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Berufliche Vorsorge: Lebenspartnerrente

Regeste:

Art. 16 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. d des Vorsorgereglements (VorsR) der Zuger Pensionskasse - Aus Systematik und dem Wortlaut der reglementarischen Bestimmungen von Art. 16 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. d VorsR ergibt sich deutlich und unmissverständlich, dass der Anspruch auf eine  Lebenspartnerrente im Todesfall von rentenbeziehenden Personen die rechtzeitige Meldung der Lebenspartnerin an die Zuger Pensionskasse voraussetzt (Meldung im Zeitpunkt der erstmaligen Rentenzahlung, spätestens jedoch bis zur Vollendung des 65. Altersjahres).

Aus dem Sachverhalt:

1. A trat im Jahr 1981 eine Stelle als (…) an und ist damit gleichzeitig in die Zuger Pensionskasse eingetreten. Per 1. August 2017 liess er sich im Alter von 62 Jahren vorzeitig pensionieren und bezog seit diesem Datum eine Altersrente der Zuger Pensionskasse.

2. Am 27. Februar 2018 meldete A der Zuger Pensionskasse seine Lebenspartnerschaft mit B. Gleichentags teilte ihm die Zuger Pensionskasse unter Verweis auf Art. 16 Abs. 2 ihres Vorsorgereglements mit, die gemeldete Lebenspartnerschaft könne nicht berücksichtigt werden, da die Meldung bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Rentenzahlung hätte erfolgen müssen. Sie erläuterte dies später auch an der Besprechung vom 20. März 2018 und hielt in ihrem Schreiben vom 5. April 2018 an ihrem Standpunkt fest. Der Vorstand der Zuger Pensionskasse bestätigte diese Auffassung mit Schreiben vom 29. Juni 2018.

3. Am 2. August 2018 liess A beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug Klage einreichen und beantragen, es sei festzustellen, dass seiner Lebenspartnerin B ein Anspruch auf Lebenspartnerrente gegenüber der Zuger Pensionskasse zustehe und es sei die Beklagte für den Todesfall des Klägers zu verpflichten, ihr eine Lebenspartnerrente gemäss Vorsorgereglement zu bezahlen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich 7,7 % MwSt.) zu Lasten der Beklagten.

4. Am 20. September 2018 liess die Zuger Pensionskasse die vollumfängliche Abweisung der Klage beantragen, soweit darauf einzutreten sei, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Klägers.

Aus den Erwägungen:

(…)

2. Im vorliegenden Verfahren liess der Kläger die Feststellung beantragen, wonach seiner Lebenspartnerin B ein Anspruch auf eine Lebenspartnerrente gegenüber der Beklagten zustehe. Diese sei für seinen Todesfall zu verpflichten, B eine Lebenspartnerrente gemäss Vorsorgereglement zu bezahlen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten. In seiner Replik hielt der Kläger an diesen Anträgen fest.

Eine Feststellungsklage setzt grundsätzlich ein aktuelles und unmittelbares Interesse bzw. ein schutzwürdiges Interesse an der sofortigen Feststellung des Rechtes voraus (BGE 118 V 248 E. I.2b). Da es vorliegend um eine Lebenspartner- und damit um eine Hinterlassenenrente geht, kann erst im Zeitpunkt des Todes des Klägers konkret geprüft werden, ob seine Lebenspartnerin einen Leistungsanspruch hat oder nicht. Gestützt auf Art. 16 Abs. 3 des ab 1. April 2018 gültigen Vorsorgereglements der Beklagten (nachfolgend VorsR) prüft die Beklagte im Leistungsfall das Vorhandensein der Anspruchsvoraussetzungen für eine Lebenspartnerrente gemäss Art. 16 VorsR bzw. gemäss der Bestimmungen des zu diesem Zeitpunkt geltenden Reglements. Zum aktuellen Zeitpunkt kann somit gar nicht geprüft werden, ob der Kläger und B im Zeitpunkt seines Todes immer noch in einer festen und ausschliesslichen Zweierbeziehung mit gemeinsamem Wohnsitz und im gemeinsamen Haushalt leben werden (Art. 16 Abs. 1 lit. a VorsR), ob beide immer noch unverheiratet sein werden (vgl. Art. 16 Abs. 1 lit. b VorsR) oder ob B dannzumal noch am Leben sein wird. Ein allfälliger künftiger Leistungsanspruch von B impliziert allerdings die Frage der Rechtzeitigkeit der Meldung der Lebenspartnerschaft an die Beklagte im Sinne von Art. 16 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. d VorsR als konstitutive Anspruchsvoraussetzung, deren Prüfung zum jetzigen Zeitpunkt möglich und sinnvoll ist. Eine verspätete Meldung hätte nämlich zur Folge, dass beim Todesfall des Klägers und Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen kein Anspruch auf eine Lebenspartnerrente bestünde, was gewichtigen Einfluss auf die aktuelle Planung der Altersvorsorge von B hätte. Aus diesem Grund ist ein aktuelles und unmittelbares Interesse bzw. ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Klärung dieser Frage zu bejahen. Auch die Beklagte hat ein grosses Interesse an der Beantwortung dieser Rechtsfrage, da es dabei um eine allfällige künftige Leistungsverpflichtung geht. Da sowohl die Begründung der Klageschrift als auch diejenige der Replik klar und unmissverständlich verdeutlichen, dass es in casu eigentlich um die Frage der Rechtzeitigkeit der Meldung der Lebenspartnerin an die Beklagte geht und ein schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung dieser Rechtsfrage zu bejahen ist, ist diesbezüglich auf die Klage einzutreten.

Es bleibt mithin festzuhalten, dass aus den dargestellten Gründen nicht auf die Klage eingetreten werden kann, soweit der Kläger die Feststellung eines künftigen Leistungsanspruchs bzw. die Zusprechung einer Lebenspartnerrente für seinen Todesfall beantragt hat. Auf die Klage ist jedoch insofern einzutreten, als es um die Feststellung der Rechtzeitigkeit der Meldung der Lebenspartnerin an die Beklagte geht.

3. An dieser Stelle ist auf die Rechtsgrundlage der Lebenspartnerrente und auf die zur Anwendung kommende Auslegungsmethode einzugehen.

3.1 Die Lebenspartnerrente wird in Art. 16 VorsR geregelt.

Artikel 16 Lebenspartnerrente

Absatz 1 Anspruch

Für den bzw. die von der versicherten Person bezeichneten Lebenspartner bzw. Lebenspartnerin (verschiedenen oder gleichen Geschlechts) besteht Anspruch auf eine Hinterlassenenrente in der Höhe der Ehegattenrente, sofern

lit. a der bezeichnete Lebenspartner bzw. die bezeichnete Lebenspartnerin und die versicherte Person vor dem Tod der versicherten Person nachweislich in einer festen und ausschliesslichen Zweierbeziehung mit gemeinsamem Wohnsitz sowie im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und

lit. b die versicherte und die begünstige Person im Zeitpunkt des Todes jeweils unverheiratet und im Sinne von Art. 95 ZGB nicht verwandt sind und

lit. c der bezeichnete Lebenspartner bzw. die bezeichnete Lebenspartnerin im Zeitpunkt des Todes das 40. Lebensjahr zurückgelegt hat und die Lebenspartnerschaft nach lit. a mindestens fünf Jahre ununterbrochen gedauert hat oder eines oder mehrere gemeinsame Kinder mit Anspruch auf Waisenrente vorhanden sind und

lit. d die versicherte Person der Pensionskasse zu Lebzeiten den Lebenspartner bzw. die Lebenspartnerin schriftlich gemeldet hat. Unterbleibt diese Meldung, besteht kein Anspruch auf Leistungen der Pensionskasse.

Absatz 2 Anspruch von rentenbeziehenden Personen

Im Todesfall einer alters- oder invalidenrentenbeziehenden Person besteht nur dann Anspruch auf eine Lebenspartnerrente, falls die Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. a, b und d bereits im Zeitpunkt der erstmaligen (Alters- oder Invaliden-) Rentenzahlung, spätestens jedoch bis zur Vollendung des 65. Altersjahres, erfüllt waren.

Absatz 3 Voraussetzungen

Die versicherte bzw. die begünstigte Person hat die für die Abklärung notwendigen Unterlagen einzureichen. Die Pensionskasse prüft im Leistungsfall, ob die Anspruchsvoraussetzungen für eine Lebenspartnerrente gegeben sind.

3.2 Des Weiteren ist auf die zur Anwendung kommende Auslegungsmethode einzugehen. Da es sich bei der Zuger Pensionskasse um eine Vorsorgeeinrichtung des öffentlichen Rechts handelt, hat die Interpretation von Art. 16 VorsR nach den Regeln der Gesetzesauslegung zu erfolgen. Demnach ist in erster Linie der Wortlaut massgebend. Lässt dieser verschiedene Deutungen zu, ist er auszulegen unter Berücksichtigung namentlich des Zwecks, des kontextbezogenen Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Da der Inhalt von Art. 16 VorsR hinreichend klar bestimmt werden kann (vgl. dazu E. 4 nachfolgend), kommt das Vertrauensprinzip bzw. die Unklarheits- und Ungewöhnlichkeitsregel, welche bei der Interpretation von statutarischen und reglementarischen Vorschriften privatrechtlicher Vorsorgeeinrichtungen zur Anwendung kommen (BGE 133 V 314 E. 4.1), jedoch von vornherein nicht zur Anwendung, sodass sich diesbezügliche Weiterungen erübrigen.

4. In casu ist unbestritten, dass der Kläger seit 1. August 2017 eine Altersrente der Beklagten bezieht und am 27. Februar 2018 seine Lebenspartnerin B bei der Beklagten gemeldet hat. Umstritten und zu prüfen ist, ob diese Meldung im Sinne von Art. 16 VorsR rechtzeitig erfolgt ist.

Bereits die Gliederung und die Systematik des Vorsorgereglements von Art. 16 VorsR verdeutlichen, dass bei den Voraussetzungen für eine Lebenspartnerrente zwischen aktiven versicherten bzw. noch erwerbstätigen Personen (Randtitel von Abs. 1 «Anspruch») und rentenbeziehenden Personen (Randtitel von Abs. 2 «Anspruch von rentenbeziehenden Personen») unterschieden wird.

Für die Erwerbstätigen regelt unter anderem Art. 16 Abs. 1 lit. a und b VorsR die materiellen und lit. d die formellen Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Lebenspartnerrente. Für die bereits rentenbeziehenden Personen hält Art. 16 Abs. 2 VorsR eindeutig und unmissverständlich fest, dass die Voraussetzungen nach Art. 16 Abs. 1 lit. a, b und d VorsR bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Rentenzahlung, spätestens jedoch bis zur Vollendung des 65. Altersjahres erfüllt sein müssen. Bereits die Auslegung des Wortlauts ergibt somit unmissverständlich, dass Art. 16 Abs. 2 VorsR für rentenbeziehende Personen sowohl die materiellen als auch die formellen Voraussetzungen für den Bezug einer Lebenspartnerrente regelt. Insbesondere durch den expliziten Verweis auf Art. 16 Abs. 1 lit. d VorsR legt Absatz 2 auch den Zeitpunkt fest, bis wann eine Lebenspartnerschaft bei der Beklagten zu melden ist. Der Verweis auf Abs. 1 lit. d wäre überflüssig, wenn nicht auch die schriftliche Meldung bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Rentenzahlung, spätestens jedoch bis zur Vollendung des 65. Altersjahres erfolgt sein müsste. Die Darlegung des Klägers, wonach gestützt auf Art. 16 Abs. 2 VorsR die Voraussetzungen einer Lebenspartnerrente bei erster Rentenzahlung bzw. im Alter 65 erfüllt sein müssten und nur Art. 16 Abs. 1 lit. d VorsR den Zeitpunkt der Meldung sowohl für Erwerbstätige als auch für Pensionierte regeln würde, ist daher als unzutreffend zu qualifizieren. Da Art. 16 Abs. 2 VorsR primär die erste Rentenzahlung und "spätestens" die Vollendung des 65. Altersjahres nennt, kann diese Bestimmung auch nicht etwa so verstanden werden, wonach alternativ auf die erste Rentenzahlung oder spätestens auf das Alter 65 abgestellt werden soll. Wäre dem so, hätte es gereicht, zu statuieren, die Meldung sei «spätestens bis zur Vollendung des 65. Altersjahres» zu machen. Eine Nennung der ersten Rentenzahlung wäre dann völlig sinnlos. Der Hinweis auf das Alter 65 zusätzlich zur ersten Rentenzahlung ist demgegenüber erforderlich für den Fall der aufgeschobenen Pensionierung (vgl. dazu Art. 3 Abs. 2 VorsR), bei der noch gar keine Rente ausbezahlt wird (bis maximal Alter 70).

Es bleibt mithin festzuhalten, dass sich aus der Systematik und dem Wortlaut der reglementarischen Bestimmungen von Art. 16 Abs. 1 und 2 VorsR deutlich und unmissverständlich ableiten lässt, dass der Anspruch auf eine Lebenspartnerrente im Todesfall von rentenbeziehenden Personen die rechtzeitige Meldung der Lebenspartnerin voraussetzt, welche im Zeitpunkt der erstmaligen Rentenzahlung vorliegen muss, spätestens jedoch bis zur Vollendung des 65. Altersjahres, wenn bis dahin noch keine Rente bezogen wurde. Da der Kläger seine Lebenspartnerin B der Beklagten erst am 27. Februar 2018 und somit nach dem ersten Altersrentenbezug am 1. August 2017 gemeldet hat, ist die Meldung als verspätet zu qualifizieren.

5. Nach Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG kann die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Reglement Hinterlassenenleistungen für die Person vorsehen, die mit dem Versicherten in den letzten fünf Jahren bis zu seinem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt hat oder die für den Unterhalt eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder aufkommen muss. Aus dieser "Kann-Vorschrift" ist abzuleiten, dass es sich beim Anspruch auf eine Lebenspartnerrente um einen überobligatorischen Anspruch handelt. Die Vorsorgeeinrichtungen sind daher frei zu bestimmen, ob sie überhaupt und für welche dieser Personen sie Hinterlassenenleistungen vorsehen wollen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 9C_118/2018 vom 9. Oktober 2018 E. 1.1). Nach herrschender bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind die Pensionskassen zum Erlass von Anspruchsvoraussetzungen mit konstitutiver Wirkung befugt (BGE 133 V 314 E. 4.2.1 und 4.3), wobei es sich nicht um blosse Beweisvorschriften mit Ordnungscharakter handelt, sondern vielmehr um mit Art. 20a BVG vereinbare formelle Anspruchserfordernisse mit konstitutiver Wirkung (BGE 142 V 233 E. 2.1). Artikel 16 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 lit. d VorsR stellt ein derartiges zulässiges formelles Anspruchserfordernis mit konstitutiver Wirkung dar, wird doch unmissverständlich festgehalten, dass bei Unterbleiben der fristgerechten Meldung kein Anspruch auf Leistungen der Pensionskasse besteht.

(…)

9. Zusammenfassend bleibt mithin festzuhalten, dass sich aus der Systematik und dem Wortlaut der reglementarischen Bestimmungen von Art. 16 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. d VorsR deutlich und unmissverständlich ergibt, dass der Anspruch auf eine Lebenspartnerrente im Todesfall von rentenbeziehenden Personen die rechtzeitige Meldung der Lebenspartnerin an die Beklagte voraussetzt (Meldung im Zeitpunkt der erstmaligen Rentenzahlung, spätestens jedoch bis zur Vollendung des 65. Altersjahres). Für eine Abweichung vom klaren Wortlaut bestehen keine triftigen Gründe. Artikel 16 Abs. 1 und 2 VorsR verstossen nicht gegen gesetzliche Bestimmungen, da die Vorsorgeeinrichtungen berechtigt sind, konstitutive formelle Anforderungen vorzusehen, welche für die Versicherten keine unzumutbare Hürde darstellen. Da der Kläger seine Lebenspartnerin B der Beklagten erst am 27. Februar 2018 und somit nach dem ersten Altersrentenbezug am 1. August 2017 gemeldet hat, ist die Meldung als verspätet zu qualifizieren. Im Todesfall des Klägers hat B somit keinen Anspruch auf eine Lebenspartnerrente der Beklagten. Die Klage erweist sich als vollumfänglich unbegründet, soweit darauf einzutreten ist.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2019, S 2018 78
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Verfahrensnummer am Bundesgericht: 9C_784/2019

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