Über Zuemuetige, Muet und Ermuetigung

Nachdäm, dass iren Illuschtrierten e Mundartkolumne vo mir isch erschine gsi, het mer e Läser vo Sanggauen e knappe, scharfe Brief gschribe. Mini Mundarttäggschte sige für Oschtschwizer en absoluti Zuemuetig, het er gmeint. So öppis chöng me jo chuum läse. Är verlangi es Wörterbuech. Es het zimlech dramatisch tönt.
I ha Verständnis gha für dä Brief. Aues, wo me nid sofort versteit, cha eim der Iidruck gä, es sig e Zuemuetig. Mir pärsönlech chunnt mänge Täggscht uf en erscht Blick äbefaus wi ne Zuemuetig vor. Aber de versuecheni aube, d Vorsüube «Zue» z verdränge, und was übrigblibt, isch ds Adjektiv «muetig».
Wenn eim öpper öppis zuemuetet, muess me muetig si. Mängisch muetet me sech zum Bischpüu zue, e Täggscht ire Sproch z läse, wo me zwar fasch versteit, aber äbe nid ganz. Französisch isch so nes Bispüu. Mir heis aui ir Schueu einisch glehrt. Aber vüu vo üs bruches nach der Schueu nümme. Auso verkümmeren üsi Französischkenntnis. Näh mer jetz e französischi Zitschrift i d Hang und versuechen e Pricht us dere Zitschrift z läse, de verstöh mer wahrschiinlech nid grad aues sofort. Es chönnt sogar si, dass mer zersch meine, mir verstöngen überhoupt nüt. Blibe mer aber muetig und hartnäckig, de chöi mer nis möglecherwiis dürekämpfen und am Schluss, hei mer ds Meischte verstange. Das git eim es guets Gfüeu, es isch ermuetigend, wöu me sech säuber het chönne bewiise, dass men öppis het gschafft, wo me sech vorhär fasch nid zuetrout hätt. Was eim vilecht zersch wi ne Zuemuetig isch vorcho, wird zur persönlechen Ermuetigung.
Mir Dütschschwizer hei jo mängisch ds Gfüeu, mir sigen üsne dütsche Nochbere sprochlech ungerläge, wöu mer chli gstabig wärde, sobau dass mer mit emne Dütsche i ds Gspräch chöme. De dünkts nis no schnäu emou, der Dütsch sig eloquänt und gwandt und mir säuber, mir sige liecht sprochbehinderet.
Lueger mer d Sach aber chli genauer aa, de isch es jo eigetlech genau umgekehrt. Mir Dütschschwizer ghören und gseh im Autag, we mer ungerwägs si, we mer Radio lose, wem er Fernseh luegen oder wenn mer einisch so ne Mundarttäggscht wi dä dohie läse, so vüu Varianten vor dütsche Sproch, so vüu verschideni Melodie, Rhythmen und Kläng vo eire Sproch, dass mer outomatisch zu Sprochspezialischte wärde. Mir verstöh im Dütsche fasch jedi regionali Sprochvariante vom Südtirou bis a Bodesee, vom Oberwallis bis uf Wien, vom Bündnerland, bis a d Nordsee. Üs isch es eigetlech egau, ob öpper «Aabe», «Abig», «Obig», «Abet», «Oobe», «Oobed» oder «Abend» seit. Verstoh tüe mers immer. Es si Variante vom Gliiche. Mir entwicklen es Ghör für aui Detail.
Aber mänge Dütsche versteit nume grad «Abend» und ou das nume, wenns ganz genau so usgsprochen isch, win ärs gwöhnt isch.
Mini spanischi Mueter het zum Bispüu aube z Langetau ir Metzgerei «Chuftblatzeli» oder «Cheschnetzlechechalblewerli» bstöut. Ds Personau hets immer verstange. Si hei useghört, dass si Huftplätzli oder gschnätzleti Chaubsläberli meint. Z Hamburg oder Berlin wär das äuä nid möglech gsi. Dört wäre «Chuftblatzeli» oder «Cheschnetzlechechalblewerli» vo niemerem verstange worden und bi üs deheime hätts ke Fleisch zum Zmittag ggä. Das wär de en angeri Art vo Zuemuetig gsi.
*Pedro Lenz, geboren und aufgewachsen in Langenthal, wuchs in einer schweizerisch-spanischen Familie mit zwei Geschwistern auf. Nach seiner Maurerlehre im Jahr 1984 holte er auf dem zweiten Bildungsweg die Eidgenössische Matura nach und studierte anschliessend spanische Literatur an der Universität Bern. Seit 2001 ist er hauptberuflich als Schriftsteller tätig. Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller ("Der Goalie bin ig") und Spoken-Word-Künstler ist bekannt für seine alltäglichen, persönlichen und philosophischen Texte. Der vorliegende Text ist eine überarbeitete Fassung einer Kolumne, die erstmals 2015 in der Schweizer Illustrierten erschienen ist.
Mit dem Text schliessen wir das Fokusthema "Dialekt in der Schule" ab. Hier die Links zu den weiteren Beiträgen: "Dialekt und Standardsprache in der Schule" sowie "«Role models» für die Schule!?"