die Lernziele in allen drei Sprachfächern anzupassen. Mit dieser neuen Möglichkeit werden betroffene Kinder und Jugendliche künftig nicht mehr stigmatisiert.

  3. Laufbahnbestimmende Massnahmen

    Die Anordnung von laufbahnbestimmenden Massnahmen hat weitreichende Konsequenzen für das Kind bzw. den Jugendlichen. Die Quantifizierung der Fächer, in welchen die Lernziele angepasst werden, hat bei der Definition laufbahnbestimmender Massnahmen zu Schwierigkeiten geführt. Mit der Formulierung «Lernzielanpassungen in mehreren Fächern» wird eine Schülerin bzw. ein Schüler mit überdauernden Lernzielanpassungen in zwei Fächern mit laufbahnbestimmenden Massnahmen belegt. Zudem enthält die bis anhin geltende Regelung den grundsätzlich falschen Ansatz, dass laufbahnbestimmende Massnahmen mit einer Zuweisung in eine Kleinklasse für besondere Förderung gleichzusetzen seien. Dies trifft lediglich zu bei Schülerinnen und Schülern mit bisher überdauernden Lernzielanpassungen in mehreren Fächern, jedoch nicht bei Schülerinnen und Schülern, die ehemaligen Kleinklassen für Deutsch als Zweitsprache oder Kleinklassen für verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler besuchen, welche heute ebenfalls mit «Kleinklassen für besondere Förderung» bezeichnet werden.

    Als weitere Problematik erweist sich, dass die im Schulgesetz unter § 33bis erwähnten «lernbehinderten» Schülerinnen und Schüler in den Ausführungsbestimmungen des Bildungsrats zur besonderen Förderung nicht mehr identifiziert werden. In der Regel werden solche Begrifflichkeiten in der Gesetzeshierarchie weitergeführt, was vorliegend nicht der Fall ist. Im Konzept Sonderpädagogik (KOSO) wird zudem festgehalten, dass laufbahnbestimmende Massnahmen auf Stellungnahme des SPD beschlossen würden, was insbesondere der Fall sei, wenn Lernzielanpassungen in mehreren «Bereichen» vorgenommen werden sollen. Mit «Bereichen» sind bspw. der Sprachbereich, der mathematische Bereich oder der naturwissenschaftliche Bereich gemeint. Im Schulreglement werden die diesbezüglichen Vorgaben im KOSO jedoch mit «Fächer» übersetzt, was unkorrekt und deshalb zu bereinigen ist. Eine Lernstörung wie bspw. eine Lese-Rechtschreib-Störung könnte sich auf zwei oder drei Sprachfächer auswirken, wobei jedoch nur «ein» Bereich, der Sprachbereich, betroffen ist, weshalb von laufbahnbestimmenden Massnahmen abzusehen ist, sofern keine Lernbehinderung vorliegt.

    Grundsätzlich werden laufbahnbestimmende Massnahmen, d. h. nach bisheriger Regelung überdauernde Lernzielanpassungen in mehreren Fächern, nur beschlossen, wenn eine Lernbehinderung vorliegt. Eine «Lernbehinderung» meint ein langandauerndes, schwerwiegendes und umfängliches Schulleistungsversagen, das in der Regel mit einer Beeinträchtigung der Intelligenz (IQ 70 bis 85) einhergeht, die jedoch nicht so schwerwiegend ist, dass es sich um einen Fall von geistiger Behinderung handelt. In der Stellungnahme des SPD wird der Befund «Lernbehinderung» namentlich so festgehalten. Aus diesem Grunde ist es naheliegend und in der Situation klärend, wenn laufbahnbestimmende Massnahmen künftig über die Diagnose der Lernbehinderung definiert werden.

    Des Weiteren wird in diesem Erlass auf die Konsequenzen von laufbahnbestimmenden Massnahmen hingewiesen, was für alle Involvierten von Bedeutung ist. Lernbehinderte Schülerinnen und Schüler werden in Bezug auf ihre schulischen und beruflichen Laufbahnmöglichkeiten eingeschränkt. In der Schule zeigt sich dies insbesondere darin, dass lernbehinderte Schülerinnen und Schüler der Primarstufe im Übertrittsverfahren in der Regel der Werkschule zugewiesen werden.

Weitere Schritte
Ende Februar 2016 hat eine Veranstaltung mit den Netzwerkpersonen besondere Förderung stattgefunden, an welcher das Amt für gemeindliche Schulen über die Änderungen informiert hat. Noch im laufenden Schuljahr werden diese Netzwerkpersonen in allen Gemeinden Infor-mationsveranstaltungen organisieren und durchführen, um die Lehrpersonen auf die neuen Bestimmungen vorzubereiten. Für diese Veranstaltung werden die nötigen Instrumente vom Amt für gemeindliche Schulen zur Verfügung gestellt. Die neuen Bestimmungen im Reglement zum Schulgesetz gelten ab Schuljahr 2016/17. Die Ausführungen in den «Richtlinien besondere Förderung» werden entsprechend angepasst.

Markus Kunz leitet die Abteilung Schulaufsicht beim Amt für gemeindliche Schulen,

 

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