Navigieren auf Kanton Zug

Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Sozialversicherungsrecht

Art. 37 Abs. 4 ATSG
Art. 41 ATSG und Art. 53 AVIG
Medizinische Massnahmen
Unfallbegriff

Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG

Regeste:

Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG – Die  Anrechenbarkeit eines Unterhaltsbeitrages als anerkannte Ausgabe setzt voraus, dass die Unterhaltsleistung richterlich, behördlich oder vertraglich festgesetzt und betraglich konkretisiert worden ist; die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen, welche durch eine  ausländische Behörde bei der Berechnung einer Ausgleichszulage für die Ehefrau als fiktiver Betrag angenommen wurde, erfüllt diese Voraussetzungen nicht, zumal sich der Entscheid einzig gegen die Ehefrau richtet (Erw. 6.2). Familienrechtliche Unterhaltsbeiträge werden zudem nur als Ausgaben anerkannt, wenn sie tatsächlich geleistet worden sind (Erw. 6.3).

Aus dem Sachverhalt:

Der 1941 geborene A., verheiratet mit B., bezieht Ergänzungsleistungen (EL) zu seiner Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). Mit Schreiben vom 28. Oktober 2018 machte A. bei der Berechnung seiner EL die Anrechnung von Unterhaltszahlungen an seine Ehefrau, welche in Österreich lebt, geltend. Verfügungsweise teilte die Ausgleichskasse am 15. Februar 2019 mit, nur behördlich oder gerichtlich genehmigte oder festgelegte Unterhaltsleistungen könnten bei den anerkannten Ausgaben der Ergänzungsleistungen berücksichtigt werden, sofern diese auch nachweislich erbracht würden. Beim Entscheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 20. Juni 2018 handle es sich um eine fiktive Unterhaltsleistung. Dieser Betrag könne nicht als familienrechtlicher Unterhaltsbeitrag angerechnet werden. Die dagegen erhobene Einsprache wies die Ausgleichskasse mit Einspracheentscheid vom 23. Mai 2019 ab. Beschwerdeweise beantragt A., der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse Zug vom 23. Mai 2019 sei aufzuheben. Es sei bei seiner EL-Berechnung der an seine Ehefrau zu leistende eheliche Unterhaltsbeitrag von EUR x gemäss Bescheid der Oberösterreichischen Pensionsversicherungsanstalt vom 16. Mai 2018 als anerkannte Ausgabe zu berücksichtigen. Die Ergänzungsleistungen seien rückwirkend zu erstatten.

Aus den Erwägungen:

(…)

4.
4.1 Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben unter anderem Personen, die eine Invalidenrente beziehen, wenn die nach dem ELG anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 4 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 9 Abs. 1 ELG).

4.2 Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1 ELG). Hält sich einer der Ehegatten oder ein anderes Familienmitglied längere Zeit im Ausland auf oder ist sein Aufenthaltsort unbekannt, so fällt es bei der Bemessung der Ergänzungsleistung ausser Betracht (Art. 10 der Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung vom 15. Januar 1971 [ELV, SR 831.301]).

4.3 Familienrechtliche Unterhaltsbeiträge sind als Ausgaben anzuerkennen, sofern sie tatsächlich geleistet werden (Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG). Abzugsberechtigt sind die Unterhaltsleistungen an den Ehegatten und die Kinder nach der Scheidung oder Trennung, im Rahmen vorsorglicher Massnahmen während des Trennungs- oder Scheidungsverfahrens, eheschutzrechtliche Unterhaltsleistungen sowie Unterhaltsleistungen an die Kinder (vgl. Carigiet/Koch, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. überarbeitete und ergänzte Auflage, Zürich 2009, S. 143). Damit eine familienrechtliche Unterhaltszahlung als Ausgabe aber anerkannt werden kann, muss sie entweder richterlich, behördlich oder vertraglich festgesetzt und betraglich konkretisiert worden sein. Die Auseinandersetzung über den Bestand und die Höhe der konkreten familienrechtlichen Unterhaltspflicht der versicherten Person muss also abgeschlossen sein (vgl. Carigiet/Koch, a.a.O., S. 144). Gemäss dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG können nur geleistete Unterhaltsbeiträge als Ausgaben anerkannt werden (vgl. Carigiet/Koch, a.a.O., S. 147).

5.
5.1 Der Beschwerdeführer führte zur Begründung an, seine Frau lebe seit Dezember 2017 in Österreich zwecks Betreuung der kranken Mutter. Die Ehe sei aber weiterhin aufrecht. Er selber sei von der Oberösterreichischen Pensionsversicherungsanstalt verpflichtet worden, an seine Ehefrau monatlich einen Unterhaltsbeitrag von EUR x zu leisten. Dabei handle es sich um eine Österreichische Behörde. Dies begründe eine höhere Ergänzungsleistung für ihn. Er könne die Unterhaltsleistung erst tatsächlich bezahlen, wenn sie ihm von der Ausgleichskasse Zug anerkannt werde. Seine Ehefrau lebe unter der Armutsgrenze. Sie habe keinen Anspruch auf EL, aber auf den behördlich festgesetzten Unterhaltsbeitrag. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer am 3. Juli 2019 vor, seine Ehefrau habe sich in Österreich zur Wehr gesetzt. Das erneute Klagerecht könne sie nicht in Anspruch nehmen, da sie ihn in C. pflege und sich nicht in Österreich aufhalte. Seine Ehefrau sei seit seinem Transport ins Spital D. am 20. Januar 2019 nachweislich an seiner Seite und pflege ihn fürsorglich, mit Ausnahme der Unterbrechung für die Vorladung der Pensionsversicherungsanstalt am 1. März 2019 sowie des wichtigen Kontrolltermines im Krankenhaus E. am 13. und 14. Juni 2019. In dieser Zeit sei er in der Palliativstation in F. betreut worden. Die Österreichische Pensionsversicherungsanstalt richte sich nach dem Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, das seit 1977 auch für die Schweiz gelte.

5.2 Dem hält die Ausgleichskasse entgegen, es seien nur tatsächlich geleistete Unterhaltsleistungen anrechenbar. Der Beschwerdeführer sei jedoch aus eigenen finanziellen Mitteln nicht in der Lage, eheliche Unterhaltsleistungen an seine in Österreich lebende Ehefrau zu zahlen. Würden in seiner EL-Berechnung trotzdem Ausgaben berücksichtigt und dadurch die EL-Leistungen an den Beschwerdeführer erhöht, müsste der Schweizer Steuerzahler für diese zusätzlichen Leistungen an seine Ehefrau im Ausland aufkommen. Es sei jedoch durch das ELG gerade nicht vorgesehen, dass Personen ohne Aufenthalt in der Schweiz in den Genuss von EL kommen könnten. Im vorliegenden Fall sei es daher an der Ehefrau, sich gegen den Österreichischen Entscheid zur Wehr zu setzen und höhere Leistungen zu beantragen. Hingegen sei es nicht Sache der EL, für ihre Kosten im Ausland aufzukommen.

6.
6.1 Zunächst ist klarzustellen, dass sich der Anspruch des Beschwerdeführers auf EL ausschliesslich nach Schweizerischem Recht richtet. Ein internationaler Koordinationstatbestand ist nicht gegeben.

6.2 Sodann ist fraglich, ob die erste Voraussetzung für die Anrechenbarkeit des Unterhaltsbeitrages als anerkannte Ausgabe erfüllt ist, mithin ob die Unterhaltsleistung richterlich, behördlich oder vertraglich festgesetzt und betraglich konkretisiert worden ist.

Eine richterlich oder vertraglich festgesetzte und betraglich konkretisierte Unterhaltsleistung besteht vorliegend zweifelsohne nicht, was der Beschwerdeführer denn auch zu Recht nicht geltend macht. Entgegen seiner Auffassung kann aber auch nicht von einer behördlich genehmigten Unterhaltsleistung ausgegangen werden. Es mag zwar zutreffen, dass es sich bei der Oberösterreichischen Pensionsversicherungsanstalt um eine Behörde handelt. Allerdings kann gestützt auf deren Bescheid, in welchem sie der Ehefrau des Beschwerdeführers eine Ausgleichszulage zuspricht, der darin angerechnete Unterhaltsbeitrag nicht gerichtlich eingefordert werden. Adressatin war und ist nur die Ehefrau. Es wurde lediglich für die Berechnung der Ausgleichszulage ein fiktiver Betrag eingesetzt, wobei die Berechnungsgrundlage nicht ersichtlich ist. Der Bescheid richtet sich einzig an die Ehefrau des Beschwerdeführers und vermöchte gegenüber ihm keine Rechtswirkung zu entfalten. Von einer behördlich genehmigten Unterhaltszahlung kann etwa dann gesprochen werden, wenn die Vormundschaftsbehörde einen Unterhaltsvertrag für das Kind genehmigt. Ein solcher oder auch nur analoger Sachverhalt liegt nicht vor. Mittels Bescheid der Oberösterreichischen Pensionsversicherungsanstalt wurde einzig der Ehefrau des Beschwerdeführers eine Ausgleichszulage für den Zeitraum zugesprochen, in welchem sie sich in Österreich aufhält. Demnach sind Bestand und Höhe einer allfälligen Unterhaltspflicht nicht rechtsverbindlich festgelegt. Bereits aus diesem Grund kann die geltend gemachte Unterhaltsleistung nicht als anrechenbare Ausgaben anerkannt werden (vgl. etwa BGer-Urteil 9C_160/2018 vom 9. August 2018 E. 4.1).

6.3 Im Weiteren werden nach dem klaren Wortlaut von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG (vormals Art. 3b Abs. 3 lit. e aELG [in der bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung]) nur «geleistete familienrechtliche Unterhaltsbeiträge» als Ausgaben anerkannt, was sowohl nach früherer als auch nach der aktuellen Fassung des ELG voraussetzt, dass festgesetzte Unterhaltsbeiträge bezahlt worden sind (vgl. dazu EVG-Urteil P 53/03 vom 2. März 2004 E. 3). An der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat sich bis anhin nichts geändert, obschon in der Lehre teils eine andere Auffassung vertreten wird (vgl. etwa Jöhl/Usinger-Egger, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. Soziale Sicherheit [SBVR], 3. Auflage, Basel 2016, S. 1792 f., Rz. 111). Nichts anderes geht auch aus der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL) hervor. Danach werden behördlich oder gerichtlich genehmigte oder festgelegte familienrechtliche Unterhaltsleistungen als Ausgabe berücksichtigt, soweit sie nachweisbar erbracht worden sind (Rz 3271.01 WEL, gültig ab 1. April 2011, Stand 1. Januar 2019).

Der Beschwerdeführer gesteht sodann selber ein, dass er nur dazu in der Lage wäre, diese Unterhaltsbeiträge seiner Ehefrau zu überweisen, wenn diese durch die Ausgleichskasse anerkannt würden. Er hat bis anhin seiner Ehefrau nie einen Unterhaltsbeitrag überwiesen. Auch deshalb besteht kein Raum für eine Berücksichtigung als anerkannte Ausgabe.

6.4 Nichts daran zu ändern vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf Rz 3272.03 der WEL. Da, wie bereits dargelegt, der Unterhaltsbeitrag nicht als anerkannte Ausgabe qualifiziert werden kann, erübrigt sich auch eine Überprüfung durch die Ausgleichskasse. Eine solche wäre dann vorzunehmen gewesen, wenn der Beschwerdeführer bereits solche Zahlungen getätigt hätte. Diesfalls hätte die Ausgleichskasse prüfen müssen, ob überhaupt eine Pflicht seitens des Beschwerdeführers besteht und ob die Beiträge angemessen wären.

7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Ausgleichskasse die geltend gemachten Unterhaltsbeiträge zu Recht nicht als anerkannte Ausgaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG qualifiziert hat. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. August 2019, S 2019 78
Das Urteil ist rechtskräftig.

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch