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Art. 58 Abs. 1 ATSG

Art. 59 ATSG

Regeste:

Art. 59 ATSG: Beschwerdelegitimation «pro Adressat» (Anwendungsfall der bundesgerichtlichen Rechtsprechung 8C_606/2007). Dieser Unfallversicherer hat ein selbständiges, eigenes Rechtsschutzinteresse an der Einsprache- bzw. Beschwerdeerhebung, weil er damit rechnen muss, fortan für die Ausrichtung von Versicherungsleistungen hinsichtlich der noch bestehenden gesundheitlichen Beschwerden von der versicherten Person in Anspruch genommen zu werden.

Aus dem Sachverhalt:

Die Versicherte S erlitt im Januar 1984 einen Suva-versicherten Ski-Unfall, bei welchem es zu einer Kontusion der rechten Schulter kam. Von diesem Zeitpunkt an litt sie an Schulterschmerzen rechts vor allem bei der Abduktion und bei kombinierten Bewegungen wie z.B. beim Anziehen eines Pullovers. Die Schmerzen liessen zwischenzeitlich aufgrund von Infiltrationen, welche vom Hausarzt gemacht wurden, nach. Am 19. Juni 1988 fand aber schliesslich doch ein operativer Eingriff statt, bei welchem man eine Läsion der Supraspinatussehne fand. Der Infraspinatus und die Subscapularissehne waren jedoch intakt. Am 27. Dezember 1996 erlitt die Versicherte bei einem neuerlichen Ski-Unfall wiederum eine Schulterkontusion rechts. Da die Versicherte vom 1. Januar 1996 bis zum 31. März 1997 bei der XY angestellt war, war dieser Unfall bei der Z versichert. Die Ärzte fanden diesmal eine Rotatorenmanschettenläsion in Form eines dorsalen Supraspinatusrisses. Weil die Schulterbeschwerden der – ehemals als kaufm. Angestellte und Reiseleiterin tätigen, mittlerweile aber arbeitslosen – Versicherten in der Folge zunahmen, erfolgte am 29. März 2011 eine Operation bei Dr. H. Mit Verfügung vom 21. September 2011 liess die Suva jedoch mitteilen, dass sie die Kostenübernahme ablehne, weil es durch den Unfall vom 27. Dezember 1996 zu einer richtunggebenden Verschlimmerung gekommen sei, weshalb die Z die Versicherungsleistungen zu erbringen habe. Mit Eingabe vom 4. Oktober 2011 erhob die Z dagegen form- und fristgerecht Einsprache und beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Suva habe ihre Leistungspflicht für die Schulteroperation im März 2011 anzuerkennen. Diese Einsprache wies die Suva mit Einspracheentscheid vom 7. Dezember 2011 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Suva-versicherten Unfall im Jahr 1984 und den gemeldeten Schulterbeschwerden im Jahr 2011 allerhöchstens als möglich erscheine, was sozialversicherungsrechtlich keine Leistungspflicht der Suva auslöse. Vielmehr sei mit dem Kreisarzt davon auszugehen, dass der Z-versicherte Unfall vom 27. Dezember 1996, welcher einen Sehnenriss zur Folge gehabt habe, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einer richtunggebenden Verschlimmerung an der rechten Schulter geführt habe, womit für weitere Versicherungsleistungen die Z aufzukommen habe.

B. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 14. Dezember 2011 liess die Z beantragen, es sei der Einspracheentscheid der Suva aufzuheben und die Suva zu verpflichten, die Leistungen für die Schulteroperation rechts vom Jahre 2011 zu erbringen. Zudem seien die involvierten Sozialversicherer sowie die Versicherte beizuladen und es sei ein Gutachten betreffend Leistungspflicht anzuordnen.

C. In der Vernehmlassung vom 29. Februar 2012 liess die Beschwerdegegnerin beantragen, auf die Beschwerde vom 14. Dezember 2011 sei nicht einzutreten bzw. diese sei eventualiter abzuweisen.

Aus den Erwägungen:

(...)

1.3 Die Suva beantragt zur Hauptsache ein Nichteintreten, fehle es doch der Z an ihrer Legitimation. Ihr Entscheid, für die Kosten der Schulteroperation vom 29. März 2011 nicht aufzukommen, habe für die Z weder direkt noch indirekt Auswirkungen. Die rechte Schulter der Versicherten sei unzählige Male kontusioniert worden. Rückblickend sei nicht mehr feststellbar, anlässlich welcher Ereignisse welcher Schaden gesetzt worden sei und welcher Versicherer (Z, Suva oder Krankenkasse W) jeweils hierfür zuständig gewesen sei bzw. wäre. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung (8C_606/2007 und 8C_857/2008) wolle verhindern, dass es zu widersprechenden Verfügungen von Versicherern kommen könne, von denen entweder der eine oder der andere zuständig sei und die sich einen Fall gegenseitig zuschieben wollten. Dieses Szenario würde vorliegend nur bestehen, wenn zweifelsfrei wäre, dass entweder die Suva oder die Z als Unfallversicherer leistungspflichtig seien. Das stehe jedoch keineswegs fest. Es sei denkbar, dass ein dritter unbekannter Unfallversicherer oder die Krankenkasse für den Eingriff vom 29. März 2011 aufzukommen habe. Dies schliesse eine Anfechtung «pro Adressat» durch die Z aus.

1.3.1 Die Legitimation zur Anfechtung einer Verfügung bzw. eines Einspracheentscheids durch Beschwerde an das kantonale Gericht richtet sich nach Art. 59 ATSG. Gemäss dieser Bestimmung ist zur Beschwerde legitimiert, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Erlässt ein Versicherer eine Verfügung, welche die Leistungspflicht eines anderen Trägers berührt, so hat er auch ihm die Verfügung zu eröffnen. Dieser kann die gleichen Rechtsmittel ergreifen wie die versicherte Person (Art. 49 Abs. 4 ATSG).

Das Bundesgericht hat zudem in einem Urteil vom 27. August 2008 (8C_606/2007) entschieden, dass der durch die leistungsablehnende Verfügung berührte Unfallversicherer zur Anfechtung «pro Adressat» befugt ist. Dieser Unfallversicherer hat ein selbständiges, eigenes Rechtsschutzinteresse an der Einsprache- bzw. Beschwerdeerhebung, weil er damit rechnen muss, fortan für die Ausrichtung von Versicherungsleistungen hinsichtlich der noch bestehenden gesundheitlichen Beschwerden von der versicherten Person in Anspruch genommen zu werden. Betrifft diese Konstellation auch nur einen einzigen Versicherungszweig und damit nicht die durch Art. 49 Abs. 4 ATSG erfasste intersystemische Koordination, so ist sie im gleichen Sinne zu beurteilen. Dadurch wird auch das Gebot des einfachen und raschen Verfahrens (Art. 61 lit. a ATSG) besser gewahrt (vgl. 8C_606/2007, Erw. 9.2).

1.3.2 Die Suva stellte mit Verfügung bzw. Einspracheentscheid vom 7. Dezember 2011 fest, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Suva-versicherten Unfall im Jahr 1984 und den gemeldeten Schulterbeschwerden im Jahr 2011 allerhöchstens als möglich erscheine, was sozialversicherungsrechtlich keine Leistungspflicht der Suva auslöse. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Z-versicherte Unfall vom 27. Dezember 1996, welcher einen Sehnenriss zur Folge gehabt habe, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einer richtunggebenden Verschlimmerung an der rechten Schulter geführt habe, womit für weitere Versicherungsleistungen die Z aufzukommen habe.

1.3.3 Würde der Z gegen die leistungsablehnende Verfügung bzw. den leistungsablehnenden Entscheid der Suva vom 7. Dezember 2011 kein Einsprache- bzw. Beschwerderecht zuerkannt, hätte sie nur das Recht, ihre Leistungspflicht ebenfalls zu verneinen, sollte sie in der Folge von der Versicherten in Anspruch genommen werden. Lässt die Versicherte – wie in casu – die Suva-Verfügung in Rechtskraft erwachsen und wendet sie sich an die Z, kann es unter Umständen zu widersprechenden Verfügungen kommen. Die Gefahr, dass die Versicherte von einem Versicherer zum anderen gewiesen wird, soll gemäss oben zitierter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Erw. 1.3.1 oben) vermieden werden. In jener Sache wurde der Suva das Einspracherecht «pro Adressat» gegen die Verfügung eines Unfallversicherers zuerkannt, der seine Leistungen mit der Begründung eingestellt hatte, es lägen keine Folgen des in seine Leistungszuständigkeit fallenden Unfalls mehr vor (status quo sine erreicht). In casu sind entgegen der Beschwerdegegnerin keine Gründe ersichtlich, den vorliegenden Fall, in dem die Suva ihre Leistungspflicht mangels Rückfallskausalität negierte, anders zu behandeln.

Weil die Z nicht Leistungen im eigenen Namen, sondern zu Gunsten der Versicherten geltend macht, kommt Art. 78a UVG nicht zur Anwendung (BGE 127 V 176 Erw. 4d; erwähntes Urteil 8C_606/2007, Erw. 10).

1.3.4 Somit ist die Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 59 ATSG in der Sache berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des fraglichen Entscheids. Sie ist mithin zur Beschwerdeerhebung legitimiert und die Beschwerdeschrift entspricht auch den formellen Anforderungen, so dass das Gericht auf die Beschwerde einzutreten und diese zu prüfen hat.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. August 2012 S 2011 156

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