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Art. 25 Abs. 1 KVG, Art. 26 KVG und Art. 32 Abs. 2 KVG; Art. 13d KLV

Regeste:

Art. 25 Abs. 1 KVG, Art. 26 KVG und Art. 32 Abs. 2 KVG; Art. 13d KLV – Liegt im Zeitpunkt der prospektiven Risikenbeurteilung nach der Durchführung einer konventionellen Chromosomenanalyse keine auffällige Karotypisierung (Abweichung vom normalen Chromosomensatz) vor, ist eine  Leistungspflicht für eine zusätzliche  Reihen-Hybridisierung unter dem Aspekt der Kriterien «Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlichkeit» zu verneinen.

Aus dem Sachverhalt:

Die bei der X. Krankenkassen AG (in der Folge X. genannt) obligatorisch krankenpflegeversicherte A., Jahrgang 1979, war in der 10.+4-Woche schwanger als bei ihr im August 2012 eine Chorionzottenbiopsie durchgeführt wurde. Die Proben aus der Chorionzottenbiopsie wurden anschliessend u.a. einer molekulargenetischen Analyse – einer sogenannten Reihen-Hybridisierung – unterzogen. Mit Verfügung vom 25. April 2013 lehnte die X. die entsprechende Kostenübernahme dieser Reihen-Hybridisierung ab. Ihren Entscheid begründete sie damit, gemäss Art. 12d KLV (Massnahmen zur frühzeitigen Erkennung von Krankheiten bei bestimmten Risikogruppen) sei eine genetische Untersuchung nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflichtleistung der Krankenversicherer. Die verbreiterte Nackentransparenz falle nicht unter diese Bestimmungen. Ebenfalls sei diese genetische Untersuchung nicht bei den besonderen Leistungen bei Mutterschaft Art. 13 KLV aufgeführt.

Die dagegen erhobene Einsprache wies die X. mit Entscheid vom 8. November 2013 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, die bei der Versicherten durchgeführte Reihen-Hybridisierung sei im Zeitpunkt der Vornahme (Befunddatum 16. August 2012) in der Analyseliste (AL) vom 1. Januar 2012 enthalten gewesen (vgl. Anhang 3 KLV Ziff. 2.2.1.3 Molekulare Zytogenetik, Position 2018.05): Reihen-Hybridisierung in situ oder genomisch, konstitutioneller Karyotyp oder maligne Hämopathien, pauschal für 8 oder mehr Sonden. In der Analyseliste seien die kassenpflichten Analysen abschliessend aufgezählt (K55/05). Nur die in Art. 12 KLV aufgeführten genetischen Tests zur Krankheitsfrüherkennung seien kassenpflichtig (K 92/04 = RKUV 2005 KV 316 31, 33 Erw. 3.1; Gebhard Eugster, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum KVG, 2010, Art. 25 Rz 43). Im Folgenden wurde auf verschiedene gesetzliche Bestimmungen wie Art. 25 Abs. 1, Art. 56 Abs. 1 und Art. 26 KVG i.V.m. Art. 12-12e KLV etc. hingewiesen und die Rechtslage wie folgt zusammengefasst: Die durchgeführten Analysen könnten aus zwei Gründen als Pflichtleistung gelten, nämlich einerseits als pränatal durchgeführte Analyse aus Proben einer Amniozentese oder Chorionbiopsie bei einer Schwangeren unter 35 Jahren mit einem Risiko von 1:380 oder höher, dass beim Kind eine ausschliesslich genetisch bedingte Erkrankung bestehe, wobei der Analyse erst ein umfassendes und dokumentiertes Aufklärungs- und Beratungsgespräch vorangehen müsse und andererseits bei einer Risikoschwangerschaft, wenn die Untersuchung nach klinischem Ermessen und Art. 32 Abs. 1 KVG gerechtfertigt sei. Hingegen seien (in beiden Fällen) Analysen von der Kostenübernahme ausgeschlossen, bei denen schon zum Zeitpunkt der Anordnung feststehe, dass das Resultat keine medizinisch-therapeutische Konsequenzen habe. Die Versicherte mache das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft (Schwangerschaftswoche 10+4, auffällige Nackentransparenz von 3,2 mm, auffälliges Ersttrimester Screening, Alter von 33 Jahren) geltend. Dazu sei festzuhalten, dass die Qualifikation der Schwangerschaft bei der Versicherten als Risikoschwangerschaft nicht fachärztlich bescheinigt sei. Dazu liege auch keine ärztliche Stellungnahme vor, die ein klinisches Ermessen begründe. Aus diesem Grund könne keine Leistungspflicht abgeleitet werden. Betreffend dem zweiten möglichen Grund, einem Risiko von 1:380 oder höher, dass beim Kind eine ausschliesslich genetisch bedingte Erkrankung bestehe, seien Angaben gemacht worden. Auf Anfrage des Vertrauensarztes der X. habe Dr. B. mit Schreiben vom 7. Januar 2013 ausgeführt, dass bei der 33-jährigen Schwangeren in der 10+4 Schwangerschaftswoche (SSW) eine verbreiterte Nackentransparenz von 3,2 mm diagnostiziert worden sei. Die konventionelle Karyotypisierung habe einen numerisch und grobstrukturell unauffälligen Karyotyp ergeben. Bei diesen Feten, so Dr. B., bestehe ein erhöhtes Risiko für genetische Syndrome, welche mit der konventionellen Karyotypisierung nicht diagnostiziert werden könnten. Das am häufigsten vorkommende Syndrom sei das Noonan-Syndrom, welches bei bis zu 40 % aller Feten mit einer verbreiterten Nackentransparenz und unauffälligem konventionellem Karyotyp diagnostiziert werde. Weiter habe Dr. B. mitgeteilt, dass kein vollständiger Ersttrimestertest durchgeführt worden sei. Dieser gebe bei einer Nackentransparenz von 3,2 mm kaum zusätzliche Informationen. Aufgrund des Alters und der Nackenfalte habe im Zeitpunkt des Ultraschalls das Risiko für eine Trisomie 21 1:5 bestanden. Für die durchgeführten notwendigen Untersuchungen sei aber die Höhe der Nackenfalte entscheidend gewesen. Trotz Nachfrage habe Dr. B. keine weitere Stellungnahme abgegeben. Gemäss ihrem Vertrauensarzt Dr. K. werde empfohlen, dass neben dem Ausmass der Nackenfalte auch zusätzliche Ultraschallmarker vorhanden sein müssten. Ebenso habe Prof. P. vom Institut für medizinische Genetik der Universität Zürich erklärt, dass nur Fälle mit persistierender Nackentransparenz (NT), in denen eine Verlaufskontrolle notwendig sei, abgeklärt werden sollten. Ohne Verlaufskontrolle unter Ausschluss der anderen Differentialdiagnosen resp. bei isolierter NT, die nicht massiv sei (die Chance für einen harmlosen Zufallsbefund sei hoch), sei die Ablehnung gerechtfertigt. Solche Untersuchungen würden zudem oft im Rahmen einer Studie durchgeführt. Diese Verlaufskontrolle, welche eine persistierende NT nachgewiesen und die geforderten Zusatzbefunde dokumentiert hätte, liege hier nicht vor. Auch sei die NT mit 3,2 mm nicht so hoch, dass man von einer deutlich erhöhten NT sprechen könnte. Bevor also eine teure Genanalyse durchgeführt werde, sei als Ausfluss aus dem Wirtschaftlichkeitsprinzip eine Verlaufskontrolle mittels Ultraschall vorzunehmen, um den Verdacht zu erhärten. Diese Verlaufskontrolle müsse dokumentiert werden (Art. 13 lit. d KLV) und liege hier nicht vor. Sie stehe solchen Tests nicht per se ablehnend gegenüber, habe hier aber trotz wiederholter Anfrage keine Angaben des behandelnden Arztes dazu erhalten, womit die Notwendigkeit des Tests nicht durch klinische Daten habe erhärtet werden können.

Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 4. Dezember 2013 beantragte A. sinngemäss, es sei der Einspracheentscheid vom 8. November 2013 aufzuheben und es sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die Kosten für die Reihen-Hybridisierung von Fr. 2'800.– sowie die gemäss Art. 45 ATSG entstandenen Abklärungskosten zu übernehmen.

Aus den Erwägungen:

(...)

4.
4.1 Im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung haben die anerkannten Krankenkassen die Kosten für die Leistungen gemäss Art. 25–31 KVG nach Massgabe der in Art. 32–34 KVG festgelegten Voraussetzungen zu übernehmen (Art. 24 KVG). Die Leistungen gemäss Art. 25–31 KVG umfassen einerseits solche, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Art. 25 Abs. 1 KVG), wozu nach dem Leistungskatalog des Art. 25 Abs. 2 KVG auch die ärztlich verordneten Analysen gehören (Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG). Andererseits übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung u.a. die Kosten für bestimmte Untersuchungen zur frühzeitigen Erkennung von Krankheiten sowie für vorsorgliche Massnahmen zugunsten von Versicherten, die in erhöhtem Masse gefährdet sind (Art. 26 Abs. 1 KVG). Dabei handelt es sich – dem Titel zu Art. 26 KVG entsprechend – um Massnahmen der medizinischen Prävention. Sie werden von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt.

Die diagnostischen Massnahmen gemäss Art. 25 Abs. 1 KVG unterscheiden sich von den Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten im Sinne von Art. 26 KVG dadurch, dass Erstere stets im Zusammenhang mit der Untersuchung oder Behandlung einer manifesten Erkrankung oder eines konkreten Krankheitsverdachts stehen. Für diagnostische Massnahmen besteht daher im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung eine Leistungspflicht nur dann, wenn das versicherte Risiko (Gesundheitsstörung) entweder bereits eingetreten ist oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einzutreten droht. Demgegenüber haben präventive Massnahmen zur Früherkennung von Krankheiten zum Ziel, ein gesundheitliches Risiko aufzudecken, bevor es eintritt oder einzutreten droht. Sie sind deshalb von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unabhängig vom Vorliegen einer Krankheit oder eines Krankheitsverdachts zu übernehmen (Urteil des Bundesgerichts K 55/05 vom 24. Oktober 2005 Erw. 1.1).

4.2 Die Leistungen nach Art. 25–31 KVG müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein (Art. 32 Abs. 1 KVG). Die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft (Art. 32 Abs. 2 KVG). Rechtstechnisch sieht das KVG zur Verwirklichung der für das Leistungsrecht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung fundamentalen Prinzipien der wissenschaftlich nachgewiesenen Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit ein Listensystem mit Positiv- und Negativlisten vor.

4.3 Gemäss Art. 52 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 KVG erlässt das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) nach Anhören der zuständigen Kommission und unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 32 Abs. 1 KVG) sowie des allgemein gültigen Ziels einer qualitativ hochstehenden und zweckmässigen gesundheitlichen Versorgung zu möglichst günstigen Kosten (Art. 43 Abs. 6 KVG) eine Liste der im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmenden Analysen mit Tarif. Diese Liste gehört unter dem Titel Analysenliste als Anhang 3 zur Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV [SR 832.112.31]; Art. 28 Abs. 1 KLV) und wird in der Regel jährlich herausgegeben (Art. 60 der Verordnung über die Krankenversicherung, KVV [SR 832.102], in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 KLV). Bei der Analysenliste handelt es sich um eine Positivliste (Urteil des Bundesgerichts K 55/05 vom 24. Oktober 2005, Erw. 1.2.2). Gemeinsames Merkmal der im krankenversicherungsrechtlichen Listensystem vorgesehenen Positivlisten ist, dass ihnen verbindlicher und abschliessender Charakter zukommt, weil die Krankenversicherer gemäss Art. 34 Abs. 1 KVG keine anderen Kosten als diejenigen für Leistungen nach den Art. 25–33 KVG übernehmen dürfen. Diese gesetzliche Ordnung schliesst die Übernahme der Kosten von nicht auf einer Positivliste aufgeführten Leistungen grundsätzlich aus (Urteil des Bundesgerichts K 55/05 vom 24. Oktober 2005 Erw. 1.3 mit Hinweisen).

Die bei der Beschwerdeführerin durchgeführte Reihen-Hybridisierung war im Zeit-punkt der Vornahme (August 2012) in der AL enthalten (vgl. Anhang 3 KLV Ziff. 2.2.1.3 Molekulare Zytogenetik, Position 2018.05).

4.4 Die Leistungspflicht für diagnostische Massnahmen endet dort, wo die Therapie feststeht oder keine mehr möglich ist (Gebhard Eugster, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Krankenversicherung [KVG], Zürich 2010, Art. 25 Rz 1). Diagnostische Massnahmen, die prognostisch beurteilt ohne therapeutische Konsequenzen für den Patienten sind, stellen grundsätzlich keine Pflichtleistungen dar, weil sie dadurch unwirtschaftlich sind (Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. XIV: Soziale Sicherheit, 2. Auflage, Basel 2007, Rz 320). Dies wird ausdrücklich in den einleitenden Bemerkungen der hier anwendbaren Analysenliste vom 1. Januar 2012 festgehalten. Im Rahmen der Änderung per 1. Januar 2013 sind gestützt auf einen entsprechenden Vorschlag des Bundesamtes für Gesundheit vom 10. Juli 2012 in den einleitenden Bemerkungen zur Analysenliste nun positiv formulierte Bedingungen umschrieben worden, unter denen Analysen übernommen werden. Danach gilt Folgendes: «Die Diagnostik hat mit einer akzeptablen Wahrscheinlichkeit die Konsequenz, dass sie einen Entscheid über Notwendigkeit und Art einer medizinischen Behandlung oder eine richtungsgebende Änderung der bisher angewendeten medizinischen Behandlung oder eine richtungsgebende Änderung der notwendigen Untersuchungen (z.B. zur rechtzeitigen Verhütung, Erkennung oder Behandlung von typischerweise zu erwartenden Komplikationen) oder einen Verzicht auf weitere Untersuchungen von typischerweise zu erwartenden Krankheitssymptomen, Folgeerkrankungen oder Beschwerden zur Folge hat. Analysen, bei denen schon zum Zeitpunkt der Anordnung feststeht, dass das Resultat keine der oben erwähnten Konsequenzen hat, sind von der Kostenübernahme ausgeschlossen». Es spricht nichts dagegen, diese Umschreibung der Voraussetzungen für eine Vergütung von Analysen auch im vorliegenden Fall zur Beurteilung hinzuzuziehen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 9C_1011/2012 vom 18. April 2013 Erw. 2.3.2).

(...)

8.3 (...)
Die Beschwerdegegnerin vertritt vorliegend den Standpunkt, dass sie die Kosten für diese Reihen-Hybridisierung in der Höhe von Fr. 2'800.– nicht zu übernehmen habe, habe dafür keine medizinische Indikation bestanden. Die Notwendigkeit des Tests habe durch klinische Daten nicht erhärtet werden können. Bevor eine teure Genanalyse durchgeführt werde, sei als Ausfluss des Wirtschaftlichkeitsprinzips eine Verlaufskontrolle mittels Ultraschall vorzunehmen, um den Verdacht zu erhärten. Die Beschwerdeführerin ist gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. R. indessen der Ansicht, dass nicht nur die Chorionbiopsie sondern auch die Reihen-Hybridisierung unter Art. 13d KLV bzw. unter Leistungen in der Analyseliste auf welche der genannte Artikel verweise, falle. In beiden Fällen sei die Risikoschwangerschaft ausschlaggebend. In ihrem Fall habe gemäss Prof. Dr. R. nicht ausreichend Material für die Analyse zur Verfügung gestanden, weshalb die Reihen-Hybridisierung notwendig geworden sei.

8.4 Der Ansicht der Beschwerdeführerin, auch die Reihen-Hybridisierung falle unter Art. 13d KLV, kann grundsätzlich nicht gefolgt werden, hat doch die Versicherung gemäss Art. 13d KLV lediglich die dort aufgeführten beiden Kontrolluntersuchungen, namentlich die Amniozentese und die Chorionbiopsie, zu übernehmen. Soweit in Art. 13d KLV auf Laboranalysen gemäss Analyseliste (AL) (als Voraussetzung) verwiesen wird, ist dies dahingehend zu verstehen, dass vor Durchführung einer dieser Massnahmen u.a. eine Laboranalyse, wie sie eben im synlab Zürich, Kilchberg am 27. Juli 2012 gemacht wurde (vgl. Erw. 6.2 hiervor; Bluttest für pränatale Risiko-Berechnung), vorliegt.

9. Wie den Akten und den Ausführungen in Erw. 8 oben zu entnehmen ist, können die bei der Biopsie entnommenen Chorionzotten im Labor verschiedenen Analysen unterzogen werden. Zwar figurieren die vom Institut für Medizinische Genetik durchgeführten Analysen allesamt auf der Analysenliste (Anhang 3 zur KLV) (vgl. Erw. 6.1 und 6.3 oben). Dass die Beschwerdegegnerin die erste Analyse vom 3. August 2012, d.h. die Kosten für die Chromosomenanalyse mit FISH-Analysen bezüglich Trisomie 21, 18, 13 und Monosomie X in der Höhe von Fr. 742.– übernommen hat, ist wie bereits ausgeführt (vgl. Erw. 6.2 oben: wäre eine Chorionbiopsie ohne weitere Untersuchung schliesslich sinnlos) nachvollziehbar, zumal sich eine solche Analyse kostenmässig im Rahmen hält. Ob die zweite Analyse, d.h. die hier strittige Reihen-Hybridisierung, denn auch von der Beschwerdegegnerin zu übernehmen ist, ist unter dem Aspekt der WZW-Kriterien zu prüfen. Bei dieser für die spezielle Anwendung der Analysenliste spezifischen Umsetzung der WZW-Kriterien ist von einer prospektiven Betrachtungsweise, einer Beurteilung ex ante auszugehen.

9.1 Dass eine Reihen-Hybridisierung im Falle einer Risikoschwangerschaft wirksam ist, wird von niemandem bestritten. Falsch ist sodann die Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass die Beschwerdeführerin aus den Erkenntnissen der Genanalyse resp. einer Diagnose im vorliegenden Fall keine Konsequenz aufzeigen könne und dass die Analyse nicht auf einen bestimmten Zweck hin durchgeführt worden sei. Der Zweck einer Reihen-Hybridisierung ist natürlich der, mit grösstmöglicher Sicherheit zu erkennen, ob beim Ungeborenen eine chromosomale Aberration vorliegt oder nicht. Im Falle eines positiven Untersuchungsbefundes kann sich die Schwangere als Alternative zur Annahme des Kindes mit seiner Besonderheit für eine nachgeburtliche Freigabe des Kindes zur Adoption bzw. die nachgeburtliche Abgabe des Kindes in eine Pflegefamilie/ ein Heim oder für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Gestützt auf das Schreiben von Dr. I. vom 30. Juli 2012 muss davon ausgegangen werden, dass sich die Beschwerdeführerin bereits mit dem Gedanken eines allfälligen Schwangerschaftsabbruches auseinandergesetzt hatte, bat doch der Gynäkologe seine Kollegen an der Universitätsfrauenklinik Zürich bei einer bestätigten chromosomalen Aberration und aufgrund seiner Ferienabwesenheit um eine allfällig sogleich durchzuführende «Interruptio graviditatis».

9.2 Es stellt sich jedoch unweigerlich die Frage, ob denn mit dem Vorliegen des Ergebnisses aus der ersten Analysen vom 3. August 2012 (Chromosomenanalyse mit FISH-Analysen) der oben beschriebene Zweck nicht bereits erreicht und damit die Reihen-Hybridisierung gar nicht notwendig bzw. medizinisch nicht indiziert war.

9.2.1 Dem Bericht des Instituts für Medizinische Genetik vom 3. August 2012 (vgl. Erw. 6.3) ist zu entnehmen, dass aus der Chorionzottenbiopsie zu wenig Material vorgelegen habe, und der grösste Teil davon zudem mütterlich gewesen sei. Die trotzdem durchgeführte Kurzzeitkultur mit nur 10 Metaphasen habe einen männlichen Chromosomensatz ergeben, der auf dem angegebenen Bandniveau keine numerischen und grobstrukturellen Veränderungen angezeigt habe. Wegen der geringen Anzahl Metaphasen hätten sie auch eine FISH-Analyse durchgeführt und es habe sich dabei kein Hinweis auf eine Mosaik-Trisomie 21, 18, 13 und eine Mosaik-Monosomie X ergeben. Eine genauere Analyse bezüglich struktureller Aberrationen erfolge nach Langzeitkultur, worüber ein gesonderter Bericht erstellt werde. Wie dem zweiten Bericht vom 16. August 2012 indes zu entnehmen ist, wurde offensichtlich sogleich eine Reihen-Hybridisierung vorgenommen. Diese habe eine weitaus höhere Aussagekraft als eine konventionelle Chromosomenanalyse nach Langzeitkultur und erfasse unter anderem auch klassische Mikrodeletionssysteme.


9.2.2 Die Behauptung der Beschwerdeführerin, der Grund für die Reihen-Hybridisierung sei gewesen, dass zu wenig kindliches Material aus der Chorionbiopsie vorgelegen habe, kann nicht gehört werden. Aus den Berichten geht klar hervor, dass es lediglich um eine noch genauere Analyse ging. Hätte das Institut für Medizinische Genetik mit dem bei der Chorionbiopsie entnommenen Material keine aussagekräftigen Analysen durchführen können, was aus dem Bericht indes nicht hervorgeht, so hätte in vorgängiger Risikoabwägung und Besprechung mit der Schwangeren allenfalls eine erneute Chorionbiopsie mit mehr Materialentnahme stattfinden müssen. Allein aufgrund der Berichte des Instituts für Medizinische Genetik wird jedoch klar, dass der Zweck mittels der ersten konventionellen Chromosomenanalyse, d.h. die Feststellung, ob aufgrund der vorliegenden Risikoschwangerschaft (berechnetes Risiko aufgrund aller Daten > 1:50 für Trisomie 21) eine auffällige Karotypisierung (Abweichung vom normalen Chromosomensatz) vorliegt oder nicht, erreicht war. Ohne bei der Beschwerdeführerin bzw. deren behandelndem Arzt rückzufragen, hat das Institut für Medizinische Genetik eine Reihen-Hybridisierung, welche als aufwändigere und somit teurere Analyse noch ein genaueres Resultat zu ermitteln vermag, vorgenommen. Grund dafür gab es indes offensichtlich keinen, waren doch die Ergebnisse aus der konventionellen Chromosomenanalyse, die von der Krankenversicherung im Zusammenhang mit der in Art. 13d KLV als Kontrolluntersuchung genannten Chorionbiopsie bei Vorliegen einer Risikoschwangerschaft übernommen wird, negativ. Fraglich ist auch, weshalb nicht zuerst die noch im Bericht vom 3. August 2012 angekündigte, konventionelle Chromosomenanalyse nach Langzeitkultur vorgenommen wurde.

Anders wäre allenfalls zu entscheiden, wenn die erste Analyse, d.h. die konventionelle Chromosomenanalyse, positiv ausgefallen wäre, mit anderen Worten die FISH-Analysen bezüglich Trisomie 18, 21 und 13 auffällig gewesen wären. Dass in diesem Falle weitere Abklärungen hätten vorgenommen werden wollen, ist aus Sicht des behandelnden Arztes und vor allem einer Schwangeren nachvollziehbar. Aber auch in diesem Falle wäre eine Reihen-Hybridisierung unter Umständen nicht gerechtfertigt gewesen, hätte doch – wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht – bis zum nächsten Ultraschall zugewartet und je nach Nackentransparenzmessung dannzumal weitere Schritte vorgenommen werden können. Dieser Frage ist jedoch nicht abschliessend zu klären, lag in casu – wie gesagt – ein negatives Resultat vor, so dass die Beschwerdeführerin bereits mit dem Resultat aus der konventionellen Chromosomenanalyse mit grosser Wahrscheinlichkeit davon ausgehen durfte, dass ihr Kind gesund sein würde. Die Beschwerdeführerin hätte sich allein schon mit diesem Abklärungsergebnis für die Fortführung der Schwangerschaft entscheiden können. Aus Sicht der Beschwerdeführerin ist es in casu indes durchaus nach-vollziehbar, dass ihr die noch genauere Analyse der Reihen-Hybridisierung eine noch höhere Sicherheit – in ihrem Fall ein gesundes Kind zu bekommen – gab. Dass die Kosten für diese noch genauere Analyse im vorliegenden Fall von der Krankenversicherung zu tragen wäre, geht jedoch nicht an, war die Reihen-Hybridisierung nach Vorliegen der negativen Ergebnisse aus der konventionellen Chromosomenanalyse klar nicht indiziert, mithin in keiner Weise wirtschaftlich.

9.2.3 Soweit Prof. Dr. med. R. am 21. November 2013 die durchgeführte Reihen-Hybridisierung damit rechtfertigt, dass nach Vorliegen eines unauffälligen Resultats bei der konventionellen Chromosomenanalyse weiterhin ein erhöhtes Risiko für submikroskopische Chromosomenstörungen, welche nur mittels Reihen-Hybridisierung detektiert werden könnten, bestanden habe, ist dies aus Sicht einer medizinischen Genetikerin, die Analysen mit bestmöglichster Aussagekraft (und dies letztlich auch aus Sicht der Forschung) will, zwar durchaus verständlich, aus sozialversicherungsrechtlichen Überlegungen, wo es um rein zweckmässige und nicht optimale Ergebnisse geht, indes nicht opportun. Die vorliegend durchgeführte Reihen-Hybridisierung geht klar nicht auf Kosten der Krankenversicherung. Im vorliegenden Fall geht es Prof. Dr. med. R. offensichtlich auch darum, die von ihr – ohne mit der Beschwerdeführerin bzw. dem behandelnden Arzt Rücksprache genommen zu haben – durchgeführte, teure Reihen-Hybridisierung aus persönlichen Gründen zu rechtfertigen, was allenfalls auch die gegenteilige Meinung ihrer Kollegin Prof. Dr. med. P. erklärt. Und schliesslich bleibt festzustellen, dass ein Restrisiko, dass das Ungeborene trotz Kontrolluntersuchungen weitere Krankheiten haben könnte oder dass in den weiteren Schwangerschaftswochen etwas schief laufen könnte, bei jeder Schwangerschaft vorliegt und letztlich jede Schwangere selber zu tragen hat.

9.3 Nach dem Gesagten hat zusammenfassend mit der Beschwerdegegnerin als erstellt zu gelten, dass die Reihen-Hybridisierung im konkreten Einzelfall im Zeitpunkt der Durchführung aus prospektiver und objektiver Sicht nicht notwendig, d.h. medizinisch indiziert, und somit auch nicht wirtschaftlich im Sinne des Gesetzes war. Damit ist die erfolgte Leistungsverweigerung der Beschwerdegegnerin gesetzeskonform. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Mai 2014 S 2013 179

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